Conclusiones del Abogado General Sr. A. Rantos, presentadas el 2 de septiembre de 2021.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2021:691
Date02 September 2021
Celex Number62020CC0388
CourtCourt of Justice (European Union)

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ATHANASIOS RANTOS

vom 2. September 2021(1)

Rechtssache C388/20

Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.

gegen

Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 – Information der Verbraucher über Lebensmittel – Art. 9 Abs. 1 Buchst. l – Nährwertdeklaration – Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 – Berechnung des Brennwerts und der Nährstoffmengen – Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 – Angabe je Portion oder je Verzehreinheit“






I. Einleitung

1. Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel(2). Konkret will das vorlegende Gericht wissen, ob und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist, auf der Vorderseite der Verpackung eines Lebensmittels freiwillige Informationen zum Nährwert anzubringen, die sich nicht auf das Lebensmittel zum Zeitpunkt des Verkaufs beziehen, sondern auf Portionen dieses Lebensmittels in dem mit Hilfe zusätzlicher Zutaten zubereiteten Zustand.

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (Deutschland, im Folgenden: BVV) und einem Lebensmittelhersteller, der Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG (im Folgenden: Dr. Oetker), wegen der Vereinbarkeit der Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite einer Verpackung von Müsli (im Folgenden: streitiges Produkt) mit den Anforderungen an freiwillig bereitgestellte Informationen zum Nährwert und insbesondere mit Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 und Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011.

3. Der Gerichtshof hatte zwar bereits Gelegenheit zur Auslegung der Verordnung Nr. 1169/2011 sowie u. a. der durch sie aufgehobenen Richtlinien 2000/13/EG(3) und 90/496/EWG(4), doch er ist hier erstmals mit der Auslegung der Bestimmungen über die freiwillige Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln befasst(5).

4. In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich darlegen, dass die freiwillige Nährwertkennzeichnung eines vorverpackten Lebensmittels wie des streitigen Produkts, das in unterschiedlichen Zubereitungsweisen konsumiert wird, nicht den Anforderungen der Verordnung Nr. 1169/2011 entspricht, wenn die Informationen über den Brennwert und die Nährstoffmengen nur für eine einzige Zubereitungsform erteilt werden, statt auch auf die Form des Lebensmittels zum Zeitpunkt des Verkaufs je 100 g Bezug zu nehmen.

II. Rechtsrahmen

5. In den Erwägungsgründen 10, 17, 35, 37 und 41 der Verordnung Nr. 1169/2011 heißt es:

„(10) In der allgemeinen Öffentlichkeit besteht Interesse an dem Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit und an der Wahl einer geeigneten, individuellen Bedürfnissen entsprechenden Ernährung. Die Kommission hat in ihrem Weißbuch vom 30. Mai 2007 „Ernährung, Übergewicht, Adipositas: Eine Strategie für Europa“ … ausgeführt, dass die Nährwertkennzeichnung eine wichtige Methode darstellt, um Verbraucher über die Zusammensetzung von Lebensmitteln zu informieren und ihnen zu helfen, eine fundierte Wahl zu treffen. In der Mitteilung der Kommission vom 13. [März] 2007 mit dem Titel „Verbraucherpolitische Strategie der EU (2007-2013) – Stärkung der Verbraucher – Verbesserung des Verbraucherwohls – wirksamer Verbraucherschutz“ wird betont, dass es für einen wirksamen Wettbewerb und das Wohlergehen der Verbraucher wichtig ist, dass diese eine fundierte Wahl treffen können. Die Kenntnis der wichtigsten Ernährungsgrundsätze und eine angemessene Information über den Nährwert von Lebensmitteln würden wesentlich dazu beitragen, den Verbrauchern eine solche fundierte Wahl zu ermöglichen. …

(17) Die Einführung verpflichtender Informationen über Lebensmittel sollte hauptsächlich dem Zweck dienen, die Verbraucher in die Lage zu versetzen, das gewünschte Lebensmittel zu finden und in geeigneter Weise zu verwenden, und eine Wahl zu treffen, die ihren individuellen Ernährungsbedürfnissen entspricht. Zu diesem Zweck sollten die Lebensmittelunternehmer diese Informationen auch für Sehbehinderte leichter zugänglich machen.

(35) Aus Gründen der Vergleichbarkeit von Produkten in unterschiedlichen Packungsgrößen ist es sinnvoll, weiterhin vorzuschreiben, dass sich die verpflichtende Nährwertdeklaration auf Mengen von 100 g oder 100 ml beziehen sollte, und gegebenenfalls zusätzliche Angaben auf Portionsbasis zuzulassen. Ist das Lebensmittel in Form von Einzelportionen oder Verzehreinheiten vorverpackt, sollte zusätzlich zur Angabe je 100 g oder je 100 ml eine Nährwertdeklaration je Portion oder je Verzehreinheit zulässig sein. Damit vergleichbare Angaben zu den Portionen oder den Verzehreinheiten bereitgestellt werden, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, Vorschriften über die Nährwertdeklaration je Portion oder je Verzehreinheit bei bestimmten Klassen von Lebensmitteln zu erlassen.

