Conclusiones del Abogado General Sr. A. Rantos, presentadas el 9 de marzo de 2023.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2023:196
Date09 March 2023
Celex Number62022CC0169
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ATHANASIOS RANTOS

vom 9. März 2023(1)

Rechtssache C169/22

Fractal Insolvenţă SPRL als Insolvenzverwalterin der Groenland Poultry SRL

gegen

Agenţia de Plăţi şi Intervenţie pentru Agricultură – Centrul Judeţean Dâmboviţa

(Vorabentscheidungsersuchen der Curtea de Apel Bucureşti [Berufungsgericht Bukarest, Rumänien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Agrarpolitik – Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) – Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums – Zahlungen für Tierschutzmaßnahmen – Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 – Art. 44 Abs. 2 Buchst. a – Art. 47 Abs. 1 – Übertragung des landwirtschaftlichen Betriebs an einen neuen Begünstigten – Spätere Aufgabe der landwirtschaftlichen Tätigkeit durch diesen Begünstigten – Fall höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände – Pflicht zur vollständigen oder teilweisen Rückzahlung der erhaltenen Beihilfe – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“






I. Einleitung

1. Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 44 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a sowie von Art. 47 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1974/2006(2) mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER).

2. Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Fractal Insolvenţă SPRL als Insolvenzverwalterin der Groenland Poultry SRL (im Folgenden: Groenland Poultry) und der Agenţia de Plăţi şi Intervenţie pentru Agricultură – Centrul Judeţean Dâmboviţa (Zahlungs- und Interventionsstelle für die Landwirtschaft – Kreiszentrum Dâmboviţa, Rumänien, im Folgenden: APIA) über Entscheidungen der APIA, mit denen Groenland Poultry aufgrund der Aufgabe ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeiten verpflichtet wurde, die gesamte während des fünfjährigen Verpflichtungszeitraums für den Tierschutz gewährte Beihilfe zurückzuzahlen.

3. Auf Wunsch des Gerichtshofs werden sich die vorliegenden Schlussanträge auf die Analyse der zweiten und der dritten Vorlagefrage konzentrieren. Diese betreffen im Wesentlichen die Frage, ob und inwieweit Art. 44 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 dahin auszulegen ist, dass der Übernehmer eines landwirtschaftlichen Betriebs, der zugleich eine mehrjährige Verpflichtung im Rahmen einer aus dem ELER finanzierten Beihilfe für den Tierschutz übernommen hat, im Fall der endgültigen Aufgabe seiner Tätigkeit vor Ablauf des Verpflichtungszeitraums zur Rückzahlung sämtlicher in diesem Zeitraum gewährten Zahlungen, einschließlich derjenigen, die den früheren Begünstigten gewährt wurden, verpflichtet ist.

4. Der Gerichtshof hatte zwar bereits Gelegenheit, einige Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 auszulegen(3), wird jedoch erstmals über die Auslegung von Art. 44 der Verordnung Nr. 1974/2006 zu befinden haben(4).

II. Rechtlicher Rahmen

A. Unionsrecht

1. Verordnung Nr. 1698/2005

5. Die Verordnung Nr. 1698/2005(5) wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 aufgehoben(6).

6. Art. 36 Buchst. a Ziff. v der Verordnung Nr. 1698/2005 sah vor, dass die im Rahmen der Verbesserung der Umwelt und der Landschaft vorgesehene Beihilfe Maßnahmen betrifft, die der Förderung der nachhaltigen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen durch Zahlungen für Tierschutzmaßnahmen dienen.

7. In Art. 40 dieser Verordnung hieß es:

„(1) Zahlungen für Tierschutzmaßnahmen nach Artikel 36 Buchstabe a Ziffer v werden Landwirten gewährt, die freiwillig Tierschutzverpflichtungen eingehen.

(2) Diese Zahlungen werden nur für Verpflichtungen gewährt, die über die einschlägigen vorgeschriebenen Standards … und andere einschlägige verbindliche Vorschriften des nationalen Rechts, die in dem Programm aufgeführt sind, hinausgehen.

Diese Verpflichtungen sind in der Regel für einen Zeitraum von fünf bis sieben Jahren einzugehen. …

(3) Die Zahlungen werden jährlich gewährt und dienen zur Deckung der zusätzlichen Kosten und der Einkommensverluste infolge der eingegangenen Verpflichtungen. Gegebenenfalls können sie auch Transaktionskosten decken.

Die Beihilfehöchstbeträge sind im Anhang I festgesetzt.“

8. Art. 74 Abs. 1 dieser Verordnung lautete:

„Zum wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der [Union] erlassen die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften …“.

2. Verordnung Nr. 1974/2006

9. Die Verordnung Nr. 1974/2006 wurde durch die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 807/2014 der Kommission vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Einführung von Übergangsvorschriften aufgehoben(7). Die Verordnung Nr. 1974/2006 galt jedoch weiterhin für Vorhaben, die gemäß von der Europäischen Kommission im Rahmen der Verordnung Nr. 1698/2005 vor dem 1. Januar 2014 genehmigten Programmen durchgeführt wurden.

