Conclusiones del Abogado General Sr. H. Saugmandsgaard Øe, presentadas el 8 de julio de 2021.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2021:564
Celex Number62020CC0337
Date08 July 2021
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE

vom 8. Juli 2021(1)

Rechtssache C337/20

DM,

LR

gegen

Caisse régionale de Crédit agricole mutuel (CRCAM) – Alpes-Provence

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation [Kassationsgerichtshof, Frankreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Richtlinie 2007/64/EG – Zahlungsdienste im Binnenmarkt – Art. 58 bis 60 – Rechte und Pflichten des Zahlungsdienstnutzers und des Zahlungsdienstleisters – Begriffe der ,vollständigen Harmonisierung‘ und der ,erschöpfenden Harmonisierung‘ – Anzeige nicht autorisierter Zahlungsvorgänge nach Fristablauf – Ausschließlich durch die Richtlinie 2007/64/EG geregelte Haftung des Zahlungsdienstleisters gegenüber dem Zahlungsdienstnutzer – Haftung des Zahlungsdienstleisters gegenüber einem Dritten wie einem Bürgen – Anwendungsbereich der Richtlinie 2007/64/EG – Anwendung einer vom nationalen Recht vorgesehenen Haftungsregelung“






I. Einleitung

1. Die vorliegende Rechtssache betrifft die Auslegung der Richtlinie 2007/64/EG über Zahlungsdienste(2) und insbesondere ihres Anwendungsbereichs.

2. Diese Richtlinie regelt Zahlungsvorgänge zwischen einem Zahlungsdienstleister, z. B. einer Bank, und einem Zahlungsdienstnutzer, bei dem es sich um eine Privatperson oder um ein Unternehmen handeln kann.

3. Im Ausgangsverfahren ist der Zahlungsdienstleister auch der Gläubiger des Zahlungsdienstnutzers, der folglich Schuldner ist. Die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) möchte mit ihren Fragen wissen, ob die Bestimmungen der Richtlinie 2007/64 vollständig harmonisiert sind, so dass die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Haftung der Parteien eines Zahlungsvorgangs über keinen Handlungsspielraum verfügen, und ob sie das Verhältnis zwischen einem Bürgen, der gegenüber dem Gläubiger für die Schulden des Schuldners einsteht, und diesem Gläubiger berühren.

4. Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen DM, der Geschäftsführerin der Groupe centrale automobiles SARL (im Folgenden: GCA), und LR, dem Bürgen dieser Gesellschaft, auf der einen und einem Kreditinstitut, der Caisse Régionale de Crédit Agricole Mutuel (CRCAM) Alpes-Provence (im Folgenden: Bank), auf der anderen Seite. Die Kassationskläger machen geltend, es sei einer Schuldnergesellschaft nach den Bestimmungen der Richtlinie 2007/64 zwar verwehrt, sich auf die Haftung eines Kreditinstituts zu berufen, das Zahlungsvorgänge ausgeführt habe, die diese Gesellschaft nicht autorisiert habe, doch stehe diese Richtlinie dem nicht entgegen, dass sich der Bürge aufgrund desselben Sachverhalts auf die Haftung des Kreditinstituts berufe, wenn dies nach nationalem Recht zulässig sei.

5. Am Ende meiner Untersuchung werde ich dem Gerichtshof vorschlagen, festzustellen, dass die Richtlinie 2007/64 zwar die vertraglichen Verpflichtungen und die jeweilige Haftung des Zahlungsdienstnutzers und seines Zahlungsdienstleisters vollständig regelt, nicht aber das Verhältnis zwischen dem Bürgen und Letzterem. Insbesondere steht diese Richtlinie dem nicht entgegen, dass der Bürge den Zahlungsdienstleister in Haftung nimmt, sofern das nationale Recht dies für den Fall zulässt, dass dem Zahlungsdienstleister gegenüber dem Zahlungsdienstnutzer durch die Ausführung eines von diesem nicht genehmigten Vorgangs ein Versäumnis unterläuft, und zwar selbst dann, wenn sich nach der genannten Richtlinie der Zahlungsdienstnutzer selbst nicht mehr auf die Haftung des Zahlungsdienstleisters berufen kann.

II. Rechtlicher Rahmen

A. Unionsrecht

6. In den Erwägungsgründen 4, 31 und 47 der Richtlinie 2007/64 heißt es:

„(4) Auf Gemeinschaftsebene sollte … unbedingt ein moderner und kohärenter rechtlicher Rahmen für Zahlungsdienste – unabhängig davon, ob diese Dienste mit dem aufgrund der Initiative des Finanzsektors zur Einführung eines einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums entwickelten System vereinbar sind oder nicht – geschaffen werden, der neutral ist und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Zahlungssysteme gewährleistet, damit der Verbraucher auch weiterhin freie Wahl hat, was im Vergleich zu den derzeitigen nationalen Systemen einen erheblichen Fortschritt in Bezug auf die Verbraucherkosten, die Sicherheit und die Effizienz bedeuten dürfte.

(31) Um die Risiken oder Folgen von nicht autorisierten oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgängen gering zu halten, sollte der Zahlungsdienstnutzer den Zahlungsdienstleister so bald wie möglich über Einwendungen gegen angeblich nicht autorisierte oder fehlerhaft ausgeführte Zahlungsvorgänge informieren, vorausgesetzt, der Zahlungsdienstleister hat seine Informationspflichten gemäß dieser Richtlinie erfüllt. Hält der Zahlungsdienstnutzer die Anzeigefrist ein, so sollte er diese Ansprüche innerhalb der nach einzelstaatlichem Recht geltenden Verjährungszeiträume geltend machen können. Diese Richtlinie sollte andere Ansprüche zwischen Zahlungsdienstnutzern und Zahlungsdienstleistern nicht berühren.

