Fastweb SpA and Others v Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2023:447
Date08 June 2023
Docket NumberC-468/20
Celex Number62020CJ0468
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

8. Juni 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste – Richtlinien 2002/19/EG, 2002/20/EG, 2002/21/EG und 2002/22/EG – Art. 49 AEUV – Niederlassungsfreiheit – Art. 56 AEUV – Freier Dienstleistungsverkehr – Nationale Regelung, mit der der nationalen Regulierungsbehörde die Befugnis verliehen wird, Telefondienstbetreibern einen Mindestzeitrahmen für die Angebotsverlängerung und einen Mindestzeitrahmen für die Abrechnung vorzuschreiben – Verbraucherschutz – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Grundsatz der Gleichbehandlung“

In der Rechtssache C‑468/20

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidung vom 9. Juli 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 29. September 2020, in dem Verfahren

Fastweb SpA,

Tim SpA,

Vodafone Italia SpA,

Wind Tre SpA

gegen

Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni,

Beteiligte:

Telecom Italia SpA,

Vodafone Italia SpA,

Associazione Movimento Consumatori,

U.Di.Con – Unione per la Difesa dei Consumatori,

Wind Tre SpA,

Assotelecomunicazioni (Asstel),

Eolo SpA,

Coordinamento delle associazioni per la tutela dell’ambiente e dei diritti degli utenti e consumatori (Codacons),

Associazione degli utenti per i diritti telefonici – A.U.S. TEL ONLUS,

Altroconsumo,

Federconsumatori,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), der Richter P. G. Xuereb, T. von Danwitz und A. Kumin sowie der Richterin I. Ziemele,

Generalanwalt: N. Emiliou,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der Fastweb SpA, vertreten durch F. Caliento, E. Cerchi, M. Contu, M. Merola und E. Pistis, Avvocati,

– der Tim SpA, vertreten durch F. Cardarelli, A. Catricalà, C. Cazzato und F. Lattanzi, Avvocati,

– der Vodafone Italia SpA, vertreten durch F. Cintioli und G. Lo Pinto, Avvocati,

– der Wind Tre SpA, vertreten durch A. Cassano, M. Clarich, I. Perego, G. M. Roberti und M. Serpone, Avvocati,

– der Associazione Movimento Consumatori, vertreten durch P. Fiorio und R. Viriglio, Avvocati,

– des Coordinamento delle associazioni per la tutela dell’ambiente e dei diritti degli utenti e consumatori (Codacons) und der Associazione degli utenti per i diritti telefonici – A.U.S. TEL ONLUS, vertreten durch G. Giuliano und C. Rienzi, Avvocati,

– der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Palmieri, Avvocato dello Stato, und M. Cherubini, Procuratore dello Stato,

– der französischen Regierung, vertreten durch C. Mosser, E. de Moustier und N. Vincent als Bevollmächtigte,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, L. Malferrari und A. Spina als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Dezember 2022

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 und 56 AEUV, der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 7), von Art. 3 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (Genehmigungsrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 21), von Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 33) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. 2009, L 337, S. 37) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenrichtlinie), der Art. 20 bis 22 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 51) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. 2009, L 337, S. 11) geänderten Fassung (im Folgenden: Universaldienstrichtlinie) sowie der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen vier in Italien tätigen Festnetz- und Mobilfunkbetreibern, nämlich der Fastweb SpA, der Tim SpA, der Vodafone Italia SpA sowie der Wind Tre SpA, auf der einen und der Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni (Aufsichtsbehörde für das Kommunikationswesen, Italien, im Folgenden: AGCOM) auf der anderen Seite wegen des Beschlusses dieser Behörde, mit dem ein Mindestzeitrahmen für die Verlängerung kommerzieller Angebote und für die Abrechnung von Festnetz- und Mobilfunkdiensten vorgeschrieben wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3 Der zum Zeitpunkt des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens geltende gemeinsame Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsdienste und elektronische Kommunikationsnetze sowie zugehörige Einrichtungen und Dienste (im Folgenden: gemeinsamer Rechtsrahmen) besteht aus der Rahmenrichtlinie sowie den sie begleitenden vier Einzelrichtlinien, zu denen u. a. die Zugangs‑, die Genehmigungs- und die Universaldienstrichtlinie gehören. Diese Richtlinien wurden durch die Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (ABl. 2018, L 321, S. 36) aufgehoben.

