Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger Reg. Gen. mbH (AKM) v Canal+ Luxembourg Sàrl.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2023:424
Date25 May 2023
Docket NumberC-290/21
Celex Number62021CJ0290
CourtCourt of Justice (European Union)
62021CJ0290

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

25. Mai 2023 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Geistiges Eigentum – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung – Richtlinie 93/83/EWG – Art. 1 Abs. 2 – Öffentliche Wiedergabe über Satellit – Begriff – Satellitenbouquet-Anbieter – Verbreitung von Programmen in einem anderen Mitgliedstaat – Ort der Verwertungshandlung, durch die der Anbieter an einer solchen Wiedergabe mitwirkt“

In der Rechtssache C‑290/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 20. April 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Mai 2021, in dem Verfahren

Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger regGenmbH (AKM)

gegen

Canal+ Luxembourg Sàrl,

Beteiligte:

Tele 5 TM-TV GmbH,

Österreichische Rundfunksender GmbH & Co KG,

Seven.One Entertainment Group GmbH,

ProSiebenSat.1 PULS 4 GmbH,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Ersten Kammer, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Ersten Kammer, des Richters P. G. Xuereb und der Richterin I. Ziemele (Berichterstatterin),

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: S. Beer, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Staatlich genehmigten Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger regGenmbH (AKM), vertreten durch Rechtsanwalt N. Kraft,

der Canal+ Luxembourg Sàrl, vertreten durch Rechtsanwalt A. Anderl,

der Seven.One Entertainment Group GmbH und der ProSiebenSat.1 PULS 4 GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt M. Boesch,

der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Samnadda und G. von Rintelen als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. September 2022

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a bis c der Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (ABl. 1993, L 248, S. 15) und von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Staatlich genehmigten Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger regGenmbH (AKM), einer österreichischen Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte, und der Canal+ Luxembourg Sàrl (im Folgenden: Canal+), einem Satellitenfernsehbetreiber, wegen der Ausstrahlung von Fernsehprogrammen in Österreich durch Canal+.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 93/83

3

Die Erwägungsgründe 5, 14, 15 und 17 der Richtlinie 93/83 lauten:

„(5)

Dennoch bestehen bei der grenzüberschreitenden Programmverbreitung über Satelliten gegenwärtig ebenso wie bei der Kabelweiterverbreitung von Programmen aus anderen Mitgliedstaaten noch eine Reihe unterschiedlicher nationaler Urheberrechtsvorschriften sowie gewisse Rechtsunsicherheiten. Dadurch sind die Rechtsinhaber der Gefahr ausgesetzt, dass ihre Werke ohne entsprechende Vergütung verwertet werden oder dass einzelne Inhaber ausschließlicher Rechte in verschiedenen Mitgliedstaaten die Verwertung ihrer Werke blockieren. Vor allem bildet die Rechtsunsicherheit ein unmittelbares Hindernis für den freien Verkehr der Programme innerhalb der Gemeinschaft.

(14)

Die die grenzüberschreitende Programmverbreitung über Satelliten behindernde Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die zu erwerbenden Rechte lässt sich beseitigen, indem die öffentliche Wiedergabe geschützter Werke über Satellit auf Gemeinschaftsebene definiert wird, wodurch gleichzeitig auch der Ort der öffentlichen Wiedergabe präzisiert wird. Eine solche Definition ist notwendig, um die kumulative Anwendung von mehreren nationalen Rechten auf einen einzigen Sendeakt zu verhindern. Eine öffentliche Wiedergabe über Satellit findet ausschließlich dann und in dem Mitgliedstaat statt, wo die programmtragenden Signale unter der Kontrolle und Verantwortung des Sendeunternehmens in eine nicht unterbrochene Übertragungskette über Satellit bis zur Rückkehr der Signale zur Erde eingebracht werden. Normale technische Verfahren betreffend die programmtragenden Signale dürfen nicht als Unterbrechung der Übertragungskette betrachtet werden.

(15)

Der vertragliche Erwerb ausschließlicher Senderechte muss dem Urheberrecht und dem Leistungsschutzrecht des Mitgliedstaats entsprechen, in dem die öffentliche Wiedergabe über Satellit erfolgt.

