Luxury Trust Automobil GmbH v Finanzamt Österreich.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2022:966
Date08 December 2022
Docket NumberC-247/21
Celex Number62021CJ0247
CourtCourt of Justice (European Union)
62021CJ0247

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

8. Dezember 2022 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 42 Buchst. a – Art. 197 Abs. 1 Buchst. c – Art. 226 Nr. 11a – Art. 141 – Steuerbefreiung – Dreiecksgeschäft – Bestimmung des Endempfängers einer Lieferung als Schuldner der Mehrwertsteuer – Rechnungen – Angabe ‚Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers‘ – Unverzichtbarkeit – Weglassen dieser Angabe auf einer Rechnung – Rückwirkende Berichtigung der Rechnung“

In der Rechtssache C‑247/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 8. April 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 20. April 2021, in dem Verfahren

Luxury Trust Automobil GmbH

gegen

Finanzamt Österreich

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin der Dritten Kammer K. Jürimäe (Berichterstatterin) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Achten Kammer sowie der Richter N. Piçarra und N. Jääskinen,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Luxury Trust Automobil GmbH, vertreten durch M. Huber, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, und S. Lacha, Steuerberater,

der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Augustin, A. Posch und J. Schmoll als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Pethke und V. Uher als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 14. Juli 2022

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 42 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 (ABl. 2010, L 189, S. 1, berichtigt in ABl. 2010, L 299, S. 46) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) in Verbindung mit Art. 197 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie und von Art. 219a der Richtlinie.

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Luxury Trust Automobil GmbH und dem Finanzamt Österreich (im Folgenden: Finanzamt) über die von dieser Gesellschaft für das Steuerjahr 2014 geforderte Mehrwertsteuer.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Mehrwertsteuerrichtlinie

3

In Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

b)

der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt

i)

durch einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, oder durch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, wenn der Verkäufer ein Steuerpflichtiger ist, der als solcher handelt, für den die Mehrwertsteuerbefreiung für Kleinunternehmen gemäß den Artikeln 282 bis 292 nicht gilt und der nicht unter Artikel 33 oder 36 fällt“.

4

Titel V der Richtlinie trägt die Überschrift „Ort des steuerbaren Umsatzes“. In Kapitel 2 dieses Titels legen die Art. 40 bis 42 der Richtlinie den Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen fest.

5

Art. 40 der Richtlinie lautet: „Als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen gilt der Ort, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befinden.“

6

In Art. 41 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:

„Unbeschadet des Artikels 40 gilt der Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i als im Gebiet des Mitgliedstaats gelegen, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Mehrwertsteuer‑Identifikationsnummer erteilt hat, sofern der Erwerber nicht nachweist, dass dieser Erwerb im Einklang mit Artikel 40 besteuert worden ist.

Wird der Erwerb gemäß Artikel 40 im Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung der Gegenstände besteuert, nachdem er gemäß Absatz 1 besteuert wurde, wird die Steuerbemessungsgrundlage in dem Mitgliedstaat, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Mehrwertsteuer‑Identifikationsnummer erteilt hat, entsprechend gemindert.“

7

Art. 42 der Richtlinie lautet:

„Artikel 41 Absatz 1 ist nicht anzuwenden und der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen gilt als gemäß Artikel 40 besteuert, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

a)

[D]er Erwerber weist nach, dass er diesen Erwerb für die Zwecke einer anschließenden Lieferung getätigt hat, die im Gebiet des gemäß Artikel 40 bestimmten Mitgliedstaats bewirkt wurde und für die der Empfänger der Lieferung gemäß Artikel 197 als Steuerschuldner bestimmt worden ist;

b)

der Erwerber ist der Pflicht zur Abgabe der zusammenfassenden Meldung gemäß Artikel 265 nachgekommen.“

8

Titel IX der Richtlinie trägt die Überschrift „Steuerbefreiungen“. Kapitel 4 dieses Titels behandelt Steuerbefreiungen bei innergemeinschaftlichen Umsätzen. Abschnitt 2 dieses Kapitels betrifft Steuerbefreiungen beim innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen. In diesem Abschnitt bestimmt Art. 141 der Richtlinie:

