Urteile nº T-3/20 of Tribunal General de la Unión Europea, December 16, 2020

Resolution DateDecember 16, 2020
Issuing OrganizationTribunal General de la Unión Europea
Decision NumberT-3/20

„Unionsmarke - Widerspruchsverfahren - Anmeldung der Unionswortmarke Canoleum - Ältere internationale Wortmarke MARMOLEUM - Relatives Eintragungshindernis - Verspätete Einreichung der Beschwerdebegründung - Unzulässigkeit der Beschwerde vor der Beschwerdekammer - Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Plötzliche Erkrankung des den Beschwerdeführer vertretenden Rechtsanwalts - Sorgfaltspflicht - Beweiswert der eidesstattlichen Versicherung des Rechtsanwalts“

In der Rechtssache T-3/20,

Forbo Financial Services AG mit Sitz in Baar (Schweiz), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. Fröhlich,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch M. Fischer als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO:

Windmöller GmbH mit Sitz in Augustdorf (Deutschland),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO vom 9. Oktober 2019 (Sache R 773/2019-2) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen Forbo Financial Services und Windmöller

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. M. Collins (Berichterstatter) sowie der Richter Z. Csehi und G. De Baere,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 3. Januar 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 10. März 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäfl Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Am 17. Mai 2017 meldete die Windmöller Flooring Products WFP GmbH - die Rechtsvorgängerin der Windmöller GmbH, der anderen Beteiligten im Verfahren vor der Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) - nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim EUIPO eine Unionsmarke an.

2 Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen Canoleum.

3 Die Marke wurde für Waren der Klassen 19 und 27 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4 Die Anmeldung wurde im Blatt für Unionsmarken Nr. 2017/122 vom 30. Juni 2017 veröffentlicht.

5 Am 27. September 2017 erhob die Klägerin, die Forbo Financial Services AG, gemäfl Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 46 der Verordnung 2017/1001) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Rn. 3 genannten Waren.

6 Der Widerspruch wurde auf die am 11. September 1997 unter der Nr. 683531 für Waren der Klassen 19 und 27eingetragene Internationale Eintragung der Wortmarke MARMOLEUM, mit Erstreckung des Schutzes auf die Europäische Union und auf eine Reihe ihrer Mitgliedstaaten, gestützt.

7 Als Widerspruchsgrund wurde das Eintragungshindernis nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) geltend gemacht.

8 Mit Entscheidung vom 12. Februar 2019, die am selben Tag zugestellt wurde, wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass für die maflgeblichen Verkehrskreise zwischen den einander gegenüberstehenden Marken keine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 bestehe.

9 Am 9. April 2019 hat die Klägerin gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung beim EUIPO Beschwerde gemäfl den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 erhoben.

10 Die Klägerin hat die Beschwerdebegründung jedoch erst am 26. Juni 2019 eingereicht, also nach Verstreichen der in Art. 68 Abs. 1 letzter Satz der Verordnung 2017/1001 vorgesehenen Frist, die am 12. Juni 2019 um Mitternacht abgelaufen ist. Sie hat der Beschwerdebegründung einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäfl Art. 104 der Verordnung beigefügt, in dem sie im Wesentlichen geltend gemacht hat, dass der für sie im Verfahren vor dem EUIPO sachbearbeitende Rechtsanwalt (im Folgenden: Erstanwalt) die Beschwerdebegründung wegen einer unvorhersehbaren schweren Erkrankung nicht in der gesetzten Frist habe einreichen können. Zur Stützung dieses Vorbringens hat sie zwei eidesstattliche Versicherungen vorgelegt, von der die eine vom genannten Rechtsanwalt und die andere von seiner Ehefrau stammt.

11 Mit Entscheidung vom 9. Oktober 2019 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hat die Zweite Beschwerdekammer des EUIPO den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für zulässig erklärt, aber als unbegründet zurückgewiesen. Sie vertrat im Wesentlichen die Ansicht, dass der Erstanwalt „nicht ausreichend nachgewiesen [habe], dass er die nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt beachtet hat“ (Rn. 16 der angefochtenen Entscheidung).

12 Im Einzelnen hat die Beschwerdekammer, nachdem sie hat gelten lassen, dass in Ausnahmefällen eine plötzliche Krankheit einen unvorhersehbaren Grund darstellen könne, der eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertige (Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung), erstens befunden, dass der Erstanwalt keinen ausreichenden Nachweis für die von ihm geltend gemachte Erkrankung erbracht habe, da seiner eidesstattlichen Versicherung und der seiner Ehefrau nur ein beschränkter Beweiswert zukomme (Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung). Im Einzelnen hat sie ihm vorgeworfen, kein ärztliches Attest vorgelegt zu haben (Rn. 19 und 20 der angefochtenen Entscheidung). Insoweit hat sie ausgeführt, dass eine plötzliche Krankheit nur dann ein unvorhersehbarer Grund sei, wenn sie so schwer sei, dass sie die betroffene Person daran hindere, geeignete Maflnahmen zur Fristeinhaltung wie z. B. die Benachrichtigung eines Anwaltskollegen in der betreffenden Kanzlei zu treffen. In einem solchen Fall sei aber „davon auszugehen, dass grundsätzlich auch eine ärztliche Behandlung erforderlich ist“ (Rn. 20 der angefochtenen Entscheidung).

13 Zweitens hat die Beschwerdekammer dem Erstanwalt vorgeworfen, keinen ausreichenden Beweis dafür erbracht zu haben, dass „es ihm nicht einmal möglich war, seine Ehefrau darum zu bitten, einen Anwaltskollegen in der [betreffenden] Kanzlei anzurufen und ihn mit der Unterzeichnung und Versendung der Beschwerdebegründung zu beauftragen“ (Rn. 21 der angefochtenen Entscheidung).

14 Drittens hat die Beschwerdekammer ausgeführt, dass es keinen ausreichenden Nachweis dafür gebe, dass am 12. Juni 2019 kein einziger Anwaltskollege des Erstanwalts in der betreffenden Kanzlei anwesend gewesen sei, der an seiner statt die Beschwerdebegründung hätte unterschreiben und versenden können (Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung).

15 Viertens hat die Beschwerdekammer die Ansicht vertreten, dass es an einem ausreichenden Nachweis dafür fehle, dass am 12. Juni 2019 die Beschwerdebegründung schon erstellt und von der Klägerin freigegeben gewesen sei und dass mithin die geltend gemachte Erkrankung tatsächlich die Ursache der Fristversäumnis gewesen sei (Rn. 23 bis 25 der angefochtenen Entscheidung).

16 Daher hat die Beschwerdekammer die Beschwerde auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 Buchst. d der Delegierten Verordnung (EU) 2018/625 der Kommission vom 5. März 2018 zur Ergänzung der Verordnung 2017/1001 und zur Aufhebung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/1430 (ABl. 2018, L 104, S. 1) als unzulässig zurückgewiesen.

Anträge der Parteien

17 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben,

- dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

18 Das EUIPO beantragt,

- die Klage abzuweisen,

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

19 Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstofl gegen Art. 104 der Verordnung 2017/1001 in Verbindung mit ihrem Art. 97 Abs. 1 Buchst. f geltend.

20 Im Wesentlichen...

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