(17)

Bei der Vereinbarung der Vergütung für die erworbenen Rechte sollten die Beteiligten allen Aspekten der Sendung, wie der tatsächlichen und potentiellen Einschaltquote und der sprachlichen Fassung, Rechnung tragen.“

4

Art. 1 („Definitionen“) Abs. 2 Buchst. a bis c der Richtlinie 93/83 sieht vor:

„a)

Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet ‚öffentliche Wiedergabe über Satellit‘ die Handlung, mit der unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung die programmtragenden Signale, die für den öffentlichen Empfang bestimmt sind, in eine ununterbrochene Kommunikationskette, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt, eingegeben werden.

b)

Die öffentliche Wiedergabe über Satellit findet nur in dem Mitgliedstaat statt, in dem die programmtragenden Signale unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung in eine ununterbrochene Kommunikationskette eingegeben werden, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt.

c)

Sind die programmtragenden Signale kodiert, so liegt eine öffentliche Wiedergabe über Satellit unter der Voraussetzung vor, dass die Mittel zur Dekodierung der Sendung durch das Sendeunternehmen selbst oder mit seiner Zustimmung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.“

5

Art. 2 der Richtlinie 93/83 lautet:

„Gemäß den Bestimmungen dieses Kapitels sehen die Mitgliedstaaten für den Urheber das ausschließliche Recht vor, die öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken über Satellit zu erlauben.“

Richtlinie 2001/29

6

Art. 3 („Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken und Recht der öffentlichen Zugänglichmachung sonstiger Schutzgegenstände“) Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 lautet:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“

Österreichisches Recht

7

§ 17b Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes vom 9. April 1936 (BGBl. 111/1936) in der Fassung vom 27. Dezember 2018 (BGBl. I 105/2018) lautet:

„Im Fall der Rundfunksendung über Satellit liegt die dem Urheber vorbehaltene Verwertungshandlung in der unter der Kontrolle und Verantwortung des Rundfunkunternehmers vorgenommenen Eingabe der programmtragenden Signale in eine ununterbrochene Kommunikationskette, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt. Die Rundfunksendung über Satellit findet daher vorbehaltlich des Abs. 2 nur in dem Staat statt, in dem diese Eingabe vorgenommen wird.“

8

§ 59a dieses Gesetzes bestimmt:

„(1) Das Recht, Rundfunksendungen von Werken einschließlich solcher über Satellit zur gleichzeitigen, vollständigen und unveränderten Weitersendung mit Hilfe von Leitungen zu benutzen, kann nur von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden; dies gilt jedoch nicht für das Recht, Verletzungen des Urheberrechtes gerichtlich zu verfolgen.

(2) Rundfunksendungen dürfen zu einer Weitersendung im Sinne des Abs. 1 benutzt werden, wenn der weitersendende Rundfunkunternehmer die Bewilligung dazu von der zuständigen Verwertungsgesellschaft … erhalten hat. …

(3) Die Abs. 1 und 2 gelten jedoch nicht, soweit das Recht zur Weitersendung im Sinn des Abs. 1 dem Rundfunkunternehmer, dessen Sendung weitergesendet wird, zusteht.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

9

AKM verfügt für Werke der Tonkunst über eine Betriebsgenehmigung mit der Befugnis zur treuhändigen Wahrnehmung von Senderechten im österreichischen Hoheitsgebiet.

10

Canal+ mit Sitz in Luxemburg bietet gegen Entgelt in Österreich Pakete verschlüsselter Programme (im Folgenden: im Ausgangsverfahren in Rede stehende Satellitenbouquets) mehrerer in anderen Mitgliedstaaten ansässiger Sendeunternehmen über Satellit in hoher Auflösung (High Definition) und in Standardauflösung (Standard Definition) an.

11

Die Eingabe der jeweiligen programmtragenden Satellitensignale in die Kommunikationskette (Uplink) erfolgt zum überwiegenden Teil durch die Sendeunternehmen selbst, in wenigen Fällen durch Canal+, in den anderen Mitgliedstaaten. Versendet wird ein Sendestream, in dem das gesamte Programm in High‑Definition‑Qualität mit zusätzlichen Informationen wie Audiodaten oder Untertiteldaten enthalten ist. Nach „Rücksendung“ durch den Satelliten wird der Stream mittels Satelliten-Empfangsanlage innerhalb des...

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