ASL Aviation Holdings DAC and ASL Airlines (Ireland) Ltd v European Commission.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:T:2022:85
Date23 February 2022
Docket NumberT-540/18
Celex Number62018TJ0540
CourtGeneral Court (European Union)

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Siebte erweiterte Kammer)

23. Februar 2022(*)

„Außervertragliche Haftung – Wettbewerb – Märkte für internationale Expressbeförderung von Kleinpaketen im EWR – Zusammenschluss – Beschluss, mit dem der Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird – Nichtigerklärung des Beschlusses durch ein Urteil des Gerichts – Pauschale Verweisung auf andere Schriftstücke – Von einem Dritten in einer anderen Rechtssache geltend gemachte Klagegründe oder Rügen – In der Erwiderung vorgelegte Beweise – Keine Rechtfertigung der Verspätung – Unzulässigkeit – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht“

In der Rechtssache T‑540/18,

ASL Aviation Holdings DAC mit Sitz in Swords (Irland),

ASL Airlines (Ireland) Ltd mit Sitz in Swords,

vertreten durch N. Travers, SC, sowie H. Kelly, K. McKenna und R. Scanlan, Solicitors,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch N. Khan, P. Berghe, M. Farley und R. Leupold Henning als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 268 AEUV auf Ersatz des Schadens, der den Klägerinnen durch die Rechtswidrigkeit des Beschlusses C(2013) 431 der Kommission vom 30. Januar 2013 zur Feststellung der Unvereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.6570 – UPS/TNT Express) entstanden sein soll,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas, des Richters R. da Silva Passos, der Richterin I. Reine sowie der Richter L. Truchot und M. Sampol Pucurull (Berichterstatter),

Kanzler: E. Artemiou, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2020

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Ab dem 26. April 2012 führte die TNT Express NV (im Folgenden: TNT) im Hinblick auf ihren geplanten Zusammenschluss mit der United Parcel Service, Inc. (im Folgenden: UPS) Verhandlungen mit der ASL Aviation Holdings DAC, vormals ASL Aviation Group Ltd, und der ASL Airlines (Ireland) Ltd, vormals Air Contractors Ireland Ltd, über die Übertragung ihrer Luftverkehrstätigkeiten auf diese Gesellschaften (im Folgenden zusammen: ASL oder Klägerinnen). Diese Verhandlungen fanden statt, weil es Unternehmen aus Drittländern, wie etwa UPS, gemäß Art. 4 Buchst. f der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (ABl. 2008, L 293, S. 3) verboten ist, in der Europäischen Union Luftverkehrsdienste durchzuführen.

2 Am 26. Juni 2012 veröffentlichte die Europäische Kommission nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2004, L 24, S. 1), durchgeführt durch die Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl. 2004, L 133, S. 1), eine Bekanntmachung der vorherigen Anmeldung eines Zusammenschlusses (Sache COMP/M.6570 – UPS/TNT Express) (ABl. 2012, C 186, S. 9).

3 Am 15. November 2012 schlossen die Klägerinnen mit TNT zwei Vereinbarungen (im Folgenden zusammen: Vereinbarungen von 2012):

– die Übernahmevereinbarung „UPS-SPA“ (im Folgenden: Vereinbarung UPS-SPA), wonach ASL nach Abschluss des Zusammenschlusses von UPS und TNT 100 % der Anteile der TNT Airways SA/NV und der Pan Air Lineas Aereas SA erwerben sollte;

– die Dienstleistungsvereinbarung „UPS-ATSA“, wonach ASL nach Abschluss des Zusammenschlusses von UPS und TNT und nach Umsetzung der Vereinbarung UPS-SPA mittels des in Anwendung der Vereinbarung UPS-SPA von TNT Airways übernommenen Luftverkehrsgeschäfts für einen Zeitraum von fünf Jahren Flugdienste für UPS und Dritte erbringen sollte.

4 Die Vereinbarungen von 2012 sollten vorbehaltlich der Erklärung der Kommission über die Vereinbarkeit des Zusammenschlusses von UPS und TNT mit dem Binnenmarkt am 1. Februar 2013 in Kraft treten.

5 Am 16. November 2012 informierte UPS die Kommission über den Abschluss der Vereinbarungen von 2012.

6 Am 11. Januar 2013 teilte die Kommission UPS mit, dass sie beabsichtige, deren geplanten Zusammenschluss mit TNT zu untersagen.