(47) Der Zahlungsdienstleister des Zahlers sollte für die ordnungsgemäße Ausführung des Zahlungsvorgangs haften, insbesondere dafür, dass die Zahlung in voller Höhe und fristgerecht ausgeführt wird, wozu auch gehören sollte, dass er für Fehler anderer Parteien in der Zahlungskette bis zum Zahlungskonto des Zahlungsempfängers in vollem Umfang verantwortlich ist. Im Zuge dieser Haftung sollte der Zahlungsdienstleister des Zahlers dann, wenn dem Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers nicht der vollständige Betrag gutgeschrieben wird, den Zahlungsvorgang korrigieren oder dem Zahler den betreffenden Betrag des Zahlungsvorgangs unbeschadet etwaiger anderer nach einzelstaatlichem Recht angemeldeter Ansprüche unverzüglich zurückerstatten. Diese Richtlinie sollte nur die vertraglichen Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und seinem Zahlungsdienstleister zum Gegenstand haben. …“

7. In Art. 4 dieser Richtlinie heißt es:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Begriff

7. ,Zahler‘ eine natürliche oder juristische Person, die Inhaber eines Zahlungskontos ist und die einen Zahlungsauftrag von diesem Zahlungskonto gestattet oder – falls kein Zahlungskonto vorhanden ist – eine natürliche oder juristische Person, die den Auftrag für einen Zahlungsvorgang erteilt;

10. ,Zahlungsdienstnutzer‘ eine natürliche oder juristische Person, die einen Zahlungsdienst als Zahler oder Zahlungsempfänger oder in beiden Eigenschaften in Anspruch nimmt;

…“

8. Art. 51 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Handelt es sich bei dem Zahlungsdienstnutzer nicht um einen Verbraucher, so können die Parteien vereinbaren, dass Artikel 52 Absatz 1, Artikel 54 Absatz 3 sowie die Artikel 59, 61, 62, 63, 66 und 75 ganz oder teilweise nicht angewandt werden. Die Parteien können auch eine andere als die in Artikel 58 vorgesehene Frist vereinbaren.“

9. Art. 58 dieser Richtlinie lautet:

„Der Zahlungsdienstnutzer kann nur dann eine Korrektur durch den Zahlungsdienstleister erwirken, wenn er unverzüglich nach Feststellung eines nicht autorisierten oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgangs, der zur Entstehung eines Anspruchs – einschließlich eines solchen nach Artikel 75 – geführt hat, jedoch spätestens 13 Monate nach dem Tag der Belastung seinen Zahlungsdienstleister hiervon unterrichtet, es sei denn, der Zahlungsdienstleister hat, soweit anwendbar, die Angaben nach Maßgabe des Titels III zu dem betreffenden Zahlungsvorgang nicht mitgeteilt oder zugänglich gemacht.“

10. Art. 59 Abs. 1 der Richtlinie 2007/64 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein Zahlungsdienstleister für den Fall, dass dessen Zahlungsdienstnutzer bestreitet, einen ausgeführten Zahlungsvorgang autorisiert zu haben, oder geltend macht, dass der Zahlungsvorgang nicht ordnungsgemäß ausgeführt wurde, nachweisen muss, dass der Zahlungsvorgang authentifiziert war, ordnungsgemäß aufgezeichnet und verbucht und nicht durch einen technischen Zusammenbruch oder eine andere Panne beeinträchtigt wurde.“

11. Art. 60 dieser Richtlinie lautet:

„(1) Die Mitgliedstaaten stellen unbeschadet des Artikels 58 sicher, dass im Falle eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs der Zahlungsdienstleister des Zahlers diesem den Betrag des nicht autorisierten Zahlungsvorgangs unverzüglich erstattet und gegebenenfalls das belastete Zahlungskonto wieder auf den Stand bringt, auf dem es sich ohne den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte.

(2) Eine darüber hinausgehende finanzielle Entschädigung kann nach dem auf den Vertrag zwischen dem Zahler und seinem Zahlungsdienstleister anwendbaren Recht festgelegt werden.“

12. Art. 75 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 bestimmt:

„Wird ein Zahlungsauftrag vom Zahler ausgelöst, so haftet sein Zahlungsdienstleister unbeschadet von Artikel 58, Artikel 74 Absätze 2 und 3 sowie Artikel 78 gegenüber dem Zahler für die ordnungsgemäße Ausführung des Zahlungsvorgangs, es sei denn, er kann gegenüber dem Zahler und gegebenenfalls dem Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers nachweisen, dass der Betrag, der Gegenstand des Zahlungsvorgangs ist, gemäß Artikel 69 Absatz 1 beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingegangen ist; in diesem Fall haftet der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers diesem gegenüber für die ordnungsgemäße Ausführung des Zahlungsvorgangs.

Haftet der Zahlungsdienstleister des Zahlers nach Unterabsatz 1, so erstattet er dem Zahler unverzüglich den Betrag des nicht oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgangs und bringt das belastete Zahlungskonto gegebenenfalls wieder auf den Stand, auf dem es sich ohne den fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgang befunden hätte.“

13. Art. 86 Abs. 1 derselben Richtlinie lautet:

„Unbeschadet von Artikel 30 Absatz 2, Artikel 33, Artikel 34 Absatz 2, Artikel 45 Absatz 6, Artikel 47 Absatz 3, Artikel 48 Absatz 3, Artikel 51 Absatz 2, Artikel 52 Absatz 3, Artikel 53 Absatz 2, Artikel 61 Absatz 3 und der Artikel 72 und...

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