Conclusiones del Abogado General Sr. J. Richard de la Tour, presentadas el 3 de junio de 2021.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2021:449
Celex Number62020CC0090
Date03 June 2021
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

JEAN RICHARD DE LA TOUR

vom 3. Juni 2021(1)

Rechtssache C90/20

Apcoa Parking Danmark A/S

gegen

Skatteministeriet

(Ersuchen um Vorabentscheidung des Højesteret [Oberster Gerichtshof, Dänemark])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Richtlinie 2006/112/EG – Steuerbare Umsätze – Entgeltlich erbrachte Dienstleistungen – Gebühren, die bei Nichtbeachtung der Parkbedingungen auf einem Privatgelände erhoben werden – Einstufung“






I. Einleitung

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem(2).

2. Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Apcoa Parking Danmark A/S (im Folgenden: Apcoa) und dem Skatteministerium (Finanzministerium, Dänemark) über die Frage, ob Kontrollgebühren, die bei Nichtbeachtung der Bedingungen für das Parken auf einem Privatgrundstück erhoben werden, der Mehrwertsteuer unterliegen.

3. Der Gerichtshof wird ersucht, darüber zu entscheiden, ob diese Gebühren als Entschädigung wegen Verletzung der Vertragspflichten zu entrichten sind oder vielmehr eine Gegenleistung für eine individuell bestimmbare Leistung im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellen.

4. Ich werde darlegen, warum ich dem Gerichtshof vorschlagen werde, im Sinne dieser zweiten Alternative zu entscheiden.

II. Rechtlicher Rahmen

A. Mehrwertsteuerrichtlinie

5. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor, dass „Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt, [der Mehrwertsteuer unterliegen]“.

6. Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt.

Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“

7. Gemäß Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, als „Lieferung von Gegenständen“.

8. Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:

„Als ‚Dienstleistung‘ gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.“

9. Art. 25 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Eine Dienstleistung kann unter anderem in einem der folgenden Umsätze bestehen:

a) Abtretung eines nicht körperlichen Gegenstands, gleichgültig, ob in einer Urkunde verbrieft oder nicht;

b) Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen oder eine Handlung oder einen Zustand zu dulden;

c) Erbringung einer Dienstleistung auf Grund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes.“

10. Art. 135 Abs. 1 Buchst. l und Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

l) Vermietung und Verpachtung von Grundstücken.

(2) Die folgenden Umsätze sind von der Befreiung nach Absatz 1 Buchstabe l ausgeschlossen:

b) Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen

…“

B. Dänisches Recht

1. Mehrwertsteuergesetz

11. § 4 Abs. 1 des Lov om merværdiafgift (Mehrwertsteuergesetz)(3) bestimmt:

„Die Lieferung von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen im Inland gegen Entgelt unterliegen der Steuer. Als ‚Lieferung eines Gegenstands‘ gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen. Eine Dienstleistung umfasst jede andere Leistung.“

12. § 13 Abs. 1 Nr. 8 dieses Gesetzes bestimmt:

„Folgende Gegenstände und Dienstleistungen sind von der Steuer befreit:

8. die Verwaltung, die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken sowie die Lieferung von Gas, Wasser, Strom und Heizung im Zusammenhang mit einer solchen Vermietung oder Verpachtung. Die Befreiung gilt jedoch nicht für … die Vermietung von Camping-, Park- oder Werbeflächen und die Vermietung von Schließfächern.“

13. § 27 Abs. 1 dieses Gesetzes sieht vor:

„Bei der Lieferung von Gegenständen und der Erbringung von Dienstleistungen bildet das Entgelt einschließlich der Subventionen, die unmittelbar mit dem Preis der Gegenstände oder Lieferungen verbunden sind, aber ohne die Steuer, die in diesem Gesetz vorgesehen ist, die Besteuerungsgrundlage. Erfolgt die Zahlung insgesamt oder zum Teil vor der Lieferung oder vor Ausstellung der Rechnung, ist die Besteuerungsgrundlage 80 % des erhaltenen Betrags.“

2. Straßenverkehrsgesetz

14. Wie das vorlegende Gericht ausführt, sind die Sachverhalte, bei denen Kontrollgebühren für vorschriftswidriges Parken auf einem Privatgelände erhoben werden können, im Færdselslov (Straßenverkehrsgesetz) nicht näher bestimmt. Durch eine Gesetzesänderung im Jahr 2014 wurde jedoch eine Bestimmung in § 122 c des Straßenverkehrsgesetzes eingefügt, nach der eine Kontrollabgabe (Kontrollgebühr) für das Parken auf einem öffentlich zugänglichen Privatgelände nur erhoben werden kann, wenn dies vor Ort hinreichend kenntlich gemacht wurde (unter dem Vorbehalt eines allgemeinen und deutlich gekennzeichneten Parkverbots in dem Gebiet).

III. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage

15. Apcoa ist ein privates Unternehmen, das Parkplätze auf Privatgrundstücken im Einvernehmen mit deren Eigentümern betreibt. Das Unternehmen legt die Bedingungen für die Nutzung der Parkplätze fest, wie z. B. das Verbot des Parkens ohne eine bestimmte Genehmigung, die maximale Dauer des Parkens und die mögliche Zahlung einer Gebühr für das Parken. Im Fall eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen erhebt Apcoa außerdem eine spezifische Kontrollgebühr (510 Dänische Kronen [DKK] [ca. 69 Euro] für die Jahre 2008 und 2009).

