Opinion of Advocate General Saugmandsgaard Øe delivered on 10 December 2020.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2020:1016
Date10 December 2020
Celex Number62019CC0617
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE

vom 10. Dezember 2020(1)

Rechtssache C617/19

Granarolo SpA

gegen

Ministero dell’Ambiente e della Tutela del Territorio e del Mare,

Ministero dello Sviluppo Economico,

Comitato nazionale per la gestione della Direttiva 2003/87/CE e per il supporto nella gestione delle attività di progetto del protocollo di Kyoto,

Beteiligte:

E.On Business Solutions Srl, vormals E.On Connecting Energies Italia Srl

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale amministrativo regionale per il Lazio [Verwaltungsgericht für die Region Latium, Italien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 2003/87/EG – System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten – Art. 3 Buchst. e – Begriff ‚Anlage‘ – Begriff ‚Tätigkeiten, die in einem technischen Zusammenhang stehen‘ – Art. 3 Buchst. f – Begriff ‚Betreiber‘ – Veräußerung einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage – Energieliefervertrag zwischen der Veräußerin und der Erwerberin – Ablehnung des Antrags auf Aktualisierung der Genehmigung zur Emission von Treibhausgasen der Veräußerin“






I. Einleitung

1. Die Granarolo SpA (im Folgenden: Granarolo) ist eine im Frischmilch-Nahrungsmittelsektor sowie in der Herstellung und im Vertrieb von Milchprodukten tätige Gesellschaft. Sie besitzt eine einheitliche Genehmigung zur Emission von Treibhausgasen für ihren Standort in Pasturago di Vernate (Italien), wo sich eine Produktionsstätte und eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage befinden(2). Granarolo ist jedoch nicht mehr Eigentümerin der Kraft-Wärme-Kopplungsanlage, die sie an E.On Business Solutions (vormals E.On Connecting Energies Italia Srl, im Folgenden: EBS), ein auf Energieerzeugung spezialisiertes Unternehmen, veräußert hat. Granarolo bemüht sich daher um eine Aktualisierung ihrer Genehmigung zur Emission von Treibhausgasen, damit ihr die Emissionen aus der Kraft-Wärme-Kopplungsanlage nicht mehr zugerechnet werden. Dieser Antrag wurde bisher von der zuständigen Behörde abgelehnt(3).

2. In diesem Zusammenhang erhob Granarolo Klage beim Tribunale ammistrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium, Italien)(4). Dieses Gericht hat dem Gerichtshof ein Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Art. 3 Buchst. e der Richtlinie 2003/87/EG(5) betreffend die Definition des Begriffs „Anlage“ vorgelegt.

3. Der Gerichtshof wird im Wesentlichen gefragt, ob in dem Fall, dass auf ein und demselben Betriebsgrundstück technische Einheiten Gegenstand einer einheitlichen Genehmigung zur Emission von Treibhausgasen waren und in dieser Genehmigung als ein und dieselbe „Anlage“ behandelt wurden, die Veräußerung einer von ihnen durch das Unternehmen, das Inhaber der Genehmigung ist, an eine natürliche oder juristische Person zur Folge hat, dass diese Einheit nicht mehr Teil einer solchen Anlage ist.

4. Im Folgenden werde ich dem Gerichtshof vorschlagen, diese Frage zu bejahen, dabei aber zwei Ausnahmefälle nennen, nämlich erstens den Fall, dass die in der veräußerten Einheit durchgeführte Tätigkeit ungeachtet des Eigentümerwechsels mit den Tätigkeiten der Veräußerin „in einem technischen Zusammenhang steht“ und mit ihnen „unmittelbar verbunden ist“(6), und zweitens den Fall, dass die Veräußerin weiter der „Betreiber“(7) ist, der die Emissionen dieser Einheit kontrollieren kann. Das Ausgangsverfahren fällt meines Erachtens unter keine dieser beiden Ausnahmen.

II. Rechtlicher Rahmen

A. Unionsrecht

5. In Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2003/87 heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

e) ‚Anlage‘ eine ortsfeste technische Einheit, in der eine oder mehrere der in Anhang I genannten Tätigkeiten sowie andere unmittelbar damit verbundene Tätigkeiten durchgeführt werden, die mit den an diesem Standort durchgeführten Tätigkeiten in einem technischen Zusammenhang stehen und die Auswirkungen auf die Emissionen und die Umweltverschmutzung haben können;

f) ‚Betreiber‘ eine Person, die eine Anlage betreibt oder [kontrolliert] oder der – sofern in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen – die ausschlaggebende wirtschaftliche Verfügungsmacht über den technischen Betrieb einer Anlage übertragen worden ist;

…“

6. Art. 4 („Genehmigungen zur Emission von Treibhausgasen“) dieser Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ab dem 1. Januar 2005 keine Anlage die in Anhang I genannten Tätigkeiten, bei denen die für diese Tätigkeit spezifizierten Emissionen entstehen, durchführt, es sei denn, der Betreiber verfügt über eine Genehmigung, die von einer zuständigen Behörde gemäß den Artikeln 5 und 6 erteilt wurde, oder die Anlage wurde gemäß Artikel 27 vom EU-EHS ausgeschlossen. …“

7. Art. 6 („Voraussetzungen für die Erteilung und Inhalt der Genehmigung zur Emission von Treibhausgasen“) der Richtlinie lautet wie folgt:

„(1) Die zuständige Behörde erteilt eine Genehmigung zur Emission von Treibhausgasen, durch die die Emission von Treibhausgasen aus der gesamten Anlage oder aus Teilen davon genehmigt wird, wenn sie davon überzeugt ist, dass der Betreiber in der Lage ist, die Emissionen zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten.

