Philips Orăştie S.R.L. contra Direcţia Generală de Administrare a Marilor Contribuabili.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2022:92
Docket NumberC-487/20
Date10 February 2022
Celex Number62020CJ0487
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

10. Februar 2022(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 179 und 183 – Recht auf Vorsteuerabzug – Modalitäten – Verrechnung oder Erstattung des Mehrwertsteuerüberschusses – Zusätzliche Zahlungsverbindlichkeiten – Grundsatz der steuerlichen Neutralität – Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität“

In der Rechtssache C‑487/20

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Alba Iulia (Berufungsgericht Alba Iulia, Rumänien) mit Entscheidung vom 22. September 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Oktober 2020, in dem Verfahren

Philips Orăştie SRL

gegen

Direcţia Generală de Administrare a Marilor Contribuabili

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer J. Passer in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Achten Kammer sowie der Richter F. Biltgen (Berichterstatter) und N. Wahl,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der Philips Orăştie SRL, vertreten durch M. Boian, D.‑D. Dascălu und E. C. Antonescu, Avocați,

– der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane und L.‑E. Baţagoi als Bevollmächtigte,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und J. Jokubauskaitė als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 179 Abs. 1 und Art. 183 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) sowie der Grundsätze der Äquivalenz, der Effektivität und der steuerlichen Neutralität.

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Philips Orăştie SRL und der Direcția Generală de Administrare a Marilor Contribuabili (Generaldirektion für die Verwaltung von Großsteuerzahlern, Rumänien) über die Modalitäten der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3 Art. 179 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Der Vorsteuerabzug wird vom Steuerpflichtigen global vorgenommen, indem er von dem Steuerbetrag, den er für einen Steuerzeitraum schuldet, den Betrag der Mehrwertsteuer absetzt, für die während des gleichen Steuerzeitraums das Abzugsrecht entstanden ist und gemäß Artikel 178 ausgeübt wird.

Die Mitgliedstaaten können jedoch den Steuerpflichtigen, die nur die in Artikel 12 genannten gelegentlichen Umsätze bewirken, vorschreiben, dass sie das Recht auf Vorsteuerabzug erst zum Zeitpunkt der Lieferung ausüben.“

4 Art. 183 dieser Richtlinie bestimmt:

„Übersteigt der Betrag der abgezogenen Vorsteuer den Betrag der für einen Steuerzeitraum geschuldeten Mehrwertsteuer, können die Mitgliedstaaten den Überschuss entweder auf den folgenden Zeitraum vortragen lassen oder nach den von ihnen festgelegen Einzelheiten erstatten.

Die Mitgliedstaaten können jedoch festlegen, dass geringfügige Überschüsse weder vorgetragen noch erstattet werden.“

5 Art. 252 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1) Die Mehrwertsteuererklärung ist innerhalb eines von den einzelnen Mitgliedstaaten festzulegenden Zeitraums abzugeben. Dieser Zeitraum darf zwei Monate nach Ende jedes einzelnen Steuerzeitraums nicht überschreiten.

(2) Der Steuerzeitraum kann von den Mitgliedstaaten auf einen, zwei oder drei Monate festgelegt werden.

Die Mitgliedstaaten können jedoch andere Zeiträume festlegen, sofern diese ein Jahr nicht überschreiten.“

Rumänisches Recht

6 Nach Art. 157 Abs. 2 Buchst. B1 der Legea nr. 207/2015 privind Codul de procedură fiscală (Gesetz Nr. 207/2015 über die Steuerverfahrensordnung) vom 20. Juli 2015 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 547 vom 23. Juli 2015) (im Folgenden: Steuerverfahrensordnung) gelten „die in gemäß dem Gesetz angefochtenen Steuerverwaltungsakten festgesetzten Steuerverbindlichkeiten, für die nach den Art. 210 bis 211 oder nach Art. 235 eine Sicherheit bestellt ist,“ nicht als ausstehende Steuerverbindlichkeiten.

