Gabriele Schmid v European Union Intellectual Property Office.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:T:2021:851
Docket NumberT-700/20
Date01 December 2021
Celex Number62020TJ0700
CourtGeneral Court (European Union)
62020TJ0700

URTEIL DES GERICHTS (Zehnte Kammer)

1. Dezember 2021 ( *1 )

„Unionsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Unionsbildmarke Steirisches Kürbiskernöl g. g. A GESCHÜTZTE GEOGRAFISCHE ANGABE – Absolutes Eintragungshindernis – Marke, die Abzeichen, Embleme oder Wappen enthält – Emblem eines Tätigkeitsbereichs der Union – Geschützte geografische Angaben – Art. 7 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung [EU] 2017/1001)“

In der Rechtssache T‑700/20,

Gabriele Schmid, wohnhaft in Halbenrain (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Ginzburg,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch D. Hanf und M. Eberl als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark mit Sitz in Graz (Österreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin I. Hödl,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 23. September 2020 (Sache R 2186/2019‑4) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen der Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark und Frau Schmid

erlässt

DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kornezov, der Richterin K. Kowalik‑Bańczyk und des Richters D. Petrlík (Berichterstatter),

Kanzler: R. Ūkelytė, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 24. November 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 25. Januar 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 1. Februar 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

auf die mündliche Verhandlung vom 8. September 2021

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Am 8. Juli 2011 meldete die Klägerin, Frau Gabriele Schmid, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2

Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Bildzeichen:

Image

3

Die Marke wurde für „Kürbiskernöl, entsprechend der geschützten geografischen Angabe Steirisches Kürbiskernöl“ in Klasse 29 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4

Die Markenanmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 2011/207 vom 2. November 2011 veröffentlicht. Diese Marke wurde am 9. Februar 2012 unter der Nr. 010108454 eingetragen.

5

Am 1. März 2018 stellte die Streithelferin, die Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark (Österreich), einen Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit dieser Marke. Bei den von der Streithelferin geltend gemachten Gründen für den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit handelt es sich um Art. 59 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 in Verbindung mit deren Art. 7 Abs. 1 Buchst. h bis j.

6

Was den Nichtigkeitsgrund in Art. 7 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung 2017/1001 in Verbindung mit deren Art. 59 Abs. 1 betrifft, machte die Streithelferin das folgende Zeichen der Europäischen Union für „geschützte geografische Angaben“ in der deutschsprachigen Fassung (im Folgenden: Zeichen g.g.A.) im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 2013, L 343, S. 1) geltend:

Image

7

Mit Entscheidung vom 26. Juli 2019 erklärte die Nichtigkeitsabteilung die angegriffene Marke für nichtig.

8

Am 26. September 2019 legte die Klägerin beim EUIPO gemäß den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein.

9

Mit Entscheidung vom 23. September 2020 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück und stellte fest, dass die angegriffene Marke unter Verstoß gegen die Bestimmungen von Art. 7 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung 2017/1001 eingetragen worden und gemäß Art. 59 Abs. 1 dieser Verordnung für nichtig zu erklären sei.

Anträge der Parteien

10

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

11

Das EUIPO beantragt,

die Klage abzuweisen;

die Klägerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

12

Die Streithelferin beantragt,

die Klage abzuweisen;

für den Fall, dass dem Antrag der Klägerin stattgegeben wird, die Sache an das EUIPO zurückzuverweisen;

der Klägerin den Ersatz der Kosten der Streithelferin in den Verfahren vor dem EUIPO und dem Gericht aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

13

Unter Berücksichtigung des Zeitpunkts der in Rede stehenden Anmeldung, nämlich des 8. Juli 2011, der für die Feststellung des anwendbaren materiellen Rechts maßgebend ist, sind auf den vorliegenden Sachverhalt die materiell‑rechtlichen Vorschriften der Verordnung Nr. 207/2009 anwendbar (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 5. Oktober 2004, Alcon/HABM, C‑192/03 P, EU:C:2004:587, Rn. 39 und 40, sowie Urteil vom 23. April 2020, Gugler France/Gugler und EUIPO, C‑736/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:308, Rn. 3 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

14

Folglich sind hinsichtlich der materiell-rechtlichen Vorschriften die Bezugnahmen der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung sowie der Parteien auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. i und auf Art. 59 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 so zu verstehen, dass sie sich auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. i und Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 beziehen, da beide Bestimmungen mit denen der Verordnung 2017/1001, auf die Bezug genommen wurde, inhaltlich identisch sind.