Eine Genehmigung zur Emission von Treibhausgasen kann sich auf eine oder mehrere vom selben Betreiber am selben Standort betriebene Anlagen beziehen.

…“

8. Art. 7 („Änderungen an Anlagen“) der Richtlinie bestimmt:

„Der Betreiber unterrichtet die zuständige Behörde von allen geplanten Änderungen der Art oder Funktionsweise der Anlage sowie von einer Erweiterung oder wesentlichen Verringerung der Kapazität der Anlage, die eine Aktualisierung der Genehmigung zur Emission von Treibhausgasen erfordern könnten. Gegebenenfalls aktualisiert die zuständige Behörde die Genehmigung. Ändert sich die Identität des Betreibers, so aktualisiert die zuständige Behörde die Genehmigung in Bezug auf Namen und Anschrift des neuen Betreibers.“

9. Anhang I („Kategorien von Tätigkeiten, die in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen“) der Richtlinie 2003/87 enthält eine Aufstellung dieser Tätigkeiten. Hierunter fällt die „Verbrennung von Brennstoffen in Anlagen mit einer Gesamtfeuerungswärmeleistung von über 20 MW (ausgenommen Anlagen für die Verbrennung von gefährlichen oder Siedlungsabfällen)“. In Nr. 3 dieses Anhangs heißt es: „Wenn die Gesamtfeuerungswärmeleistung einer Anlage berechnet wird, um darüber zu entscheiden, ob die Anlage in das EU-EHS aufgenommen werden soll, werden die Feuerungswärmeleistungen aller technischen Einheiten addiert, die Bestandteil der Anlage sind.“

B. Italienisches Recht

10. Art. 3 Abs. 1 Buchst. t des Decreto legislativo Nr. 30/2013(8) definiert einen „Betreiber“ als Person, die eine Anlage besitzt oder betreibt oder der die ausschlaggebende wirtschaftliche Verfügungsmacht über den technischen Betrieb der Anlage übertragen worden ist“(9).

11. Art. 3 Abs. 1 Buchst. v dieses Decreto legislativo definiert eine „Anlage“ als „ortsfeste technische Einheit, in der eine oder mehrere der in Anhang I genannten Tätigkeiten sowie andere unmittelbar damit verbundene Tätigkeiten durchgeführt werden, die mit den an diesem Standort durchgeführten Tätigkeiten in einem technischen Zusammenhang stehen und die Auswirkungen auf die Emissionen und die Umweltverschmutzung haben können“.

12. Nach Art. 13 Abs. 1 dieses Decreto legislativo darf keine Anlage die in Anhang I dieses Dekrets genannten Tätigkeiten durchführen, bei denen Treibhausgasemissionen entstehen, es sei denn, hierfür liegt die vom EHS-Ausschuss erteilte Genehmigung vor.

13. Gemäß Art. 16 des Decreto legislativo unterrichtet der Betreiber die zuständige Behörde von allen Änderungen der Identität des Betreibers sowie der Art oder Funktionsweise der Anlage oder von wesentlichen Erweiterungen bzw. Verringerungen der Kapazität der Anlage.

III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

14. Granarolo ist eine im Frischmilch-Nahrungsmittelsektor sowie in der Herstellung und im Vertrieb von Milchprodukten tätige Gesellschaft. Sie besitzt in Pasturago di Vernate eine Produktionsstätte mitsamt einem Wärmekraftwerk, das aus drei Heizkesseln zur Erzeugung der für ihre Verarbeitungsprozesse erforderlichen Wärme besteht.

15. Sie verfügte über eine Genehmigung zur Emission von Treibhausgasen für ihre Produktionsstätte im Zusammenhang mit der „Verbrennung von Brennstoffen in Anlagen mit einer Gesamtfeuerungswärmeleistung von über 20 MW“, einer unter Anhang I des Decreto legislativo Nr. 30/2013 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/87 in italienisches Recht fallenden Tätigkeit. Sie unterliegt hinsichtlich dieser Produktionsstätte der Regelung für „kleine Emittenten(10).

16. Im Jahr 2013 errichtete Granarolo am Standort ihrer Produktionsstätte eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage für die Nahrungsmittelproduktion. Ihre Genehmigung zur Emission von Treibhausgasen wurde vom EHS-Ausschuss aktualisiert, um den Emissionen dieser Anlage Rechnung zu tragen.

17. Im Jahr 2017 veräußerte Granarolo ihre Kraft-Wärme-Kopplungsanlage an EBS und schloss mit dieser zugleich einen Energieliefervertrag, damit sie die von dieser Anlage erzeugte thermische Energie und Elektrizität weiterverwenden konnte, um den Energiebedarf ihrer Produktionsstätte zu decken.

18. Im Anschluss an diese Veräußerung beantragte Granarolo beim EHS-Ausschuss die Aktualisierung ihrer Genehmigung zur Emission von Treibhausgasen, um die Emissionen der Kraft-Wärme-Kopplungsanlage aus der Berechnung ihrer Treibhausgasemissionen mit der Begründung auszuscheiden, dass diese Anlage nicht mehr von ihr betrieben werde und nicht mehr ihrer Kontrolle unterliege.

19. Nachdem der EHS-Ausschuss ihren Antrag abgelehnt hatte, erhob Granarolo beim vorlegenden Gericht Klage auf Nichtigerklärung dieses ablehnenden Bescheids.

20. Dieses Gericht führt aus, Granarolo mache zur Begründung ihrer Klage geltend, dass der EHS-Ausschuss in seinem Ablehnungsbescheid die Anforderungen der Richtlinie...

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  • Conclusiones del Abogado General Sr. H. Saugmandsgaard Øe, presentadas el 3 de junio de 2021.
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