Urteile nº T-377/16 of Tribunal General de la Unión Europea, November 28, 2019

Resolution DateNovember 28, 2019
Issuing OrganizationTribunal General de la Unión Europea
Decision NumberT-377/16

„Wirtschafts- und Währungsunion - Bankenunion - Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen (SRM) - Einheitlicher Abwicklungsfonds (SRF) - Beschluss des SRB über die im Voraus erhobenen Beiträge für das Jahr 2016 - Nichtigkeitsklage - Unmittelbare und individuelle Betroffenheit - Zulässigkeit - Wesentliche Formvorschriften - Feststellung des Beschlusses - Verfahren zum Erlass des Beschlusses - Begründungspflicht - Zeitliche Beschränkung der Urteilswirkungen“

In den verbundenen Rechtssachen T-377/16, T-645/16 und T-809/16,

Hypo Vorarlberg Bank AG, ehemals Vorarlberger Landes- und Hypothekenbank AG, mit Sitz in Bregenz (Österreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. Eisenberger und A. Brenneis,

Klägerin,

unterstützt durch

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte,

Streithelferin in der Rechtssache T-645/16,

gegen

Einheitlicher Abwicklungsausschuss (SRB), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B. Meyring, S. Schelo, T. Klupsch und S. Ianc,

Beklagter,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Präsidiumssitzung des SRB vom 15. April 2016 über die im Voraus erhobenen Beiträge zum Einheitlichen Abwicklungsfonds für das Jahr 2016 (SRB/ES/SRF/2016/06) und des Beschlusses der Präsidiumssitzung des SRB vom 20. Mai 2016 über die Anpassung der im Voraus erhobenen Beiträge zum Einheitlichen Abwicklungsfonds für das Jahr 2016 zur Ergänzung des Beschlusses der Präsidiumssitzung des SRB vom 15. April 2016 über die im Voraus erhobenen Beiträge zum Einheitlichen Abwicklungsfonds für das Jahr 2016 (SRB/ES/SRF/2016/13), soweit sie die Klägerin betreffen,

erlässt

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. M. Collins, der Richterin M. Kancheva sowie der Richter R. Barents, J. Passer (Berichterstatter) und G. De Baere,

Kanzler: N. Schall, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2019

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

1 Die vorliegenden Rechtssachen fallen in den Rahmen der zweiten Säule der Bankenunion, die den einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM) betrifft; dieser wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1) errichtet. Mit der Schaffung des SRM soll die Integration des Abwicklungsrahmens in den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets und den nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten, die sich für eine Beteiligung am einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) entscheiden (im Folgenden: teilnehmende Mitgliedstaaten), gestärkt werden.

2 Die Rechtssachen betreffen konkret den durch Art. 67 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 errichteten einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF). Der SRF wird durch die Beiträge der Institute finanziert, die gemäfl Art. 67 Abs. 4 dieser Verordnung auf nationaler Ebene insbesondere in Form von im Voraus erhobenen Beiträgen erhoben werden. Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 13 der Verordnung Nr. 806/2014 umfasst der Begriff „Institut“ ein Kreditinstitut oder eine Wertpapierfirma, das bzw. die einer Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis nach Art. 2 Buchst. c dieser Verordnung unterliegt. Die Beiträge werden gemäfl dem am 21. Mai 2014 in Brüssel unterzeichneten zwischenstaatlichen Übereinkommen über die Übertragung von Beiträgen auf den SRF und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge (im Folgenden: zwischenstaatliches Übereinkommen) auf die Ebene der Europäischen Union übertragen.

3 In Art. 70 („Im Voraus erhobene Beiträge“) der Verordnung Nr. 806/2014 heiflt es:

„(1) Die jeweiligen Beiträge der einzelnen Institute werden mindestens jährlich erhoben und anteilig zur Gesamthöhe ihrer Verbindlichkeiten (ohne Eigenmittel) abzüglich gedeckter Einlagen im Verhältnis zu den aggregierten Verbindlichkeiten (ohne Eigenmittel) abzüglich gedeckter Einlagen aller im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute berechnet.

(2) Nach Anhörung der EZB oder der nationalen zuständigen Behörde und in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Abwicklungsbehörden errechnet der Ausschuss jährlich die einzelnen Beiträge, damit die Beiträge, die von allen im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Instituten zu entrichten sind, 12,5 % der Zielausstattung nicht übersteigen.

Die jährliche Berechnung der Beiträge der einzelnen Institute beruht auf:

  1. einem Pauschalbetrag, der sich anteilig aus dem Betrag der Verbindlichkeiten - ohne Eigenmittel und gedeckte Einlagen - eines Instituts im Verhältnis zur Gesamthöhe der Verbindlichkeiten - ohne Eigenmittel und gedeckte Einlagen - aller im Hoheitsgebiet der teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute ergibt, und

  2. einem risikoadjustierten Beitrag, der auf der Grundlage der in Artikel 103 Absatz 7 der Richtlinie 2014/59/EU festgelegten Kriterien errechnet wird, wobei der Grundsatz der Verhältnismäfligkeit gewahrt werden muss und keine Verzerrungen zwischen den Strukturen der Bankensektoren der Mitgliedstaaten ausgelöst werden dürfen.

