Opinion of Advocate General Medina delivered on 15 September 2022.

JurisdictionEuropean Union
Date15 September 2022
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

LAILA MEDINA

vom 15. September 2022(1)

Rechtssache C343/21

PV

gegen

Zamestnik izpalnitelen direktor na Darzhaven fond „Zemedelie“

(Vorabentscheidungsersuchen des Varhoven administrativen sad [Oberstes Verwaltungsgericht, Bulgarien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Agrarpolitik – Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) – Fördermaßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums – Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen – Verordnung Nr. 1974/2006 – Art. 45 Abs. 4 – Flurbereinigungs- und Bodenordnungsverfahren – Hinderung des Begünstigten an der Erfüllung seiner eingegangenen Verpflichtungen – Fehlen von erforderlichen Vorkehrungen, um die Verpflichtungen an die neue Lage des Betriebs anzupassen“






Einleitung

1. Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 45 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1974/2006(2), der vor seiner Aufhebung(3) die finanziellen Folgen für einen Begünstigten von Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen regelte, wenn in seinem Betrieb innerhalb des Verpflichtungszeitraums ein Flurbereinigungs- oder Bodenordnungsverfahren nach dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) stattfand(4).

2. Das Ersuchen ergeht in einem Verfahren zwischen einem bulgarischen Landwirt und dem Zamestnik izpalnitelen direktor na Darzhaven fond „Zemedelie“ (stellvertretender Exekutivdirektor des Staatlichen Landwirtschaftsfonds, im Folgenden: beklagte Behörde). Dieses Verfahren betrifft einen Rechtsbehelf gegen einen Bescheid, mit dem die Rückzahlung eines Teilbetrags des an diesen Landwirt gezahlten Zuschusses angeordnet wurde, da er gehindert ist, seine nach dem ELER eingegangene Verpflichtung zur Gewährleistung der Nutzung aller anfangs angemeldeten Flächen für fünf aufeinanderfolgende Jahre zu erfüllen.

3. In der vorliegenden Rechtssache sind die Begriffe „Flurbereinigungs-“ und „Bodenordnungsverfahren“ im Sinne von Art. 45 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1974/2006 im Hinblick darauf auszulegen, ob ein Fall der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt. Wird dies bejaht, ist zu klären, ob in dem Fall, dass erforderliche Vorkehrungen vom Mitgliedstaat nicht ergriffen worden sind, der Umstand, dass der Begünstigte an der Erfüllung seiner für die Agrarumweltzahlungen eingegangenen Verpflichtungen gehindert ist, dazu führt, dass die zuvor erhaltenen Mittel nicht zurückgezahlt werden müssen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 1698/2005

4. Art. 4 („Ziele“) der Verordnung Nr. 1698/2005 bestimmt:

„(1) Die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums trägt zur Verwirklichung folgender Ziele bei:

a) Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft und der Forstwirtschaft durch Förderung der Umstrukturierung, der Entwicklung und der Innovation;

b) Verbesserung der Umwelt und der Landschaft durch Förderung der Landbewirtschaftung;

c) Verbesserung der Lebensqualität in ländlichen Gebieten und Förderung der Diversifizierung der Wirtschaftstätigkeit.

…“

5. Art. 36 („Maßnahmen“) der Verordnung Nr. 1698/2005 bestimmt:

„Die Beihilfen dieses Abschnitts betreffen folgende Maßnahmen:

a) Maßnahmen zur Förderung der nachhaltigen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen:

iv) Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen,

…“

6. Art. 39 („Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen“) der Verordnung Nr. 1698/2005 bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten bieten die Beihilfen gemäß Artikel 36 Buchstabe a Ziffer iv in ihrem gesamten Hoheitsgebiet entsprechend den spezifischen Bedürfnissen an.

(2) Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen werden Landwirten gewährt, die freiwillig eine Agrarumweltverpflichtung eingehen. Soweit dies zur Erreichung der Umweltziele gerechtfertigt ist, können die Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen anderen Landbewirtschaftern gewährt werden.

(3) Die Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen betreffen nur die Verpflichtungen, die über die einschlägigen obligatorischen Grundanforderungen gemäß den Artikeln 4 und 5 und den Anhängen III und IV der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 sowie die Grundanforderungen für die Anwendung von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln und sonstige einschlägige verpflichtende Anforderungen hinausgehen, die im Rahmen von einzelstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegt und in dem betreffenden Programm aufgeführt sind.

Diese Verpflichtungen sind in der Regel für einen Zeitraum von fünf bis sieben Jahren einzugehen. Sofern erforderlich und begründet, wird für bestimmte Arten von Verpflichtungen nach dem in Artikel 90 Absatz 2 genannten Verfahren ein längerer Zeitraum festgelegt.