15

Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist Art. 7 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 207/2009 auf Embleme anzuwenden, die an einen einzigen Tätigkeitsbereich der Union denken ließen, und zwar selbst dann, wenn das Emblem, das sich auf eine solche Tätigkeit beziehe, nur bestimmte Mitgliedstaaten betreffe (Rn. 20 bis 23 der angefochtenen Entscheidung). Zum einen habe die Union durch den Erlass der Verordnung Nr. 1151/2012 ihre ausschließliche Zuständigkeit zum Schutz geschützter geografischer Angaben ausgeübt, weshalb das Zeichen g.g.A. von besonderem öffentlichen Interesse im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 207/2009 sei (Rn. 24 bis 26 der angefochtenen Entscheidung). Zum anderen nehme das Zeichen der angegriffenen Marke dieses Zeichen vollständig auf, und weder die Berechtigung noch die Verpflichtung zur Benutzung dieses Zeichens umfassten das Recht, es als Markenbestandteil schützen zu lassen. Die Beschwerdekammer hat daraus geschlossen, dass die angegriffene Marke unter Verstoß gegen diese Bestimmung eingetragen worden sei und diese Marke daher für nichtig zu erklären sei (Rn. 27 der angefochtenen Entscheidung).

16

Die Klägerin stützt ihre Klage auf einen einzigen Klagegrund, mit dem sie einen Verstoß der Beschwerdekammer gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 7 Abs. 1 Buchst. i rügt.

17

Sie macht geltend, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 207/2009 der Eintragung einer Marke nur dann entgegenstehe, wenn sie ein Symbol einer internationalen zwischenstaatlichen Organisation enthalte, das geeignet sei, das Publikum hinsichtlich des Vorliegens einer Verbindung zwischen ihrem Inhaber oder ihrem Benutzer einerseits und der Stelle, auf die dieses Symbol verweise, andererseits irrezuführen. Diese Voraussetzung sei aber im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Jedenfalls sei die angefochtene Entscheidung insoweit nicht begründet.

18

Nach Ansicht des EUIPO ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen. Erstens sei das Zeichen g.g.A. bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke durch die einschlägige Unionsregelung definiert gewesen. Zweitens bestreite die Klägerin nicht, dass das Zeichen g.g.A. als ein Emblem von besonderem öffentlichen Interesse einzustufen sei. Drittens stünde die Gewährung eines markenrechtlichen Schutzes für ein Unionszeichen wie das Zeichen g.g.A. im Widerspruch zu dem von der Union errichteten Schutzsystem für geografische Herkunftsangaben und könnte dessen Funktionsfähigkeit untergraben.

19

Die Streithelferin ist ihrerseits der Ansicht, dass das Zeichen g.g.A. von besonderem öffentlichen Interesse sei und nicht in eine Unionsmarke aufgenommen werden könne, da die zuständige Stelle, nämlich die Europäische Kommission, einer solchen Aufnahme nicht zugestimmt habe. Sie macht außerdem geltend, dass dieses Symbol die angegriffene Marke dominiere, dass die Verbraucher dieses Zeichen nicht als ein von der Union erteiltes, einem Gütesiegel ähnlichen Kennzeichen wahrnähmen und dass die Verkehrskreise eine Verbindung zwischen dieser Marke und der Union sehen würden, da diese Marke vom EUIPO erteilt worden sei.

20

Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 207/2009 die Eintragung von Marken untersagt, die nicht unter Art. 7 Abs. 1 Buchst. h dieser Verordnung (jetzt Art. 7...

To continue reading

Request your trial

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT