Urteile nº T-414/17 of Tribunal General de la Unión Europea, September 23, 2020

Resolution DateSeptember 23, 2020
Issuing OrganizationTribunal General de la Unión Europea
Decision NumberT-414/17

„Wirtschafts- und Währungsunion - Bankenunion - Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen (SRM) - Einheitlicher Abwicklungsfonds (SRF) - Beschluss des SRB über die Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge für 2017 - Nichtigkeitsklage - Unmittelbare und individuelle Betroffenheit - Zulässigkeit - Wesentliche Formvorschriften - Feststellung des Beschlusses - Begründungspflicht - Zeitliche Beschränkung der Urteilswirkungen“

In der Rechtssache T-414/17,

Hypo Vorarlberg Bank AG, ehemals Vorarlberger Landes- und Hypothekenbank AG, mit Sitz in Bregenz (Österreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. Eisenberger und A. Brenneis,

Klägerin,

gegen

Einheitlicher Abwicklungsausschuss (SRB), vertreten durch P. Messina und J. Kerlin als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte B. Meyring, S. Schelo, T. Klupsch und S. Ianc,

Beklagter,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Präsidiumssitzung des SRB vom 11. April 2017 über die Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge zum Einheitlichen Abwicklungsfonds für 2017 (SRB/ES/SRF/2017/05), soweit er die Klägerin betrifft,

erlässt

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. M. Collins, der Richterin M. Kancheva sowie der Richter R. Barents, J. Passer (Berichterstatter) und G. De Baere,

Kanzler: S. Bukšek Tomac, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2020

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

1 Die vorliegende Rechtssache fällt in den Rahmen der zweiten Säule der Bankenunion, die den einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM) betrifft; dieser wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1) errichtet. Mit der Schaffung des SRM soll die Integration des Abwicklungsrahmens in den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets und den nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten, die sich für eine Beteiligung am einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) entscheiden (im Folgenden: teilnehmende Mitgliedstaaten), gestärkt werden.

2 Die Rechtssache betrifft konkret den durch Art. 67 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 errichteten Einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF). Der SRF wird durch die Beiträge der Institute finanziert, die gemäfl Art. 67 Abs. 4 dieser Verordnung auf nationaler Ebene insbesondere in Form von im Voraus erhobenen Beiträgen erhoben werden. Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 13 der Verordnung Nr. 806/2014 umfasst der Begriff „Institut“ ein Kreditinstitut oder eine Wertpapierfirma, das bzw. die einer Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis nach Art. 2 Buchst. c dieser Verordnung unterliegt. Die Beiträge werden gemäfl dem am 21. Mai 2014 in Brüssel (Belgien) unterzeichneten zwischenstaatlichen Übereinkommen über die Übertragung von Beiträgen auf den SRF und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge auf die Ebene der Europäischen Union übertragen.

3 In Art. 70 („Im Voraus erhobene Beiträge“) der Verordnung Nr. 806/2014 heiflt es:

„(1) Die jeweiligen Beiträge der einzelnen Institute werden mindestens jährlich erhoben und anteilig zur Gesamthöhe ihrer Verbindlichkeiten (ohne Eigenmittel) abzüglich gedeckter Einlagen im Verhältnis zu den aggregierten Verbindlichkeiten (ohne Eigenmittel) abzüglich gedeckter Einlagen aller im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute berechnet.

(2) Nach Anhörung der EZB oder der nationalen zuständigen Behörde und in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Abwicklungsbehörden errechnet der Ausschuss jährlich die einzelnen Beiträge, damit die Beiträge, die von allen im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Instituten zu entrichten sind, 12,5 % der Zielausstattung nicht übersteigen.

Die jährliche Berechnung der Beiträge der einzelnen Institute beruht auf:

  1. einem Pauschalbetrag, der sich anteilig aus dem Betrag der Verbindlichkeiten - ohne Eigenmittel und gedeckte Einlagen - eines Instituts im Verhältnis zur Gesamthöhe der Verbindlichkeiten - ohne Eigenmittel und gedeckte Einlagen - aller im Hoheitsgebiet der teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute ergibt, und

  2. einem risikoadjustierten Beitrag, der auf der Grundlage der in Artikel 103 Absatz 7 der Richtlinie 2014/59/EU festgelegten Kriterien errechnet wird, wobei der Grundsatz der Verhältnismäfligkeit gewahrt werden muss und keine Verzerrungen zwischen den Strukturen der Bankensektoren der Mitgliedstaaten ausgelöst werden dürfen.

    Bei dem Verhältnis zwischen dem Pauschalbeitrag und den risikobereinigten Beiträgen ist auf eine ausgewogene Verteilung der Beiträge zwischen den verschiedenen Arten von Banken zu achten.