    Bei dem Verhältnis zwischen dem Pauschalbeitrag und den risikobereinigten Beiträgen ist auf eine ausgewogene Verteilung der Beiträge zwischen den verschiedenen Arten von Banken zu achten.

    In jedem Fall darf der gemäfl den Buchstaben a und b jährlich berechnete aggregierte Betrag der einzelnen Beiträge aller im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute 12,5 % der Zielausstattung nicht übersteigen.

    (6) Es gelten die von der Kommission gemäfl Artikel 103 Absatz 7 der Richtlinie 2014/59/EU erlassenen delegierten Rechtsakte, in denen das Konzept der Beitragsanpassung entsprechend dem Risikoprofil der Institute festgelegt wird.

    (7) Der Rat erlässt im Rahmen eines in Absatz 6 genannten delegierten Rechtsakts auf Vorschlag der Kommission Durchführungsrechtsakte zur Festlegung der Durchführungsbestimmungen zu den Absätzen 1, 2 und 3 und insbesondere hinsichtlich

  3. der Anwendung der Methode zur Berechnung der einzelnen Beiträge;

  4. der praktischen Modalitäten bei der Zuordnung der Institute zu den in dem delegierten Rechtsakt festgelegten Risikofaktoren.“

    4 Hinsichtlich der im Voraus erhobenen Beiträge wurde die Verordnung Nr. 806/2014 durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/81 des Rates vom 19. Dezember 2014 zur Festlegung einheitlicher Modalitäten für die Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zum einheitlichem Abwicklungsfonds (ABl. 2015, L 15, S. 1) ergänzt.

    5 Darüber hinaus verweisen die Verordnung Nr. 806/2014 und die Durchführungsverordnung 2015/81 auf einige Bestimmungen, die in zwei weiteren Rechtsakten enthalten sind:

    - zum einen in der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2014, L 173, S. 190);

    - zum anderen in der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 der Kommission vom 21. Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zu Abwicklungsfinanzierungsmechanismen (ABl. 2015, L 11, S. 44).

    6 Der Einheitliche Abwicklungsausschuss (SRB) wurde als Agentur der Union geschaffen (Art. 42 der Verordnung Nr. 806/2014). Er umfasst u. a. eine Plenarsitzung und eine Präsidiumssitzung (Art. 43 Abs. 5 der Verordnung Nr. 806/2014). Die Aufgaben des SRB im Rahmen der Präsidiumssitzung bestehen in der Annahme aller Beschlüsse zur Umsetzung der Verordnung Nr. 806/2014, sofern in dieser Verordnung nichts anderes vorgesehen ist (Art. 54 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 806/2014).

    7 Mit Beschluss vom 29. April 2015 (SRB/PS/2015/8) nahm die Plenarsitzung des SRB die Geschäftsordnung der Präsidiumssitzung des SRB (im Folgenden: Geschäftsordnung) an.

    8 Art. 9 Abs. 1 bis 3 der Geschäftsordnung bestimmt:

    „(1) Beschlüsse können auch im schriftlichen Verfahren erlassen werden, es sei denn, mindestens zwei der in Art. 3 Abs. 1 genannten Mitglieder der Präsidiumssitzung, die am schriftlichen Verfahren teilnehmen, widersprechen dem innerhalb der ersten 48 Stunden nach Beginn dieses schriftlichen Verfahrens. In diesem Fall wird der Gegenstand in die Tagesordnung der nächsten Präsidiumssitzung aufgenommen.

    (2) Das schriftliche Verfahren erfordert in der Regel nicht weniger als fünf Arbeitstage für die Prüfung durch jedes Mitglied der Präsidiumssitzung. Ist dringendes Handeln erforderlich, kann der Vorsitzende einen kürzeren Zeitraum für den Erlass eines Beschlusses durch Konsens festlegen. Der Grund für die Verkürzung des Zeitraums wird angegeben.

    (3) Ist es nicht möglich, im schriftlichen Verfahren Konsens zu erzielen, kann der Vorsitzende ein normales Abstimmungsverfahren nach Art. 8 einleiten.“

    Vorgeschichte des Rechtsstreits

    9 Die Klägerin, die Hypo Vorarlberg Bank AG, ehemals Vorarlberger Landes- und Hypothekenbank AG, ist ein in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassenes Kreditinstitut.

    10 Mit Beschluss vom 15. April 2016 über die im Voraus erhobenen Beiträge zum SRF für das Jahr 2016 (SRB/ES/SRF/2016/06) (im Folgenden: erster angefochtener Beschluss) legte die Präsidiumssitzung des SRB gemäfl Art. 54 Abs. 1 Buchst. b und Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 die Höhe des für...

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