16. An der Einfahrt zu den fraglichen Parkplätzen befindet sich ein Schild mit dem Hinweis: „Bei Verstößen gegen die Vorschriften kann eine Kontrollgebühr von 510 DKK erhoben werden“ oder „Bei Verstößen gegen die Vorschriften kann eine Kontrollgebühr von 510 DKK/Tag erhoben werden“. Weiter heißt es, dass „[a]uf dem Parkplatz die … Regeln des Privatrechts [gelten].

17. Apcoa ist hinsichtlich der für das vorschriftsmäßige Parken gezahlten Gebühren mehrwertsteuerpflichtig.

18. Am 25. Oktober 2011 beantragte Apcoa bei der SKAT (dänische Steuerverwaltung) die Erstattung der Mehrwertsteuer, die auf die zwischen dem 1. September 2008 und dem 31. Dezember 2009 eingenommenen Kontrollgebühren in Höhe von 25 089 292 DKK (ca. 3 370 000 Euro) entrichtet wurde.

19. Der Rechtsstreit betrifft nicht eine Mehrwertsteuerpflicht im Verhältnis zwischen Apcoa und dem Eigentümer des betreffenden Parkplatzes.

20. Am 12. Januar 2012 lehnte die SKAT den Antrag mit der Begründung ab, dass die Kontrollgebühren gemäß § 4 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 dieses Gesetzes als der Mehrwertsteuer unterliegend anzusehen seien.

21. Am 23. Dezember 2014 wurde diese Entscheidung vom Landskatteret (Nationale Steuerkommission, Dänemark) bestätigt.

22. Das Landskatteret (Nationale Steuerkommission) zählte 13 Fälle auf, in denen Apcoa eine Kontrollgebühr erheben kann:

„1. Zahlung einer zu niedrigen Gebühr.

2. Im Geltungszeitraum nicht auf der Windschutzscheibe sichtbarer Parkschein.

3. Der Parkschein kann nicht kontrolliert werden, z. B. wenn der Parkschein nicht an der richtigen Stelle angebracht ist.

Die Fälle 1 bis 3 gelten bei kostenpflichtigem Parken.

4. Fehlen eines gültigen Parkscheins, z. B. im Rahmen von Anwohnerparken, das nur mit einer Genehmigung für die Benutzung bestimmter Parkplätze erlaubt ist.

5. Parken auf einem für Menschen mit Behinderungen reservierten Parkplatz. Diese Gebühr fällt nur an, wenn ein Schild für einen Stellplatz für Menschen mit Behinderungen vorhanden ist, unabhängig davon, ob für den Parkplatz eine Gebühr zu bezahlen ist oder nicht. Um auf diesen Plätzen parken zu können, muss der Fahrer eine Berechtigungskarte an der Windschutzscheibe angebracht haben.

6. Parken außerhalb von ausgewiesenen Parkplätzen. Diese Gebühr gilt bei allen Arten von Parkplätzen, bei denen ein Schild auf das Parken innerhalb der Plätze hinweist.

7. Verbotenes Parken. Diese Gebühr gilt z. B. beim Parken in einer Feuerwehrzufahrt.

8. Reservierter Parkbereich. Diese Gebühr gilt für alle Arten von Parkplätzen, bei denen auf spezifischen Parkplätzen geparkt werden muss.

9. Keine sichtbare Parkscheibe.

10. Falsch eingestellte Parkscheibe/angegebene Parkzeit überschritten.

11. Unleserliche Parkscheibe. Diese Gebühr fällt z. B. an, wenn sich die Zeiger von der Parkscheibe gelöst haben oder wenn ein Fehler in einer elektronischen Scheibe vorliegt.

12. Mehrere Parkscheiben. Diese Gebühr fällt an, wenn der Autofahrer mehrere Parkscheiben an der Windschutzscheibe angebracht hat, um die Parkzeit zu verlängern.

Die Gebührengründe 9 bis 12 kommen zur Anwendung, wenn das Parken für eine begrenzte Zeit kostenlos ist, aber eine Parkscheibe als Nachweis für den Zeitpunkt des Abstellens des Fahrzeugs erforderlich ist.

13. Sonstige. Diese Gebühr gilt bei Verstößen gegen Parkvorschriften, die nicht in einem der oben genannten 12 Punkte beschrieben sind. Punkt 13 gilt z. B., wenn das Parken den Verkehr deutlich behindert. Wenn dieser Gebührengrund zur Rechtfertigung der Erhebung von Kontrollgebühren verwendet wird, wird eine Beschreibung des Verstoßes hinzugefügt.“

23. Die Klage von Apcoa gegen diese Entscheidung wurde vom Ret i Kolding (Gericht Kolding, Dänemark) mit Urteil vom 23. Januar 2017 abgewiesen, das vom Vestre Landsret (Berufungsgericht für die Region West, Dänemark) mit Urteil vom 10. September 2018 bestätigt wurde.

24. Apcoa legte ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil beim Højesteret (Oberster Gerichtshof...

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