10. Art. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 lautete:

„Diese Verordnung enthält Durchführungsbestimmungen zur Verordnung … Nr. 1698/2005 hinsichtlich der Grundsätze und allgemeinen Regeln für die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums, spezifische und allgemeine Bestimmungen für die Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und Bestimmungen über die Zuschussfähigkeit sowie Verwaltungsbestimmungen, mit Ausnahme von Kontrollbestimmungen.“

11. Art. 44 dieser Verordnung sah vor:

„(1) Überträgt ein Begünstigter während der Laufzeit der als Voraussetzung für die Gewährung der Beihilfe eingegangenen Verpflichtung seinen Betrieb ganz oder teilweise auf einen anderen, so kann dieser die Verpflichtung für den restlichen Zeitraum übernehmen. Erfolgt eine solche Übernahme nicht, so ist der Begünstigte verpflichtet, den empfangenen Betrag zurückzuerstatten.

(2) Die Mitgliedstaaten können auf die Erstattung gemäß Absatz 1 verzichten, falls

a) ein Begünstigter, der bereits einen erheblichen Teil seiner Verpflichtung erfüllt hat, seine landwirtschaftliche Tätigkeit endgültig aufgibt und sich die Übernahme seiner Verpflichtung durch einen Nachfolger als nicht durchführbar erweist;

b) die Übertragung eines Teils des Betriebs eines Begünstigten während des Zeitraums der Verlängerung der Verpflichtung gemäß Artikel 27 Absatz 12 Unterabsatz 2 erfolgt und nicht mehr als 50 % der von der Verpflichtung vor der Verlängerung betroffenen Fläche übertragen werden;

c) der Betrieb eines Begünstigten zu Umweltschutzzwecken ganz oder teilweise an eine Organisation übertragen wird, deren Hauptziel der Naturschutz ist, vorausgesetzt, die Übertragung dient einer dauerhaften Änderung der Flächennutzung zu Naturschutzzwecken und erbringt einen signifikanten Umweltvorteil.

(3) Die Mitgliedstaaten können besondere Maßnahmen ergreifen, um bei geringfügigen Änderungen der betrieblichen Situation zu vermeiden, dass die Anwendung von Absatz 1 mit Blick auf die eingegangenen Verpflichtungen zu unangemessenen Ergebnissen führen würde.

Für die Anwendung von Unterabsatz 1 gilt eine Verringerung der Betriebsfläche um bis zu 10 % der von der Verpflichtung betroffenen Fläche als geringfügige Änderung.“

12. Art. 45 Abs. 4 dieser Verordnung bestimmte:

„Ist der Begünstigte infolge von Flurbereinigungsverfahren oder anderweitigen, öffentlichen oder von den zuständigen Behörden anerkannten Bodenordnungsverfahren an der Erfüllung seiner eingegangenen Verpflichtungen gehindert, so treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorkehrungen, um die Verpflichtungen an die neue Lage des Betriebs anzupassen. Erweist sich eine solche Anpassung als unmöglich, so endet die Verpflichtung, ohne dass für den tatsächlichen Verpflichtungszeitraum eine Rückzahlung gefordert wird.“

13. Art. 47 dieser Verordnung sah vor:

„(1) Die Mitgliedstaaten können insbesondere folgende Kategorien von Fällen höherer Gewalt und außergewöhnlichen Umständen anerkennen und in den betreffenden Fällen ganz oder teilweise auf die Rückzahlung der vom Begünstigten erhaltenen Beihilfe verzichten:

a) Tod des Begünstigten,

b) länger andauernde Berufsunfähigkeit des Begünstigten,

c) Enteignung eines wesentlichen Teils des Betriebs, soweit sie am Tag des Eingangs der Verpflichtung nicht vorherzusehen war,

d) schwere Naturkatastrophe, die die landwirtschaftliche Fläche des Betriebs erheblich in Mitleidenschaft zieht,

e) unfallbedingte Zerstörung von Stallgebäuden des Betriebs,

f) Seuchenbefall des ganzen oder eines Teils des Tierbestands des Betriebsinhabers.

(2) Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände sind vom Begünstigten oder dem Anspruchsberechtigten der zuständigen Behörde mit den von ihr anerkannten Nachweisen innerhalb von zehn Arbeitstagen nach dem Zeitpunkt, ab dem der Begünstigte oder der Anspruchsberechtigte hierzu in der Lage ist, schriftlich mitzuteilen.“

B. Rumänisches Recht

14. Art. 17 der Ordonanță de urgență a Guvernului nr. 66/2011 privind prevenirea, constatarea și sancționarea neregulilor apărute în obținerea și utilizarea fondurilor europene și/sau a fondurilor publice naționale aferente acestora(8) (Dringlichkeitsverordnung Nr. 66/2011 der Regierung zur Verhinderung, Feststellung und Sanktionierung von Unregelmäßigkeiten, die bei der Erlangung und der Verwendung von Unionsmitteln und/oder von mit diesen in Zusammenhang stehenden nationalen öffentlichen Mitteln begangen wurden) sieht vor:

„Alle Maßnahmen, die zur Feststellung einer Unregelmäßigkeit und zur Feststellung der Haushaltsforderungen aufgrund einer solchen Unregelmäßigkeit ergriffen werden, erfolgen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der Art und Schwere der festgestellten Unregelmäßigkeit sowie ihres Umfangs und ihrer finanziellen Auswirkungen.“

15. Art. 30 Abs. 1...

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