European Parliament v European Commission.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2023:302
Docket NumberC-144/21
Date20 April 2023
Celex Number62021CJ0144
CourtCourt of Justice (European Union)
Procedure TypeAction for annulment

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

20. April 2023(*)

„Nichtigkeitsklage – Durchführungsbeschluss C(2020) 8797 – Zulassung bestimmter Verwendungen von Chromtrioxid – Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 – Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe – Art. 60 – Zulassungserteilung – Verpflichtung, nachzuweisen, dass der sozioökonomische Nutzen die Risiken überwiegt, die sich aus der Verwendung des Stoffes für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ergeben, und dass es keine geeigneten Alternativstoffe oder ‑technologien gibt – Art. 62 – Zulassungsanträge – Art. 64 – Verfahren für Zulassungsentscheidungen“

In der Rechtssache C‑144/21

betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 5. März 2021,

Europäisches Parlament, vertreten durch C. Ionescu Dima, M. Menegatti und L. Visaggio als Bevollmächtigte,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch R. Lindenthal und K. Mifsud-Bonnici als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch:

Europäische Chemikalienagentur (ECHA), vertreten durch W. Broere, M. Heikkilä und T. Zbihlej als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin L. S. Rossi, der Richter J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) und S. Rodin sowie der Richterin O. Spineanu-Matei,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Oktober 2022

folgendes

Urteil

1 Mit seiner Klage begehrt das Europäische Parlament die Nichtigerklärung des Art. 1 Abs. 1 und 5 und der Art. 2 bis 5, 7, 9 und 10 des Durchführungsbeschlusses C(2020) 8797 der Kommission vom 18. Dezember 2020, mit dem gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates für bestimmte Verwendungen von Chromtrioxid eine teilweise Zulassung erteilt wurde (Chemservice GmbH u. a.) (im Folgenden: angefochtener Beschluss), soweit sie die Zulassung der Verwendungen 2, 4 und 5 und der Verwendung 1, was die Formulierung von Gemischen für die Verwendungen 2, 4 und 5 angeht, betreffen.

Rechtlicher Rahmen

2 In der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1, berichtigt in ABl. 2007, L 136, S. 3) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 (ABl. 2008, L 353, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: REACH-Verordnung) heißt es in den Erwägungsgründen 1, 8, 12, 22, 69, 70, 72, 73, 77, 82 und 119:

„(1) Diese Verordnung sollte ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherstellen sowie den freien Verkehr von Stoffen als solchen, in Gemischen oder in Erzeugnissen gewährleisten und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Innovation verbessern. Diese Verordnung sollte auch die Entwicklung alternativer Beurteilungsmethoden für von Stoffen ausgehende Gefahren fördern.

(8) Die möglichen Auswirkungen dieser Verordnung auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und die Notwendigkeit, jegliche Diskriminierung dieser Unternehmen zu vermeiden, sollten besondere Berücksichtigung finden.

(12) Ein wichtiges Ziel des durch diese Verordnung einzurichtenden neuen Systems besteht darin, darauf hinzuwirken und in bestimmten Fällen sicherzustellen, dass besorgniserregende Stoffe letztendlich durch weniger gefährliche Stoffe oder Technologien ersetzt werden, soweit geeignete, wirtschaftlich und technisch tragfähige Alternativen zur Verfügung stehen. …

(22) Mit den Zulassungsvorschriften sollte sichergestellt werden, dass der Binnenmarkt reibungslos funktioniert und die von besonders besorgniserregenden Stoffen ausgehenden Risiken ausreichend beherrscht werden. Zulassungen für das Inverkehrbringen und die Verwendung sollten von der Kommission nur dann erteilt werden, wenn sich die Risiken bei der Verwendung angemessen beherrschen lassen – sofern dies möglich ist – oder die Verwendung aus sozioökonomischen Gründen gerechtfertigt ist und keine geeigneten Alternativen zur Verfügung stehen, die wirtschaftlich und technisch tragfähig sind.

(69) Um ein hinreichend hohes Maß an Schutz der menschlichen Gesundheit, auch im Hinblick auf betroffene Bevölkerungsgruppen und gegebenenfalls auf bestimmte schutzbedürftige Untergruppen, sowie der Umwelt sicherzustellen, sollte bei besonders besorgniserregenden Stoffen entsprechend dem Vorsorgeprinzip mit großer Umsicht vorgegangen werden. Weisen die natürlichen oder juristischen Personen, die einen Zulassungsantrag stellen, gegenüber der Bewilligungsbehörde nach, dass die mit der Verwendung des Stoffes einhergehenden Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt angemessen beherrscht werden, so sollte die Zulassung erteilt werden. Anderenfalls kann eine Verwendung dennoch zugelassen werden, wenn nachgewiesen wird, dass der sozioökonomische Nutzen, der sich aus der Verwendung des Stoffes ergibt, die mit seiner Verwendung verbundenen Risiken überwiegt und es keine geeigneten Alternativstoffe oder ‑technologien gibt, die wirtschaftlich und technisch tragfähig wären. Im Interesse eines reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts ist es zweckmäßig, dass die Kommission die Rolle der Bewilligungsbehörde übernimmt.

