Opinion of Advocate General Collins delivered on 14 July 2022.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2022:589
Date14 July 2022
Celex Number62021CC0332
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ANTHONY COLLINS

vom 14. Juli 2022 (1)

Rechtssache C332/21

Quadrant Amroq Beverages SRL

gegen

Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală de Administrare a Marilor Contribuabili

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunalul Bucureşti [Regionalgericht Bukarest, Rumänien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbrauchsteuer – Richtlinie 92/83/EWG – Art. 27 Abs. 1 Buchst. e – Ethylalkohol – Steuerbefreiungen – Herstellung von Aromen für die Bereitung nichtalkoholischer Getränke mit einem Alkoholgehalt von höchstens 1,2 Volumenprozent – Anerkennung einer von einem Herstellungsmitgliedstaat gewährten Befreiung durch den Bestimmungsmitgliedstaat – Vom Bestimmungsmitgliedstaat auferlegte Bedingungen“






I. Einleitung

1. Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen des Tribunalul Bucureşti (Regionalgericht Bukarest, Rumänien) ergeht im Rahmen einer Klage der Quadrant Amroq Beverages SRL (im Folgenden: Klägerin) auf Aufhebung von Entscheidungen der Agenția Națională de Administrare Fiscală – Direcția Generală de Administrare a Marilor Contribuabili (Staatliche Steuerverwaltungsagentur – Generaldirektion für die Verwaltung von Großsteuerzahlern, Rumänien), ihre Anträge auf Rückerstattung der gemäß dem nationalen Gesetz zur Umsetzung von Art. 27 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/83/EWG(2) gezahlten Verbrauchsteuern abzulehnen.

2. Die Klägerin erwarb von einem irischen Hersteller Aromen zur Verwendung bei der Bereitung von Erfrischungsgetränken in Rumänien. Sie war davon ausgegangen, dass der zur Herstellung der Aromen verwendete Ethylalkohol in den steuerrechtlich freien Verkehr in Irland gebracht worden war und nach den irischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung von Art. 27 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/83 von der Verbrauchsteuer befreit war. Nach dieser Bestimmung des Unionsrechts ist Ethylalkohol, der „zur Herstellung von Aromen für die Bereitung von … nichtalkoholischen Getränken mit einem Alkoholgehalt von höchstens 1,2 % vol. verwendet [wird]“, von der Verbrauchsteuer befreit. Irland befreit Ethylalkohol, der zur Verwendung bei der Herstellung solcher Aromen bestimmt ist oder bereits verwendet wurde. Rumänien befreit nur Ethylalkohol, der für die Herstellung von Aromen bestimmt ist.

3. Die vorliegenden Schlussanträge befassen sich mit dem Umfang der durch Art. 27 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/83 gewährten Befreiung, mit den Umständen, unter denen ein Bestimmungsmitgliedstaat eine von einem anderen Mitgliedstaat nach dieser Bestimmung gewährte Befreiung anerkennen muss, und mit der Frage, inwieweit ein Mitgliedstaat, in den Waren versandt werden, den Wirtschaftsteilnehmern, denen der Vorteil dieser Befreiung gewährt wurde, verfahrensrechtliche Anforderungen auferlegen kann.

II. Rechtlicher Kontext

A. Unionsrecht

1. Richtlinie 92/83

4. Die Richtlinie 92/83 enthält Bestimmungen zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke.

5. Gemäß Art. 19 Abs. 1 dieser Richtlinie erheben die Mitgliedstaaten nach Maßgabe der Richtlinie 92/83 Verbrauchsteuer auf Ethylalkohol.

6. In Art. 20 erster Gedankenstrich der Richtlinie 92/83 wird Ethylalkohol wie folgt definiert:

„alle Erzeugnisse der KN-Codes 2207 und 2208 mit einem vorhandenen Alkoholgehalt von mehr als 1,2 % vol., auch wenn diese Erzeugnisse Teil eines Erzeugnisses sind, das unter ein anderes Kapitel der Kombinierten Nomenklatur fällt;

…“

7. Art. 27 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/83 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten befreien die von dieser Richtlinie erfassten Erzeugnisse von der harmonisierten Verbrauchsteuer nach Maßgabe von Bedingungen, die sie zur Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung solcher Steuerbefreiungen sowie zur Vermeidung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch festlegen, sofern die betreffenden Erzeugnisse:

e) zur Herstellung von Aromen für die Bereitung von Lebensmitteln und nichtalkoholischen Getränken mit einem Alkoholgehalt von höchstens 1,2 % vol. verwendet werden.“

2. Richtlinie 2008/118

8. In Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/EG(3) heißt es:

„Der Verbrauchsteueranspruch entsteht zum Zeitpunkt und im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr.“

9. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 definiert den Begriff „Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr“ wie folgt:

„a) die Entnahme verbrauchsteuerpflichtiger Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Entnahme, aus dem Verfahren der Steueraussetzung;

b) der Besitz verbrauchsteuerpflichtiger Waren außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung, wenn keine Verbrauchsteuer gemäß den geltenden Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und des einzelstaatlichen Rechts erhoben wurde;

c) die Herstellung verbrauchsteuerpflichtiger Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Herstellung, außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung;

d) die Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Einfuhr, es sei denn, die verbrauchsteuerpflichtigen Waren werden unmittelbar bei ihrer Einfuhr in ein Verfahren der Steueraussetzung überführt.“

