Fédération des entreprises de la beauté v Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé (ANSM).

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2022:681
Date15 September 2022
Docket NumberC-4/21
Celex Number62021CJ0004
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

15. September 2022(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Kosmetische Mittel – Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 – Art. 27 – Schutzklausel – Art. 27 Abs. 1 – Geltungsbereich – Vorläufige nationale Schutzmaßnahmen – Allgemeine Maßnahme – Anwendung auf eine Kategorie von kosmetischen Mitteln, die den gleichen Stoff enthalten – Einzelmaßnahme – Anwendung auf ein konkret bezeichnetes kosmetisches Mittel – Vorläufige nationale Maßnahme, die eine bestimmte Kennzeichnung einer Kategorie von auf der Haut verbleibenden Mitteln, die Phenoxyethanol enthalten, vorschreibt“

In der Rechtssache C‑4/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) mit Entscheidung vom 23. Dezember 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Januar 2021, in dem Verfahren

Fédération des entreprises de la beauté

gegen

Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé (ANSM)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter J. Passer, F. Biltgen und N. Wahl (Berichterstatter) sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez‑Bordona,

Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der Fédération des entreprises de la beauté, vertreten durch A. Bost, Avocate, und M. Ragot, Avocat,

– der französischen Regierung, vertreten durch G. Bain und T. Stéhelin als Bevollmächtigte,

– der griechischen Regierung, vertreten durch V. Karra, I. Kotsoni und O. Patsopoulou als Bevollmächtigte,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Sanfrutos Cano und F. Thiran als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. März 2022

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. 2009, L 342, S. 59).

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Fédération des entreprises de la beauté (im Folgenden: FEBEA) und der Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé (Nationale Agentur für die Sicherheit von Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten, ANSM) über den Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung der ANSM, mit der eine bestimmte Kennzeichnung einer Kategorie von auf der Haut verbleibenden Mitteln vorgeschrieben wurde, die Phenoxyethanol enthalten.

Rechtlicher Rahmen

3 Die Erwägungsgründe 3, 4, 16, 17 und 58 der Verordnung Nr. 1223/2009 lauten:

„(3) Das Ziel dieser Verordnung ist es, die Verfahren zu vereinfachen und die Begrifflichkeit zu vereinheitlichen, um so den Verwaltungsaufwand und Unklarheiten zu verringern. Darüber hinaus sieht die Verordnung den Ausbau bestimmter Elemente des Regelwerks für kosmetische Mittel vor, etwa der Marktüberwachung, um ein hohes Maß an Schutz der menschlichen Gesundheit zu gewährleisten.

(4) Mit dieser Verordnung werden die Rechtsvorschriften über kosmetische Mittel in der [Europäischen] Gemeinschaft umfassend harmonisiert, um zu einem Binnenmarkt für kosmetische Mittel zu gelangen und zugleich ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten.

(16) Damit die Sicherheit von in Verkehr gebrachten kosmetischen Mittel[n] gewährleistet ist, müssen sie nach guter Herstellungspraxis hergestellt werden.

(17) Im Interesse einer effektiven Marktüberwachung sollte eine Produktinformationsdatei für die zuständigen Behörden des Mitgliedstaates, in dem sich die Datei befindet, an einer einzigen Stelle innerhalb der Gemeinschaft bereitgehalten werden.

(58) Für Fälle von kosmetischen Mitteln, die sich als für die menschliche Gesundheit schädlich erweisen, obgleich sie den Vorschriften dieser Verordnung entsprechen, sollte ein Schutzklauselverfahren eingeführt werden.“

4 Art. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Mit dieser Verordnung werden Regeln aufgestellt, die jedes auf dem Markt bereitgestellte kosmetische Mittel erfüllen muss, um das Funktionieren des Binnenmarktes und ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten.“

5 Art. 2 Abs. 1 Buchst. a bis c dieser Verordnung enthält folgende Definitionen:

„a) ‚kosmetisches Mittel‘: Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und äußere intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen;

b) ‚Stoff‘: ein chemisches Element und seine Verbindungen in natürlicher Form oder gewonnen durch ein Herstellungsverfahren, einschließlich der zur Wahrung seiner Stabilität notwendigen Zusatzstoffe und der durch das angewandte Verfahren bedingten Verunreinigungen, aber mit Ausnahme von Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne Beeinträchtigung seiner Stabilität und ohne Änderung seiner Zusammensetzung abgetrennt werden können;

c) ‚Gemisch‘: Gemische oder Lösungen, die aus zwei oder mehr Stoffen bestehen“.

6 Art. 4 („Verantwortliche Person“) dieser Verordnung lautet:

„(1) Nur kosmetische Mittel, für die eine juristische oder natürliche Person innerhalb des Gemeinschaftsgebiets als ‚verantwortliche Person‘ benannt wurde, dürfen in Verkehr gebracht werden.

