European Commission v Ireland.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2024:85
Date25 January 2024
Docket NumberC-481/22
Celex Number62022CJ0481
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

25. Januar 2024(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 98/83/EG – Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch – Art. 4 Abs. 1 – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Genusstauglichkeit und Reinheit des für den menschlichen Gebrauch bestimmten Wassers sicherzustellen – Anhang I Teil B – Überschreitung der Grenzwerte für Trihalogenmethan-Konzentrationen in Trinkwasser – Art. 8 Abs. 2 – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, so bald wie möglich die notwendigen Abhilfemaßnahmen zur Wiederherstellung der Wasserqualität zu erlassen und deren Durchführung Priorität einzuräumen“

In der Rechtssache C‑481/22

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 18. Juli 2022,

Europäische Kommission, vertreten durch L. Armati und E. Sanfrutos Cano als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Irland, vertreten durch M. Browne, Chief State Solicitor, A. Joyce und M. Tierne als Bevollmächtigte im Beistand von C. Donnelly, SC, und D. Fennelly, BL,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters J.‑C. Bonichot in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, des Richters S. Rodin (Berichterstatter) und der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwalt: A. Rantos,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1 Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang I Teil B und Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 98/83/EG des Rates vom 3. November 1998 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (ABl. 1998, L 330, S. 32) verstoßen hat,

– dass es nicht die erforderlichen Maßnahmen erlassen hat, damit für den menschlichen Gebrauch bestimmtes Wasser in 21 öffentlichen Wasserversorgungsgebieten, nämlich Schull, Drimoleague, Glenties‑Ardara, Roundwood, Caragh Lake PWS 022A, Kilkenny City (Radestown) WS, Granard, Gowna, Staleen, Drumcondrath, Grangemore, Lough Talt Regional Water Supply, Ring/Helvick, Aughrim/Annacurra, Bray Direct, Greystones, Kilmacanogue, Newtown Newcastle, Enniskerry Public Supply, Wicklow Regional Public Supply und Ballymagroarty (Irland), und in neun privaten Systemen der gemeinsamen Wasserversorgung, nämlich Crossdowney, Townawilly, Cloonluane (Renvyle), Lettergesh/Mullaghgloss, Bonane, Parke, Nephin Valley GWS, Curramore (Ballinrobe) und Keash (Irland), in Bezug auf die darin vorhandenen Konzentrationen von Trihalogenmethan (im Folgenden: THM) der Mindestanforderung gemäß den Parameterwerten in Anhang I Teil B der Richtlinie 98/83 entspricht, sowie

– nicht sichergestellt hat, dass unter Berücksichtigung u. a. des Ausmaßes der Überschreitung der entsprechenden Parameterwerte und der potenziellen Gefährdung der menschlichen Gesundheit so bald wie möglich die notwendigen Abhilfemaßnahmen zur Wiederherstellung der Qualität des für den menschlichen Gebrauch bestimmten Wassers in den oben genannten öffentlichen Versorgungsgebieten und privaten Systemen der gemeinsamen Wasserversorgung getroffen werden, und dass die Durchführung dieser Maßnahmen Priorität erhält.

I. Rechtlicher Rahmen

A. Unionsrecht

2 Der 29. Erwägungsgrund der Richtlinie 98/83 lautete:

„Die Mitgliedstaaten sollten die Befugnis erhalten, unter bestimmten Umständen Abweichungen von dieser Richtlinie zuzulassen. Es ist erforderlich, einen geeigneten Rahmen für die Zulassung solcher Abweichungen zu schaffen, vorausgesetzt, diese Abweichungen stellen keine potenzielle Gefährdung der menschlichen Gesundheit dar und die Trinkwasserversorgung in dem betroffenen geografischen Bereich kann nicht auf andere zumutbare Weise sichergestellt werden.“

3 Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 98/83 sah vor:

„Die Mitgliedstaaten ergreifen unbeschadet ihrer aufgrund anderer Rechtsvorschriften der Gemeinschaft bestehenden Verpflichtungen alle erforderlichen Maßnahmen, um die Genusstauglichkeit und Reinheit des für den menschlichen Gebrauch bestimmten Wassers sicherzustellen. Im Sinne der Mindestanforderungen dieser Richtlinie ist Wasser für den menschlichen Gebrauch genusstauglich und rein, wenn es

a) Mikroorganismen, Parasiten und Stoffe jedweder Art nicht in einer Anzahl oder Konzentration enthält, die eine potenzielle Gefährdung der menschlichen Gesundheit darstellt,

und

b) den in Anhang I Teile A und B festgelegten Mindestanforderungen entspricht,

und wenn die Mitgliedstaaten gemäß den einschlägigen Bestimmungen der Artikel 5 bis 8 und des Artikels 10 im Einklang mit dem Vertrag alle anderen erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die Übereinstimmung des für den menschlichen Gebrauch bestimmten Wassers mit den Anforderungen dieser Richtlinie sicherzustellen.“

4 Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 98/83 bestimmte:

„Entspricht für den menschlichen Gebrauch bestimmtes Wasser trotz der zur Erfüllung der Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 getroffenen Maßnahmen nicht den gemäß Artikel 5 festgesetzten Parameterwerten, so stellt der betreffende Mitgliedstaat vorbehaltlich des Artikels 6 Absatz 2 sicher, dass so bald wie möglich die notwendigen Abhilfemaßnahmen zur Wiederherstellung der Wasserqualität getroffen werden und dass deren Durchführung Priorität erhält, wobei unter anderem das Ausmaß der Überschreitung der entsprechenden Parameterwerte und die potenzielle Gefährdung der menschlichen Gesundheit berücksichtigt werden.“