Zugangsrichtlinie

4 Art. 1 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie bestimmte:

„Auf der von der [Rahmenrichtlinie] geschaffenen Grundlage wird mit der vorliegenden Richtlinie die Regulierung des Zugangs zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung durch die Mitgliedstaaten harmonisiert. …“

Genehmigungsrichtlinie

5 Art. 1 Abs. 2 der Genehmigungsrichtlinie sah vor:

„Diese Richtlinie gilt für Genehmigungen, die für die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste erteilt werden.“

Rahmenrichtlinie

6 Der 16. Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie lautete:

„Die nationalen Regulierungsbehörden sollten einheitliche Ziele und Grundsätze verfolgen, um ihre Maßnahmen zu untermauern, und sie sollten bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben innerhalb dieses Recht[s]rahmens erforderlichenfalls ihre Maßnahmen mit den Regulierungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten abstimmen.“

7 Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmte:

„Mit dieser Richtlinie wird ein harmonisierter Rahmen für die Regulierung elektronischer Kommunikationsdienste, elektronischer Kommunikationsnetze, zugehöriger Einrichtungen und zugehöriger Dienste sowie bestimmter Aspekte der Endeinrichtungen zur Erleichterung des Zugangs behinderter Nutzer errichtet. Sie legt die Aufgaben der nationalen Regulierungsbehörden sowie eine Reihe von Verfahren fest, die die [unions]weit harmonisierte Anwendung des Rechtsrahmens gewährleisten.“

8 Art. 8 der Rahmenrichtlinie sah vor:

„(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die nationalen Regulierungsbehörden bei der Wahrnehmung der in dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien festgelegten regulatorischen Aufgaben alle angezeigten Maßnahmen treffen, die den in den Absätzen 2, 3 und 4 vorgegebenen Zielen dienen. Die Maßnahmen müssen in angemessenem Verhältnis zu diesen Zielen stehen.

(2) Die nationalen Regulierungsbehörden fördern den Wettbewerb bei der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste sowie zugehöriger Einrichtungen und Dienste, indem sie unter anderem

a) sicherstellen, dass für die Nutzer, einschließlich behinderter Nutzer, älterer Menschen und Personen mit besonderen sozialen Bedürfnissen, der größtmögliche Nutzen in Bezug auf Auswahl, Preise und Qualität erbracht wird;

(4) Die nationalen Regulierungsbehörden fördern die Interessen der Bürger der Europäischen Union, indem sie unter anderem

b) einen weit gehenden Verbraucherschutz in den Beziehungen zwischen Kunden und Anbietern gewährleisten, insbesondere durch einfache, kostengünstige Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten; diese Verfahren werden von einer von den Betroffenen unabhängigen Stelle durchgeführt;

d) für die Bereitstellung klarer Informationen sorgen, indem sie insbesondere transparente Tarife und Bedingungen für die Nutzung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste fordern;

(5) Die nationalen Regulierungsbehörden wenden bei der Verfolgung der in den Absätzen 2, 3 und 4 festgelegten politischen Ziele objektive, transparente, nicht diskriminierende und verhältnismäßige Regulierungsgrundsätze an, indem sie unter anderem

b) gewährleisten, dass Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste unter vergleichbaren Umständen keine diskriminierende Behandlung erfahren;

…“

Universaldienstrichtlinie

9 In Art. 20 der Universaldienstrichtlinie hieß es:

„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Verbraucher und andere Endnutzer, die dies verlangen, bei der Anmeldung zu Diensten, die die Verbindung mit einem öffentlichen Kommunikationsnetz und/oder öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdiensten bereitstellen, Anspruch auf einen Vertrag mit dem Unternehmen oder den Unternehmen haben, die derartige Dienste und/oder Verbindungen bereitstellen. In diesem Vertrag ist in klarer, umfassender und leicht zugänglicher Form mindestens Folgendes aufzuführen:

(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Teilnehmer das Recht haben, bei der Bekanntgabe von Änderungen der Vertragsbedingungen, die von den Unternehmen, die elektronische Kommunikationsnetze und/oder ‑dienste bereitstellen, vorgeschlagen werden, den Vertrag ohne Zahlung von Vertragsstrafen zu widerrufen. Den Teilnehmern...

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