B. Rumänisches Recht

10. In den schriftlichen Erklärungen der Kommission werden die folgenden Bestimmungen des rumänischen Rechts genannt.

11. Art. 20658 der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Legea nr. 571 din 22 decembrie 2003 privind codul fiscal (Gesetz Nr. 571 vom 22. Dezember 2003 zur Einführung des Steuergesetzbuchs)(4), dessen Wortlaut in Art. 397 Abs. 1(5) der ab 2016 geltenden Legea nr. 227 din 8 septembrie 2015 privind codul fiscal (Gesetz Nr. 227 vom 8. September 2015 zur Einführung des Steuergesetzbuchs)(6) (im Folgenden: Steuergesetzbuch) aufgegriffen wird, bestimmt:

„(1) Ethylalkohol und die anderen in Art. 2062 Buchst. a genannten alkoholischen Erzeugnisse sind von der Verbrauchsteuer befreit, wenn sie:

e) zur Herstellung von Lebensmittelaromen für die Zubereitung von Lebensmitteln oder nichtalkoholischen Getränken mit einem Alkoholgehalt von höchstens 1,2 % vol. verwendet werden.“

12. Die Durchführungsbestimmungen zu Art. 20658 des Steuergesetzbuchs lauten:

„…

(13) In allen in Art. 20658 Abs. 1 des Steuergesetzbuchs genannten Fällen wird die Befreiung von der Verbrauchsteuer nur dem Verwender gewährt, sofern die Lieferung direkt von einem Steuerlager aus erfolgt.

(14) Ein Verwender, der innergemeinschaftliche Erwerbe von Ethylalkohol tätigt, um diesen für die in Art. 20658 Abs. 1 Buchst. b bis i des Steuergesetzbuchs genannten Zwecke zu verwenden, muss auch ein registrierter Empfänger sein.

(16) Eine Befreiung ist unmittelbar zu gewähren:

a) in den in Art. 20659 Abs. 1 Buchst. d, f, g und h des Steuergesetzbuchs genannten Fällen;

b) in den in Art. 20658 Abs. 1 Buchst. a, b, c und e des Steuergesetzbuchs genannten Fällen für zugelassene Lagerinhaber, die im Rahmen eines integrierten Systems tätig sind. „Integriertes System“ bedeutet die Verwendung von Ethylalkohol und anderen alkoholischen Erzeugnissen durch Lagerinhaber für die Herstellung von Fertigerzeugnissen, die als solche zum Verbrauch bestimmt sind, ohne dass weitere Änderungen vorgenommen werden. …

(17) In allen Fällen, in denen eine unmittelbare Befreiung vorliegt, wird die Befreiung auf der Grundlage einer Endnutzergenehmigung gewährt. Diese Erlaubnis wird allen Verwendern erteilt, die verbrauchsteuerbefreite Waren erwerben.

(34) In allen Fällen, in denen eine unmittelbare Steuerbefreiung vorliegt, dürfen die Preise für die Lieferung der Waren keine Verbrauchsteuer enthalten, und der Beförderung dieser Waren muss eine ausgedruckte Ausfertigung des in Abs. 91 genannten elektronischen Verwaltungsdokuments beigefügt sein. …

(37) In den Fällen des Art. 20658 Abs. 1 Buchst. a, b, c, e und i des Steuergesetzbuchs wird eine Befreiung mittelbar gewährt. Die Preise für die Lieferung der Waren müssen die Verbrauchsteuer enthalten, woraufhin die Wirtschaftsbeteiligten, die Verwender sind, nach den Bestimmungen des [Codul de procedură fiscală (Steuerverfahrensordnung)] einen Ausgleich oder eine Erstattung der Verbrauchsteuer beantragen können.

(38) Für die Erstattung der Verbrauchsteuer reichen die Verwender monatlich, am oder bis zum fünfundzwanzigsten Tag des Monats, der auf den Monat folgt, für den die Erstattung beantragt wird, bei der regionalen Steuerbehörde einen Antrag auf Erstattung der Verbrauchsteuer ein, dem folgendes beigefügt ist:

a) eine Kopie der Rechnung für den Kauf von Ethylalkohol und/oder anderen alkoholischen Erzeugnissen, in der die Verbrauchsteuer gesondert ausgewiesen ist;

b) einen Nachweis, dass die Verbrauchsteuer an den Lieferanten gezahlt wurde, d. h. ein Zahlungsbeleg, der von der Bank, bei der der Benutzer ein Konto eröffnet hat, bestätigt wurde;

c) ein Nachweis der für den Zweck, für den die Befreiung gewährt wurde, verwendeten Menge, d. h. eine Übersicht über die tatsächlich verwendeten Mengen und die diesbezüglichen Unterlagen.“

13. Die Durchführungsbestimmungen zu Art. 397 des Steuergesetzbuchs bestimmen:

„81. (1) In Fällen, in denen eine unmittelbare Steuerbefreiung vorliegt, wird die Verbrauchsteuerbefreiung für die in Art. 397 Abs. 1 des Steuergesetzbuchs genannten Waren nur dem Verwender gewährt, unter der Voraussetzung, dass die Lieferung unmittelbar aus einem Steuerlager, aus eigenen innergemeinschaftlichen Erwerben oder aus eigenen Einfuhrumsätzen des Verwenders erfolgt.

(2) In Fällen, in denen mittelbare Steuerbefreiung vorliegt, wird die Verbrauchsteuerbefreiung für die in Art. 397 Abs. 1 des Steuergesetzbuchs genannten Waren nur dem Verwender gewährt, unter der Voraussetzung, dass die Lieferung unmittelbar aus einem Steuerlager, von einem registrierten Empfänger oder aus eigenen Einfuhrumsätzen des Verwenders erfolgt. Ein registrierter Empfänger, der Waren liefert, die für einen von der Verbrauchsteuer befreiten Zweck verwendet werden sollen, muss in der Rechnung den Gegenwert der an den Staatshaushalt gezahlten Verbrauchsteuer...

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