5 Art. 9 („Abweichungen“) der Richtlinie 98/83 lautete:

„(1) Die Mitgliedstaaten können bis zu einem von ihnen festzusetzenden Höchstwert Abweichungen von den in Anhang I Teil B genannten oder gemäß Artikel 5 Absatz 3 festgesetzten Parameterwerten zulassen, sofern die Abweichungen keine potenzielle Gefährdung der menschlichen Gesundheit darstellen und die Trinkwasserversorgung in dem betroffenen Gebiet nicht auf andere zumutbare Weise aufrechterhalten werden kann. Zulassungen von Abweichungen sollen so kurz wie möglich befristet sein und dürfen drei Jahre nicht überschreiten; gegen Ende des Zulassungszeitraums ist eine Überprüfung vorzunehmen, um festzustellen, ob ausreichende Fortschritte erzielt wurden. Beabsichtigt ein Mitgliedstaat, eine Abweichung nochmals zuzulassen, so unterrichtet er die Kommission von der Überprüfung sowie über die Gründe für seine Entscheidung betreffend die zweite Zulassung. Diese zweite Zulassung einer Abweichung darf drei Jahre nicht überschreiten.

(2) Unter außergewöhnlichen Umständen kann ein Mitgliedstaat einen Antrag auf eine dritte Zulassung einer Abweichung für einen Zeitraum von höchstens drei Jahren an die Kommission richten. Die Kommission entscheidet über diesen Antrag innerhalb von drei Monaten.

(3) Zulassungen von Abweichungen nach Absatz 1 oder 2 müssen Angaben zu folgenden Punkten enthalten:

a) Grund für die Abweichung,

b) betreffender Parameter, frühere einschlägige Überwachungsergebnisse und für die Abweichung vorgesehener höchstzulässiger Wert;

c) geografisches Gebiet, gelieferte Wassermenge pro Tag, betroffene Bevölkerung und die Angabe, ob relevante Lebensmittelbetriebe betroffen wären oder nicht;

d) geeignetes Überwachungsprogramm, erforderlichenfalls mit einer erhöhten Überwachungshäufigkeit;

e) Zusammenfassung des Plans für die notwendigen Abhilfemaßnahmen mit einem Zeitplan für die Arbeiten, einer Vorausschätzung der Kosten und Bestimmungen zur Überprüfung;

f) erforderliche Dauer der Abweichung.

(4) Sind die zuständigen Behörden der Auffassung, dass die Nichteinhaltung eines Parameterwertes unerheblich ist und das Problem mittels Abhilfemaßnahmen gemäß Artikel 8 Absatz 2 innerhalb von 30 Tagen behoben werden kann, so braucht Absatz 3 nicht angewandt zu werden.

In diesem Fall legen die zuständigen Behörden oder sonstigen maßgeblichen Stellen lediglich den höchstzulässigen Wert für den betreffenden Parameter sowie die zur Beseitigung des Problems eingeräumte Frist fest.

(5) Die Inanspruchnahme von Absatz 4 ist nicht mehr möglich, wenn ein Parameterwert für eine bestimmte Wasserversorgung während der vorangegangenen zwölf Monate über insgesamt mehr als 30 Tage nicht eingehalten worden ist.

(6) Die Mitgliedstaaten, die die in diesem Artikel genannten Abweichungen in Anspruch nehmen, stellen sicher, dass die von der Abweichung betroffene Bevölkerung unverzüglich und angemessen über die Abweichung und die damit verbundenen Bedingungen in Kenntnis gesetzt wird. Außerdem stellt der Mitgliedstaat erforderlichenfalls sicher, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen, für die die Abweichung ein besonderes Risiko darstellen könnte, beraten werden.

Diese Verpflichtungen gelten nicht für den in Absatz 4 genannten Fall, es sei denn, die zuständigen Behörden treffen eine anderweitige Entscheidung.

(7) Außer bei Abweichungen nach Absatz 4 unterrichten die Mitgliedstaaten die Kommission binnen zwei Monaten über die Abweichungen, die eine Wasserversorgung von mehr als 1 000 m3 pro Tag im Durchschnitt oder mehr als 5 000 Personen betreffen, und fügen die in Absatz 3 geforderten Angaben bei.

(8) Dieser Artikel gilt nicht für Wasser für den menschlichen Gebrauch, das in Flaschen oder anderen Behältnissen zum Verkauf angeboten wird.“

6 Art. 14 („Zeitplan für die Erfüllung der Anforderungen“) der Richtlinie 98/83 bestimmte:

„Die Mitgliedstaaten treffen unbeschadet der Anmerkungen 2, 4 und 10 in Anhang I Teil B die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Qualität des Wassers für den menschlichen Gebrauch dieser Richtlinie binnen fünf Jahren nach ihrem Inkrafttreten entspricht.

7 Art. 15 („Außergewöhnliche Umstände“) Abs. 1 und 2 der Richtlinie 98/83 sah vor:

„(1) Die Mitgliedstaaten können unter außergewöhnlichen Umständen und für geografisch definierte Gebiete bei der Kommission einen besonderen Antrag auf Verlängerung der in Artikel 14 genannten Frist stellen. Die Verlängerung darf drei Jahre nicht überschreiten...

To continue reading

Request your trial

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT