Urteile nº T-745/17 of Tribunal General de la Unión Europea, September 09, 2020

Resolution DateSeptember 09, 2020
Issuing OrganizationTribunal General de la Unión Europea
Decision NumberT-745/17

„Staatliche Beihilfen - Beihilfe für ein Investitionsvorhaben in der Westslowakei - Regionale Investitionsbeihilfe - Zurückweisung einer Beschwerde - Entscheidung, keine Einwendungen zu erheben - Freistellungsvoraussetzungen - Art. 14 der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 - Umfang der Kontrollbefugnis der Kommission - Leitlinien für Regionalbeihilfen 2014-2020 - Begriff des KMU - Art. 3 Abs. 2 und 3 des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 - Für die Berechnung der Mitarbeiterzahl und der finanziellen Schwellenwerte zugrunde zu legende Angaben sowie maflgeblicher Zeitraum - Art. 4 des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 - Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt - Art. 4 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2015 /1589 - Ernsthafte Schwierigkeiten“

In der Rechtssache T-745/17,

Kerkosand spol. s r. o. mit Sitz in Šajdíkove Humence (Slowakei), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Rosenfeld und C. Holtmann,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch K. Blanck und A. Bouchagiar als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2017) 5050 final der Kommission vom 20. Juli 2017 über die Investitionsbeihilfe zugunsten der slowakischen Quarzsand-Produzentin NAJPI a. s. (SA.38121 [2016/FC] - Slowakei) (ABl. 2017, C 336, S. 1) erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. M. Collins, des Richters V. Kreuschitz (Berichterstatter) und der Richterin G. Steinfatt,

Kanzler: S. Bukšek Tomac, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2020

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Die Klägerin, die Kerkosand spol. s r. o., unterhält in Šajdíkove Humence (Slowakei) ein Abbaugebiet und eine Aufbereitungsanlage für Quarzsand.

2 Am 12. Dezember 2013 reichte die Klägerin bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde ein, mit der sie geltend machte, die Slovenská inovačná a energetická agentúra (Slowakische Innovations- und Energieagentur, Slowakei) habe dem Unternehmen NAJPI a. s. (im Folgenden: begünstigtes Unternehmen) mit Entscheidung vom 22. Juli 2013 für ein Investitionsvorhaben in der Westslowakei eine rechtswidrige Beihilfe in Höhe von 4 999 999,46 Euro (im Folgenden: fragliche Beihilfe) gewährt.

3 Diese Beihilfe wurde auf der Grundlage des Schéma štátnej pomoci na podporu zavádzania inovatívnych a vyspelých technológií v priemysle a v službách (SA.28652 [X518/2009]) (Staatliche Beihilferegelung zur Einführung innovativer und fortgeschrittener Technologien im Industrie- und Dienstleistungsbereich, im Folgenden: fragliche Beihilferegelung) gewährt, das nach Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 [EG] (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) (ABl. 2008, L 214, S. 3) als regionale Investitions- und Beschäftigungsbeihilfe eingestuft wurde. Sie bezog sich auf ein Investitionsvorhaben des begünstigten Unternehmens, mit dem es in den Lagerstätten von Borský Peter (Slowakei) und Šajdíkove Humence eine Anlage zur Quarzsandförderung errichten wollte (im Folgenden: Investitionsvorhaben).

4 Mit Schreiben vom 24. Februar und vom 2. Mai 2014 übermittelte die Kommission den slowakischen Behörden eine nicht vertrauliche Fassung der Beschwerde und forderte sie zur Stellungnahme auf. Die slowakischen Behörden nahmen mit Schreiben vom 30. Mai und vom 1. Juli 2014 Stellung.

5 Am 30. Juli 2014 übersandte die Kommission der Klägerin ein vorläufiges Beurteilungsschreiben, in dem sie die Auffassung vertrat, dass die fragliche Beihilfe im Einklang mit der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt worden sei.

6 Mit Schreiben vom 12. Februar, 4. September, 7. und 21. November 2014, vom 28. Mai, 8. Juli, 15. Juli, 1. September, 15. Oktober und 3. November 2015 sowie vom 13. Juni, 5. Juli und 17. August 2016 unterbreitete die Klägerin der Kommission zusätzliche Informationen.

7 Mit Schreiben vom 2. Mai, 30. Juni und 10. September 2014, vom 9. Januar 2015, vom 25. Februar, 10. März, 22. April und 23. Juni 2016 sowie vom 25. Januar, 15. März und 13. Juni 2017 richtete die Kommission Auskunftsersuchen an die slowakischen Behörden. Diese antworteten mit Schreiben vom 1. Juli und 3. Oktober 2014, vom 6. Februar 2015, vom 22. April, 19. Mai und 1. Juli 2016 sowie vom 7. Februar, 12. April und 21. Juni 2017.