(37) Da das Ziel dieser Verordnung darin besteht, dem Endverbraucher eine Grundlage für eine fundierte Wahl zu schaffen, ist es wichtig, in diesem Zusammenhang dafür zu sorgen, dass die auf der Kennzeichnung angegebenen Informationen für den Endverbraucher leicht verständlich sind. …

(41) Damit die Informationen zum Nährwert den Durchschnittsverbraucher ansprechen und den Informationszweck erfüllen, für den sie eingeführt werden, sollten sie – in Anbetracht des derzeitigen Kenntnisstands über das Thema Ernährung – einfach und leicht verständlich sein. Es kann den Verbraucher verwirren, wenn ein Teil der Informationen zum Nährwert im allgemein als Packungsvorderseite bekannten Hauptsichtfeld und ein Teil auf einer anderen Packungsseite, wie z. B. der Packungsrückseite, steht. Deshalb sollten alle Bestandteile der Nährwertdeklaration im selben Sichtfeld stehen. Ferner können auf freiwilliger Basis die wichtigsten Bestandteile der Nährwertdeklaration ein weiteres Mal im Hauptsichtfeld erscheinen, damit die Verbraucher die wesentlichen Informationen zum Nährwert beim Kauf von Lebensmitteln leicht sehen können. Es könnte den Verbraucher verwirren, wenn frei gewählt werden kann, welche Informationen ein weiteres Mal erscheinen. Deshalb ist es notwendig zu präzisieren, welche Informationen ein weiteres Mal erscheinen dürfen.“

6. Art. 9 („Verzeichnis der verpflichtenden Angaben“) dieser Verordnung sieht in Abs. 1 vor:

„Nach Maßgabe der Artikel 10 bis 35 und vorbehaltlich der in diesem Kapitel vorgesehenen Ausnahmen sind folgende Angaben verpflichtend:

l) eine Nährwertdeklaration.“

7. Art. 30 („Inhalt“) dieser Verordnung bestimmt:

„(1) Die verpflichtende Nährwertdeklaration enthält folgende Angaben:

a) Brennwert und

b) die Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz.

(3) Enthält die Kennzeichnung eines vorverpackten Lebensmittels die verpflichtende Nährwertdeklaration gemäß Absatz 1, so können die folgenden Angaben darauf wiederholt werden:

a) der Brennwert oder

b) der Brennwert zusammen mit den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz.

(4) Abweichend von Artikel 36 Absatz 1 darf sich für den Fall, dass die Kennzeichnung der Erzeugnisse gemäß Artikel 16 Absatz 4 eine Nährwertdeklaration enthält, der Inhalt der Deklaration lediglich auf den Brennwert beschränken.

(5) Unbeschadet des Artikels 44 und abweichend von Artikel 36 Absatz 1 darf sich für den Fall, dass die Kennzeichnung der in Artikel 44 Absatz 1 genannten Erzeugnisse eine Nährwertdeklaration enthält, der Inhalt der Deklaration lediglich auf

a) den Brennwert oder

b) den Brennwert zusammen mit den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz beschränken.

…“

8. Art. 31 („Berechnung“) dieser Verordnung sieht in Abs. 3 vor:

„Der Brennwert und die Nährstoffmengen gemäß Artikel 30 Absätze 1 bis 5 sind diejenigen des Lebensmittels zum Zeitpunkt des Verkaufs.

Gegebenenfalls können sich diese Informationen auf das zubereitete Lebensmittel beziehen, sofern ausreichend genaue Angaben über die Zubereitungsweise gemacht werden und sich die Informationen auf das verbrauchsfertige Lebensmittel beziehen.“

9. Art. 32 („Angabe je 100 g oder je 100 ml“) der Verordnung Nr. 1169/2011 bestimmt in Abs. 2:

„Der Brennwert und die Nährstoffmengen gemäß Artikel 30 Absätze 1 bis 5 sind je 100 g oder je 100 ml anzugeben.“

10. Art. 33 („Angabe je Portion oder je Verzehreinheit“) der Verordnung sieht in den Abs. 1 und 2 vor:

„(1) In den folgenden Fällen können der Brennwert und die Mengen an Nährstoffen gemäß Artikel 30 Absätze 1 bis 5 je Portion und/oder je Verzehreinheit in für Verbraucher leicht erkennbarer Weise ausgedrückt werden, sofern die zugrunde gelegte Portion bzw. Verzehreinheit auf dem Etikett quantifiziert wird und die Anzahl der in der Packung enthaltenen Portionen bzw. Verzehreinheiten angegeben ist:

a) zusätzlich zu der Form der Angabe je 100 g oder je 100 ml gemäß Artikel 32 Absatz 2;

b) zusätzlich zu der Form der Angabe je 100 g oder je 100 ml gemäß Artikel 32 Absatz 3 betreffend den Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen;

c) zusätzlich zu oder anstelle der Form der Angabe je 100 g oder je 100 ml gemäß Artikel 32 Absatz 4.

(2) Abweichend von Artikel 32 Absatz 2 dürfen in den Fällen gemäß Artikel 30 Absatz 3 Buchstabe b die Nährstoffmengen und/oder der Prozentsatz der in Anhang XIII Teil B festgelegten Referenzmengen auch nur je Portion oder je Verzehreinheit ausgedrückt werden.

Sind die Nährstoffmengen gemäß Unterabsatz 1 lediglich je Portion oder je Verzehreinheit ausgedrückt, wird der Brennwert je 100 g oder je 100 ml und je Portion oder je Verzehreinheit ausgedrückt.“

III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

11. Dr. Oetker ist ein deutsches Lebensmittelunternehmen, das Müsli unter der Bezeichnung „Dr. Oetker Vitalis Knuspermüsli Schoko+Keks“ herstellt und...

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