„Jeder Mitgliedstaat trifft besondere Maßnahmen, damit ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen, der nach Artikel 40 als in seinem Gebiet bewirkt gilt, nicht mit der Mehrwertsteuer belastet wird, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a)

[D]er Erwerb von Gegenständen wird von einem Steuerpflichtigen bewirkt, der nicht in diesem Mitgliedstaat niedergelassen ist, aber in einem anderen Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist;

b)

der Erwerb von Gegenständen erfolgt für die Zwecke einer anschließenden Lieferung dieser Gegenstände durch den unter Buchstabe a genannten Steuerpflichtigen in diesem Mitgliedstaat;

c)

die auf diese Weise von dem Steuerpflichtigen im Sinne von Buchstabe a erworbenen Gegenstände werden von einem anderen Mitgliedstaat aus als dem, in dem der Steuerpflichtige für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, unmittelbar an die Person versandt oder befördert, an die er die anschließende Lieferung bewirkt;

d)

Empfänger der anschließenden Lieferung ist ein anderer Steuerpflichtiger oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, der bzw. die in dem betreffenden Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist;

e)

der Empfänger der Lieferung im Sinne des Buchstaben d ist gemäß Artikel 197 als Schuldner der Steuer für die Lieferung bestimmt worden, die von dem Steuerpflichtigen bewirkt wird, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Steuer geschuldet wird.“

9

In Titel XI („Pflichten der Steuerpflichtigen und bestimmter nichtsteuerpflichtiger Personen“) der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht Art. 197 Abs. 1 vor:

„Die Mehrwertsteuer schuldet der Empfänger einer Lieferung von Gegenständen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a)

[D]er steuerpflichtige Umsatz ist eine Lieferung von Gegenständen im Sinne von Artikel 141;

b)

der Empfänger dieser Lieferung von Gegenständen ist ein anderer Steuerpflichtiger oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, der bzw. die in dem Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, in dem die Lieferung bewirkt wird;

c)

die von dem nicht im Mitgliedstaat des Empfängers der Lieferung ansässigen Steuerpflichtigen ausgestellte Rechnung entspricht Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 5.“

10

Art. 219a der Richtlinie bestimmt:

„Unbeschadet der Artikel 244 bis 248 gilt Folgendes:

1.

Die Rechnungsstellung unterliegt den Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem die Lieferung von Gegenständen oder die Dienstleistung nach Maßgabe des Titels V als ausgeführt gilt.

2.

Abweichend von Nummer 1 unterliegt die Rechnungsstellung den Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Lieferer oder Dienstleistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von dem bzw. der aus die Lieferung oder die Dienstleistung ausgeführt wird, oder – in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung – des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, wenn

a)

der Lieferer oder Dienstleistungserbringer nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Lieferung oder die Dienstleistung im Einklang mit Titel V als ausgeführt gilt, oder seine Niederlassung in dem betreffenden Mitgliedstaat im Sinne des Artikels 192a nicht an der Lieferung oder Dienstleistung beteiligt ist, und wenn die Mehrwertsteuer vom Erwerber oder vom Dienstleistungsempfänger geschuldet wird.

Wenn jedoch der Erwerber oder Dienstleistungsempfänger die Rechnung ausstellt (Gutschriften), gilt Nummer 1[;]

b)

die Lieferung oder die Dienstleistung im Einklang mit Titel V als nicht innerhalb der Gemeinschaft ausgeführt gilt.“

11

Der Inhalt der Rechnungen wird in Titel XI Kapitel 3 Abschnitt 4 der Richtlinie näher erläutert. Zu den Vorschriften dieses Abschnitts gehört Art. 226 der Richtlinie, der vorsieht:

„Unbeschadet der in dieser Richtlinie festgelegten Sonderbestimmungen müssen gemäß den Artikeln 220 und 221 ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke nur die folgenden Angaben enthalten:

11a.

bei Steuerschuldnerschaft des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers: die Angabe ‚Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers‘.

…“

Richtlinie 2010/45

...

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