…“

Verordnung Nr. 1974/2006

7. Die Erwägungsgründe 23 und 37 der Verordnung Nr. 1974/2006 lauten:

„(23) Bei der Förderung von Agrarumwelt[…]maßnahmen sollte die Festlegung der Mindestanforderungen, die von den Begünstigten im Rahmen der verschiedenen Agrarumwelt[…]verpflichtungen einzuhalten sind, eine ausgewogene Durchführung dieser Maßnahmen im Hinblick auf ihre Ziele sicherstellen und somit zu einer nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums beitragen. …

(37) Es sollten allgemeine Bestimmungen für verschiedene Maßnahmen festgelegt werden, insbesondere hinsichtlich folgender Punkte, Durchführung von integrierten Maßnahmen, Investitionsmaßnahmen, Übertragung eines Betriebs während der Laufzeit der als Voraussetzung für die Gewährung der Beihilfe eingegangenen Verpflichtung, Aufstockung der Betriebsfläche und Definition der verschiedenen Kategorien von Fällen höherer Gewalt und außergewöhnlichen Umständen.“

8. Art. 44 dieser Verordnung bestimmt:

„(1) Überträgt ein Begünstigter während der Laufzeit der als Voraussetzung für die Gewährung der Beihilfe eingegangenen Verpflichtung seinen Betrieb ganz oder teilweise auf einen anderen, so kann dieser die Verpflichtung für den restlichen Zeitraum übernehmen. Erfolgt eine solche Übernahme nicht, so ist der Begünstigte verpflichtet, den empfangenen Betrag zurückzuerstatten.

(2) Die Mitgliedstaaten können auf die Erstattung gemäß Absatz 1 verzichten, falls

(3) Die Mitgliedstaaten können besondere Maßnahmen ergreifen, um bei geringfügigen Änderungen der betrieblichen Situation zu vermeiden, dass die Anwendung von Absatz 1 mit Blick auf die eingegangenen Verpflichtungen zu unangemessenen Ergebnissen führen würde.

Für die Anwendung von Unterabsatz 1 gilt eine Verringerung der Betriebsfläche um bis zu 10 % der von der Verpflichtung betroffenen Fläche als geringfügige Änderung.“

9. Art. 45 der Verordnung Nr. 1974/2006 bestimmt:

„(1) Vergrößert ein Begünstigter während der Laufzeit der als Voraussetzung für die Gewährung der Beihilfe eingegangenen Verpflichtung seine Betriebsfläche, so kann der Mitgliedstaat vorsehen, dass gemäß Absatz 2 die zusätzliche Fläche für den restlichen Verpflichtungszeitraum in die Verpflichtung einbezogen oder dass gemäß Absatz 3 die ursprüngliche Verpflichtung des Begünstigten durch eine neue Verpflichtung ersetzt wird.

Diese Ersetzung ist auch in Fällen möglich, in denen die in eine Verpflichtung einbezogenen Flächen innerhalb des Betriebs vergrößert werden.“

(2) Die in Absatz 1 genannte Einbeziehung ist nur unter folgenden Voraussetzungen möglich:

(3) Die in Absatz 1 genannte neue Verpflichtung wird für die gesamte Fläche eingegangen und umfasst Bedingungen, die mindestens genauso strikt sind wie die der ursprünglichen Verpflichtung.

(4) Ist der Begünstigte infolge von Flurbereinigungsverfahren oder anderweitigen, öffentlichen oder von den zuständigen Behörden anerkannten Bodenordnungsverfahren an der Erfüllung seiner eingegangenen Verpflichtungen gehindert, so treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorkehrungen, um die Verpflichtungen an die neue Lage des Betriebs anzupassen. Erweist sich eine solche Anpassung als unmöglich, so endet die Verpflichtung, ohne dass für den tatsächlichen Verpflichtungszeitraum eine Rückzahlung gefordert wird.“

Verordnung Nr. 65/2011

10. Art. 18 („Kürzungen und Ausschlüsse bei Nichterfüllung sonstiger Förderkriterien, Verpflichtungen und damit verbundener Auflagen“) der Verordnung Nr. 65/2011 bestimmt:

„(1) Die beantragte Beihilfe wird gekürzt oder verweigert, wenn folgende Verpflichtungen und Kriterien nicht erfüllt sind:

b) andere Förderkriterien als diejenigen in Zusammenhang mit der angegebenen Fläche bzw. der angegebenen Zahl von Tieren.

Bei mehrjährigen Verpflichtungen gelten die Beihilfekürzungen, ‑ausschlüsse und ‑rückforderungen auch für die Beträge, die in den Vorjahren bereits für die betreffende Verpflichtung gezahlt wurden.

(2) Der Mitgliedstaat fordert die Beihilfe zurück und/oder verweigert sie oder setzt den Betrag, um den die Beihilfe gekürzt wird, insbesondere auf der Grundlage von Schwere, Ausmaß und Dauer des festgestellten Verstoßes fest.

Die Beurteilung der Schwere eines Verstoßes hängt insbesondere davon ab, welche Bedeutung den Auswirkungen des Verstoßes unter Berücksichtigung der Ziele der nicht eingehaltenen Kriterien beizumessen ist.

Das Ausmaß eines Verstoßes wird insbesondere anhand der Auswirkungen des Verstoßes auf das Vorhaben insgesamt beurteilt.

Die Beurteilung der Dauer eines Verstoßes richtet sich insbesondere danach, wie lange die Auswirkungen des Verstoßes andauern oder welche Möglichkeiten bestehen, diese Auswirkungen mit angemessenen Mitteln abzustellen.

(3) Sind die Verstöße auf vorsätzlich begangene Unregelmäßigkeiten zurückzuführen, so wird der Begünstigte in dem betreffenden und dem darauf folgenden Kalenderjahr von der jeweiligen Maßnahme ausgeschlossen.“

Bulgarisches Recht

11. Art. 37c des Zakon za sobstvenostta i polzvaneto na zemedelskite zemi (Gesetz über das Eigentum und die Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen, im Folgenden: ZSPZZ)(5) bestimmt:

„(1) Zusammenstellungen für die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen werden durch eine Vereinbarung zwischen den Eigentümern und/oder den Nutzern gebildet. Der Abschluss der Vereinbarung...

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