    In jedem Fall darf der gemäfl den Buchstaben a und b jährlich berechnete aggregierte Betrag der einzelnen Beiträge aller im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute 12,5 % der Zielausstattung nicht übersteigen.

    (6) Es gelten die von der Kommission gemäfl Artikel 103 Absatz 7 der Richtlinie 2014/59/EU erlassenen delegierten Rechtsakte, in denen das Konzept der Beitragsanpassung entsprechend dem Risikoprofil der Institute festgelegt wird.

    (7) Der Rat erlässt im Rahmen eines in Absatz 6 genannten delegierten Rechtsakts auf Vorschlag der Kommission Durchführungsrechtsakte zur Festlegung der Durchführungsbestimmungen zu den Absätzen 1, 2 und 3 und insbesondere hinsichtlich

  3. der Anwendung der Methode zur Berechnung der einzelnen Beiträge;

  4. der praktischen Modalitäten bei der Zuordnung der Institute zu den in dem delegierten Rechtsakt festgelegten Risikofaktoren.“

    4 Hinsichtlich der im Voraus erhobenen Beiträge wurde die Verordnung Nr. 806/2014 durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/81 des Rates vom 19. Dezember 2014 zur Festlegung einheitlicher Modalitäten für die Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zum einheitlichem Abwicklungsfonds (ABl. 2015, L 15, S. 1) ergänzt.

    5 Darüber hinaus verweisen die Verordnung Nr. 806/2014 und die Durchführungsverordnung 2015/81 auf einige Bestimmungen, die in zwei weiteren Rechtsakten enthalten sind:

    - zum einen in der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2014, L 173, S. 190);

    - zum anderen in der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 der Kommission vom 21. Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zu Abwicklungsfinanzierungsmechanismen (ABl. 2015, L 11, S. 44).

    6 Der Einheitliche Abwicklungsausschuss (SRB) wurde als Agentur der Union geschaffen (Art. 42 der Verordnung Nr. 806/2014). Er umfasst u. a. eine Plenarsitzung und eine Präsidiumssitzung (Art. 43 Abs. 5 der Verordnung Nr. 806/2014). Die Aufgaben des SRB im Rahmen der Präsidiumssitzung bestehen in der Annahme aller Beschlüsse zur Umsetzung der Verordnung Nr. 806/2014, sofern in dieser Verordnung nichts anderes vorgesehen ist (Art. 54 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 806/2014).

    Vorgeschichte des Rechtsstreits

    7 Die Klägerin, die Hypo Vorarlberg Bank AG, ehemals Vorarlberger Landes- und Hypothekenbank AG, ist ein in Österreich niedergelassenes Kreditinstitut.

    8 Mit Beschluss vom 11. April 2017 über die Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge zum SRF für 2017 (SRB/ES/SRF/2017/05, im Folgenden: angefochtener Beschluss) bestimmte die Präsidiumssitzung des SRB gemäfl Art. 54 Abs. 1 Buchst. b und Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 die Höhe des im Voraus erhobenen Beitrags, den jedes Institut - darunter die Klägerin - für das Jahr 2017 zu entrichten hatte.

    9 Mit Beitragsbescheid vom 24. April 2017, der am 26. April 2017 bei der Klägerin einging, unterrichtete die österreichische nationale Abwicklungsbehörde (national resolution authority, im Folgenden: NRA) die Klägerin darüber, dass der SRB ihren im Voraus erhobenen Beitrag zum SRF für das Jahr 2017 berechnet hatte, und gab ihr auf, einen Betrag zu überweisen, der als ihr im Voraus erhobener Beitrag festgesetzt worden war (im Folgenden: Beitragsbescheid).

    10 Die österreichische NRA fügte dem Beitragsbescheid vier Dokumente bei, nämlich eine deutsche und eine englische Fassung des Textes des angefochtenen Beschlusses ohne den darin genannten Anhang, ein Dokument mit dem Titel „Berechnungsdetails (risikogewichtet) - Im Voraus erhobene Beiträge zum [SRF] für den Beitragszeitraum 2017“ (im Folgenden: Dokument mit dem Titel „Berechnungsdetails“) und ein Dokument mit dem Titel „Statistische Werte“.

    Verfahren und Anträge der Parteien

    11 Mit Schriftsatz, der am 3. Juli 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

    12 Auf Vorschlag der Achten Kammer des Gerichts (vormalige Besetzung) hat das Gericht gemäfl Art. 28 seiner Verfahrensordnung beschlossen, die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

    13 Mit einer prozessleitenden Maflnahme, die am 12. Dezember 2018 gemäfl Art. 89 der Verfahrensordnung erlassen worden ist, hat das Gericht den SRB erstens dazu aufgefordert, eine vollständige Kopie des Originals des angefochtenen Beschlusses (samt Anhang) vorzulegen und das Verfahren für den Erlass dieses...

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