(2) Für jedes in Verkehr gebrachte kosmetische Mittel gewährleistet die verantwortliche Person die Einhaltung der in dieser Verordnung aufgeführten einschlägigen Verpflichtungen.

…“

7 Art. 5 („Verpflichtungen von verantwortlichen Personen“) der Verordnung Nr. 1223/2009 sieht vor:

„(1) Verantwortliche Personen sorgen dafür, dass die Artikel 3, 8, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, Artikel 19 Absätze 1, 2 und 5 sowie die Artikel 20, 21, 23 und 24 eingehalten werden.

(2) Verantwortliche Personen, die der Auffassung sind oder Grund zu der Annahme haben, dass ein von ihnen in Verkehr gebrachtes kosmetisches Mittel nicht dieser Verordnung entspricht, ergreifen unverzüglich die erforderlichen Korrekturmaßnahmen, um die Konformität dieses Produkts herzustellen oder es gegebenenfalls vom Markt zu nehmen oder zurückzurufen.

Wenn das kosmetische Mittel ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellt, informieren die verantwortlichen Personen außerdem unverzüglich die zuständigen nationalen Behörden der Mitgliedstaaten, in denen sie das Mittel auf dem Markt bereitgestellt haben, und des Mitgliedstaats, in [dem] die Produktinformationsdatei leicht zugänglich ist; dabei machen sie ausführliche Angaben, insbesondere über die Nichtkonformität und die ergriffenen Korrekturmaßnahmen.

(3) Die verantwortlichen Personen kooperieren mit diesen Behörden auf deren Verlangen bei allen Maßnahmen zur Beseitigung von Risiken, die von kosmetischen Mitteln ausgehen, die sie auf dem Markt bereitgestellt haben. Insbesondere händigen die verantwortlichen Personen der zuständigen nationalen Behörde auf deren begründetes Verlangen alle Informationen und Unterlagen, die für den Nachweis der Konformität spezifischer Aspekte des Produkts erforderlich sind, in einer Sprache aus, die für diese Behörde leicht verständlich ist.“

8 Art. 6 dieser Verordnung enthält Vorschriften über die Verpflichtungen der Händler.

9 Art. 8 dieser Verordnung umfasst Vorschriften für eine gute Herstellungspraxis.

10 In Art. 9 („Freier Warenverkehr“) dieser Verordnung heißt es:

„Die Mitgliedstaaten dürfen das Bereitstellen von kosmetischen Mitteln auf dem Markt nicht auf Grund der in dieser Verordnung enthaltenen Anforderungen ablehnen, verbieten oder beschränken, wenn die kosmetischen Mittel den Bestimmungen dieser Verordnung entsprechen.“

11 Art. 11 („Produktinformationsdatei“) dieser Verordnung bestimmt in den Abs. 1 bis 3:

„(1) Wenn ein kosmetisches Mittel in Verkehr gebracht wird, führt die verantwortliche Person darüber eine Produktinformationsdatei. Die Produktinformationsdatei wird während eines Zeitraums von zehn Jahren nach dem Zeitpunkt aufbewahrt, zu dem die letzte Charge des kosmetischen Mittels in Verkehr gebracht wurde.

(2) Die Produktinformationsdatei enthält folgende Angaben und Daten, die gegebenenfalls aktualisiert werden:

a) eine Beschreibung des kosmetischen Mittels, die es ermöglicht, die Produktionsinformationsdatei eindeutig dem kosmetischen Mittel zuzuordnen;

b) den in Artikel 10 Absatz 1 genannten Sicherheitsbericht für das kosmetische Mittel;

c) eine Beschreibung der Herstellungsmethode und eine Erklärung zur Einhaltung der in Artikel 8 genannten guten Herstellungspraxis;

d) wenn dies aufgrund der Beschaffenheit des kosmetischen Mittels oder seiner Wirkung gerechtfertigt ist, den Nachweis der für das kosmetische Mittel angepriesenen Wirkung;

e) Daten über jegliche vom Hersteller, Vertreiber oder Zulieferer im Zusammenhang mit der Entwicklung oder der Sicherheitsbewertung des kosmetischen Mittels oder seiner Bestandteile durchgeführten Tierversuche, einschließlich aller Tierversuche zur Erfüllung der Rechtsvorschriften von Drittländern.

(3) Die verantwortliche Person macht die Produktinformationsdatei an ihrer Anschrift, die auf dem Etikett angegeben wird, in elektronischem oder anderem Format für die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem die Datei geführt wird, leicht zugänglich.

Die Angaben in der Produktinformationsdatei müssen in einer für die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats leicht verständlichen Sprache verfügbar sein.“

12 Art. 13 („Notifizierung“) der Verordnung Nr. 1223/2009 legt in den Abs. 1 bis 5 und 7 fest:

„(1) Vor dem Inverkehrbringen des kosmetischen Mittels notifiziert die verantwortliche Person der [Europäischen] Kommission auf elektronischem Wege folgende Angaben:

a) die Kategorie des kosmetischen Mittels und...

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