(70) Schädliche Auswirkungen von besonders besorgniserregenden Stoffen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt sollten durch die Anwendung geeigneter Risikomanagementmaßnahmen verhindert werden, um sicherzustellen, dass alle Gefahren im Zusammenhang mit den Verwendungen eines Stoffes angemessen beherrscht werden, wobei die allmähliche Substitution dieser Stoffe durch geeignete, weniger bedenkliche Alternativstoffe anzustreben ist. Durch Risikomanagementmaßnahmen sollte gewährleistet werden, dass die Exposition gegenüber gefährlichen Stoffen bei ihrer Herstellung, ihrem Inverkehrbringen und ihrer Verwendung einschließlich Einleitungen, Emissionen und Verlusten während ihres gesamten Lebenszyklus unter dem Schwellenwert liegt, ab dem schädliche Auswirkungen auftreten können. Für alle Stoffe, für die eine Zulassung erteilt wurde, und für alle anderen Stoffe, für die kein sicherer Schwellenwert festgelegt werden kann, sind stets Maßnahmen zu treffen, um die Exposition und Emissionen so weit wie technisch und praktisch möglich zu reduzieren, um die Wahrscheinlichkeit schädlicher Auswirkungen möglichst gering zu halten. Maßnahmen zur Gewährleistung angemessener Kontrollen sind in jedem Stoffsicherheitsbericht anzugeben. Diese Maßnahmen sollten umgesetzt und erforderlichenfalls auch den anderen Akteuren entlang der Lieferkette empfohlen werden.

(72) Damit besonders besorgniserregende Stoffe gegebenenfalls durch geeignete alternative Stoffe oder Technologien ersetzt werden können, sollten alle Zulassungsantragsteller eine Analyse der Alternativen unter Berücksichtigung ihrer Risiken und der technischen und wirtschaftlichen Durchführbarkeit der Substitution vorlegen, einschließlich Informationen über alle Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten und ‑vorhaben des Antragstellers. Außerdem sollten die Zulassungen einer befristeten Überprüfung unterliegen, deren Dauer für jeden Einzelfall festgelegt wird, und in der Regel an Auflagen, einschließlich einer Überwachung, geknüpft sein.

(73) Bringt die Herstellung, Verwendung oder das Inverkehrbringen eines Stoffes als solchem, in einem Gemisch oder in einem Erzeugnis ein unannehmbares Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt mit sich, so sollte die Substitution des Stoffes vorgeschrieben werden, wobei zu berücksichtigen ist, ob weniger bedenkliche Alternativstoffe oder ‑verfahren verfügbar sind und mit welchem wirtschaftlichen und sozialen Nutzen die Verwendung des Stoffes, der ein unannehmbares Risiko darstellt, verbunden ist.

(77) Im Hinblick auf Erwägungen der Durchführbarkeit und Praktikabilität zum einen bei natürlichen oder juristischen Personen, die Antragsdossiers vorzubereiten und angemessene Risikomanagementmaßnahmen zu treffen haben, und zum anderen bei Behörden, die die Zulassungsanträge zu bearbeiten haben, sollten lediglich eine begrenzte Zahl von Stoffen zur gleichen Zeit das Zulassungsverfahren durchlaufen, realistische Antragsfristen gesetzt werden und bestimmte Verwendungen ausgenommen werden können. Stoffe, die die Kriterien für die Zulassung erfüllen, sollten in ein Verzeichnis der für eine Einbeziehung in das Zulassungsverfahren in Frage kommenden Stoffe aufgenommen werden. In diesem Verzeichnis sollten Stoffe, die vom Arbeitsprogramm der Agentur erfasst werden, eindeutig gekennzeichnet sein.

(82) Damit eine effektive Überwachung und Durchsetzung des Zulassungserfordernisses möglich ist, sollten nachgeschaltete Anwender, denen eine ihrem Lieferanten erteilte Zulassung zugute kommt, der Agentur ihre Verwendung des Stoffes mitteilen.

(119) Neben ihrer Beteiligung an der Durchführung des Gemeinschaftsrechts sollten die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten aufgrund ihrer Nähe zu den Interessengruppen in den Mitgliedstaaten an dem Austausch von Informationen über Risiken von Stoffen und über die Pflichten der natürlichen und juristischen Personen aufgrund des Chemikalienrechts mitwirken. Gleichzeitig ist eine enge Zusammenarbeit zwischen der Agentur, der Kommission und den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten erforderlich, um die Kohärenz und Effizienz des gesamten Kommunikationsprozesses sicherzustellen.“

3 Art. 1 („Ziel und Geltungsbereich“) der REACH-Verordnung...

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