7 Art. 233 („Aussetzung der Zwangsvollstreckung“) der Steuerverfahrensordnung sieht u. a. vor:

„…

(21) In den folgenden Fällen wird die Zwangsvollstreckung ausgesetzt oder nicht eingeleitet:

a) bei durch Bescheid der zuständigen Steuerbehörde festgesetzten Steuerforderungen, wenn der Schuldner die Steuerbehörde nach Übermittlung des Bescheids förmlich über die Einreichung einer Bürgschaft/Bürgschaftsversicherungspolice gemäß Art. 235 informiert. Die Zwangsvollstreckung wird fortgesetzt bzw. eingeleitet, wenn der Schuldner die Bürgschaft/Bürgschaftsversicherungspolice nicht innerhalb von 45 Tagen, gerechnet vom Tag der Übermittlung des Bescheids über die Feststellung der Steuerforderungen, einreicht;

b) bei in gemäß dem Gesetz angefochtenen Steuerverwaltungsakten festgesetzten Steuerforderungen, für die nach den Art. 210 bis 211 eine Sicherheit bestellt ist. Die Zwangsvollstreckung wird fortgesetzt bzw. eingeleitet, nachdem die Steuerverwaltungsakte im System der verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfe bestands- bzw. rechtskräftig geworden sind.

(2²) Während der gesamten Dauer der Aussetzung der Zwangsvollstreckung nach Abs. 21 erlöschen die von der Aussetzung betroffenen Steuerforderungen nicht, es sei denn, dass der Schuldner gemäß Art. 165 Abs. 8 für ihr Erlöschen optiert.

…“

8 Art. 235 Abs. 1 und 5 der Steuerverfahrensordnung lautet wie folgt:

„(1) Bei Einsprüchen gegen Steuerverwaltungsakte, mit denen nach dieser Verfahrensordnung Steuerforderungen festgesetzt werden, einschließlich während der Entscheidung über eine verwaltungsgerichtliche Klage, wird die Zwangsvollstreckung für die angefochtenen Steuerverbindlichkeiten ausgesetzt bzw. nicht eingeleitet, wenn der Schuldner bei der zuständigen Steuerbehörde eine Bürgschaft/Bürgschaftsversicherungspolice in Höhe der angefochtenen und zum Zeitpunkt der Einreichung der Sicherheit nicht erfüllten Steuerverbindlichkeiten einreicht. Die Bürgschaft/Bürgschaftsversicherungspolice muss vom Tag der Ausstellung an mindestens 6 Monate gültig sein.

(5) Während der gesamten Dauer der Aussetzung der Zwangsvollstreckung nach diesem Artikel erlöschen die von der Aussetzung betroffenen Steuerforderungen nicht, es sei denn, dass der Schuldner gemäß Art. 165 Abs. 8 für ihr Erlöschen optiert.“

9 Art. 303 der Legea nr. 227/2015 privind Codul fiscal (Gesetz Nr. 227/2015 über das Steuergesetzbuch) vom 8. September 2015 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 688 vom 10. September 2015, im Folgenden: Steuergesetzbuch) bestimmt:

„(1) Ist die Steuer auf von einer nach Art. 316 für die Zwecke der Mehrwertsteuer registrierten steuerpflichtigen Person getätigte Erwerbe, die in einem Steuerzeitraum abziehbar ist, höher als die für steuerbare Umsätze erhobene Steuer, so ergibt sich ein Überschuss im Bezugszeitraum, der im Folgenden als negativer Steuerbetrag bezeichnet wird.

(2) Nach der Festsetzung der zu zahlenden Steuer oder des negativen Steuerbetrags für die im Bezugssteuerzeitraum bewirkten Umsätze haben die steuerpflichtigen Personen die in diesem Artikel genannten Berichtigungen durch eine Steuererklärung nach Art. 323 vorzunehmen.

(3)...

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