7 Am 14. Januar 2013 gab UPS diese Information im Wege einer Pressemitteilung bekannt.

8 Am 30. Januar 2013 erließ die Kommission den Beschluss C(2013) 431, mit dem die Unvereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen festgestellt wurde (Sache COMP/M.6570 – UPS/TNT Express) (im Folgenden: streitiger Beschluss). Die Kommission war der Ansicht, dass der Zusammenschluss von UPS und TNT eine erhebliche Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs auf den betreffenden Dienstleistungsmärkten in 15 Mitgliedstaaten darstelle, nämlich in Bulgarien, der Tschechischen Republik, Dänemark, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, den Niederlanden, Polen, Rumänien, Slowenien, der Slowakei, Finnland sowie Schweden.

9 Im Wege einer Pressemitteilung gab UPS am selben Tag bekannt, auf den geplanten Zusammenschluss zu verzichten.

10 Am 5. April 2013 erhob UPS beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses, die unter dem Aktenzeichen T‑194/13 in das Register eingetragen wurde.

11 Am 12. Mai 2015 publizierte die Kommission eine nicht vertrauliche Fassung des streitigen Beschlusses.

12 Am 4. Juli 2015 veröffentlichte die Kommission eine Bekanntmachung der vorherigen Anmeldung eines Zusammenschlusses (Sache M.7630 – FedEx/TNT Express) (ABl. 2015, C 220, S. 15) betreffend den Zusammenschluss, mit dem TNT von der FedEx Corp. übernommen werden sollte.

13 Am 8. Januar 2016 erließ die Kommission den Beschluss, mit dem der Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen vereinbar erklärt wurde (Sache M.7630 – FedEx/TNT Express). Eine Zusammenfassung des Beschlusses über den Zusammenschluss von FedEx und TNT wurde im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2016, C 450, S. 12) veröffentlicht.

14 Am 5. Februar 2016 schlossen FedEx und die Klägerinnen eine Vereinbarung über den Erwerb des Luftverkehrsgeschäfts von TNT durch die Klägerinnen sowie eine Vereinbarung über die Erbringung von Luftverkehrsdienstleistungen für FedEx.

15 Mit Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission (T‑194/13, EU:T:2017:144), erklärte das Gericht den streitigen Beschluss für nichtig.

16 Am 16. Mai 2017 legte die Kommission gegen das Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission (T‑194/13, EU:T:2017:144), ein Rechtsmittel ein, das der Gerichtshof mit Urteil vom 16. Januar 2019, Kommission/United Parcel Service (C‑265/17 P, EU:C:2019:23), zurückwies.

Verfahren und Anträge der Parteien

17 Mit Klageschrift, die am 11. September 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

18 Im Zuge einer Änderung der Besetzung des Gerichts hat der Präsident des Gerichts mit Entscheidung vom 17. Oktober 2019 die Rechtssache gemäß Art. 27 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts einem neuen, der Siebten Kammer zugeteilten Berichterstatter zugewiesen.

19 Auf Vorschlag der Siebten Kammer hat das Gericht gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung beschlossen, die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

20 Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Siebte erweiterte Kammer) das mündliche Verfahren eröffnet und den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung schriftliche Fragen gestellt. Die Fragen wurden von den Parteien fristgerecht beantwortet.

21 In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen erklärt, den beantragten Schadensersatz aufgrund von Umständen, die nach der Klageerhebung eingetreten seien, der Höhe nach zu beschränken. Dies ist im Sitzungsprotokoll vermerkt worden.

22 Die Klägerinnen beantragen,

– die Kommission auf der Grundlage von Art. 268 AEUV und Art. 340 Abs. 2 AEUV in Höhe von 93 881 731 Euro oder in einer anderen vom Gericht für angemessen befundenen Höhe für die Schäden haftbar zu machen, die sie durch den rechtswidrigen streitigen Beschluss erlitten haben;

– die Kommission zu verurteilen, auf den Betrag von 93 881 731 Euro bzw. den vom Gericht für angemessen befundenen Betrag Verzugszinsen in Höhe des von der Europäischen Zentralbank (EZB) für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte festgesetzten Zinssatzes zuzüglich zweier Prozentpunkte ab dem Tag der Verkündung des Urteils über die vorliegende Klage bis zur vollständigen Zahlung zu zahlen;

– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

23 Die Kommission beantragt,

– die Klage abzuweisen;

– den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

24 Die Klägerinnen verlangen eine Entschädigung dafür, dass...

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