8 Am 9. Juli 2015 übersandte die Kommission der Klägerin ein weiteres vorläufiges Beurteilungsschreiben, in dem sie die Auffassung vertrat, die fragliche Beihilfe sei rechtmäflig, da sie im Einklang mit der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt worden sei, und mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar. Die Kommission ging insbesondere davon aus, dass das begünstigte Unternehmen, als die Beihilfe am 22. Juli 2013 gewährt worden sei, zur Kategorie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gehört und sich nicht in Schwierigkeiten befunden habe.

9 Mit Schreiben vom 15. Oktober 2015 (siehe auch oben, Rn. 6) antwortete die Klägerin auf das weitere vorläufige Beurteilungsschreiben und unterbreitete zusätzliche Informationen.

10 Am 26. November 2015 fand eine Besprechung der Klägerin mit den Dienststellen der Kommission statt.

11 Am 20. Juli 2017 erliefl die Kommission den Beschluss C(2017) 5050 final über die Investitionsbeihilfe zugunsten der slowakischen Quarzsand-Produzentin NAJPI a. s. (SA.38121 [2016/FC] - Slowakei) (ABl. 2017, C 336, S. 1, im Folgenden: angefochtener Beschluss), der an das slowakische Auflenministerium gerichtet war, in dem aber keine Rechtsgrundlage angegeben wurde. Darin ging sie erstens davon aus, dass begrifflich eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliege (Rn. 43 und 44). Zweitens sei die fragliche Beihilfe am 7. November 2013 gewährt worden, d. h. am Tag nach der Eintragung der Fördervereinbarung vom 29. Oktober 2013 in das zentrale slowakische Vertragsregister (Rn. 45 bis 47). Drittens erfüllten sowohl die fragliche Beihilferegelung, auf deren Grundlage die Beihilfe gewährt worden sei, als auch die Beihilfe selbst die in der Verordnung Nr. 800/2008 aufgestellten Voraussetzungen, allerdings mit Ausnahme der Voraussetzung in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung, wonach in der Einzelbeihilfemaflnahme anzugeben sei, dass sie auf der Grundlage dieser Verordnung gewährt worden sei (Rn. 50 bis 55). Viertens sei zu prüfen, ob die Beihilfe gemessen an der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 [AEUV] (ABl. 2014, L 187, S. 1) gemäfl deren Art. 58 als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden könne (Rn. 56). Fünftens erfülle die Beihilfe die in dieser Verordnung genannten Voraussetzungen, insbesondere was den Status des begünstigten Unternehmens als KMU betreffe, so dass sie von der Anmeldepflicht befreit gewesen sei und als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden müsse (Rn. 57 bis 63). Die Kommission zog daraus den Schluss, dass sie zu einer Untersuchung der fraglichen Beihilfe im Rahmen der in Art. 4 der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 108 [AEUV] (ABl. 2015, L 248, S. 9) vorgesehenen vorläufigen Prüfung nicht befugt sei (Rn. 64 des Beschlusses). Infolgedessen wurde die von der Klägerin nach Art. 24 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 anonym erhobene Beschwerde von der Kommission als unbegründet „zurückgewiesen“ (Rn. 65 des Beschlusses).

12 Mit Schreiben vom 5. September 2017 übersandte die Kommission der Klägerin eine Abschrift des angefochtenen Beschlusses, den sie als „Entscheidung über die fragliche Beihilfe“ bezeichnete.

13 Am 6. Oktober 2017 wurde der angefochtene Beschluss im Amtsblatt der Europäischen Union in Form einer Zusammenfassung (sogenannte Veröffentlichung in Kurzfassung) im Sinne von Art. 32 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 unter der Überschrift „Genehmigung staatlicher Beihilfen nach den Artikeln 107 und 108 [AEUV]“ in der Rubrik „Vorhaben, gegen die von der Kommission keine Einwände erhoben werden“ veröffentlicht (ABl. 2017, C 336, S. 1).

Verfahren und Anträge der Parteien

14 Mit Klageschrift, die am 14. November 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

15 Mit Schreiben, das am 16. Juli 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin ein Dokument mit den Jahresabschlüssen des begünstigten Unternehmens für die Jahre 2014 bis 2018 vorgelegt und das Gericht ersucht, es als neues Beweisangebot zu berücksichtigen. In ihrer fristgerecht eingereichten Stellungnahme beantragt die Kommission, das Beweisangebot als verspätet im Sinne von Art. 85 der Verfahrensordnung des Gerichts und als für die Entscheidung des Rechtsstreits offensichtlich ungeeignet zurückzuweisen und das Dokument aus der Gerichtsakte zu entfernen.

16 Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist nach Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung der Berichterstatter der Dritten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

17 Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen. Im Rahmen prozessleitender Maflnahmen gemäfl Art. 89 der Verfahrensordnung hat es den Parteien schriftliche Fragen zur schriftlichen Beantwortung gestellt. Die Antworten der Parteien sind fristgerecht bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen.

18 Die Parteien haben in der Sitzung vom 21. Januar 2020 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

19 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- hilfsweise, das Schreiben vom 5. September 2017 für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

20 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin...

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