Vodafone GmbH v Bundesrepublik Deutschland.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2021:675
Date02 September 2021
Docket NumberC-854/19
Celex Number62019CJ0854
CourtCourt of Justice (European Union)

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

2. September 2021(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Elektronische Kommunikation – Verordnung (EU) 2015/2120 – Art. 3 – Zugang zum offenen Internet – Art. 3 Abs. 1 – Rechte der Endnutzer – Art. 3 Abs. 2 – Verbot von Vereinbarungen oder einer Geschäftspraxis, die die Ausübung der Rechte der Endnutzer einschränken – Art. 3 Abs. 3 – Pflicht, den Verkehr gleich und ohne Diskriminierung zu behandeln – Möglichkeit, angemessene Verkehrsmanagementmaßnahmen anzuwenden – Zusätzliche Tarifoption zum sogenannten ‚Nulltarif‘ – Ausschluss des ‚Nulltarifs‘ bei Roaming“

In der Rechtssache C‑854/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Köln (Deutschland) mit Entscheidung vom 18. November 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 22. November 2019, in dem Verfahren

Vodafone GmbH

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen,


erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Wahl (Berichterstatter) sowie der Richter F. Biltgen und J. Passer,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der Vodafone GmbH, vertreten durch Rechtsanwältin D. Herrmann,

– der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, vertreten durch C. Mögelin und F. Still als Bevollmächtigte,

– der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und D. Klebs als Bevollmächtigte,

– der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und J. M. Hoogveld als Bevollmächtigte,

– der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch als Bevollmächtigten,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch T. Scharf, G. Braun und L. Nicolae als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 6a und 6b Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union (ABl. 2012, L 172, S. 10) in der durch die Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 (ABl. 2015, L 310, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Roamingverordnung) sowie von Art. 2 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2016/2286 der Kommission vom 15. Dezember 2016 zur Festlegung detaillierter Vorschriften über die Anwendung der Regelung der angemessenen Nutzung und über die Methode zur Prüfung der Tragfähigkeit der Abschaffung der Endkundenroamingaufschläge sowie über den von Roaminganbietern für diese Prüfung zu stellenden Antrag (ABl. 2016, L 344, S. 46, im Folgenden: Durchführungsverordnung).

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Vodafone GmbH und der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Deutschland) (im Folgenden: Bundesnetzagentur) wegen eines Bescheids, mit dem die Bundesnetzagentur Vodafone aufgab, einige ihrer Internetzugangsdienste einzustellen.

Rechtlicher Rahmen

3 In den Erwägungsgründen 6, 8 und 9 der Verordnung 2015/2120 heißt es:

„(6) Endnutzer sollten das Recht haben, über ihren Internetzugangsdienst ohne Diskriminierung Informationen und Inhalte abzurufen und zu verbreiten und Anwendungen und Dienste zu nutzen und bereitzustellen. …

(8) Bei der Bereitstellung der Internetzugangsdienste sollten Anbieter dieser Dienste den gesamten Datenverkehr ohne Diskriminierung, Beschränkung oder Störung, ungeachtet des Senders, des Empfängers, des Inhalts, der Anwendung, des Dienstes oder des Endgeräts, gleich behandeln. Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts und der ständigen Rechtsprechung sollten vergleichbare Situationen nicht unterschiedlich und unterschiedliche Situationen nicht gleich behandelt werden, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt.

(9) Ziel eines angemessenen Verkehrsmanagements ist es, zu einer effizienten Nutzung der Netzressourcen und zur Optimierung der Gesamtübermittlungsqualität entsprechend den objektiv unterschiedlichen Anforderungen an die technische Qualität der Dienste bei speziellen Verkehrskategorien und somit den übermittelten Inhalten, Anwendungen und Diensten beizutragen. Von den Internetzugangsanbietern angewandte angemessene Verkehrsmanagementmaßnahmen sollten transparent, nichtdiskriminierend und verhältnismäßig sein, und sie sollten nicht auf kommerziellen Erwägungen beruhen. Die Anforderung, dass Verkehrsmanagementmaßnahmen nicht diskriminierend sein dürfen, schließt nicht aus, dass die Internetzugangsanbieter zur Optimierung der Gesamtübermittlungsqualität Verkehrsmanagementmaßnahmen anwenden, bei denen zwischen objektiv verschiedenen Verkehrskategorien unterschieden wird. Um die Gesamtqualität und das Nutzererlebnis zu optimieren, sollte jede derartige Differenzierung nur auf der Grundlage objektiv verschiedener Anforderungen an die technische Qualität der Dienste (beispielsweise in Bezug auf Verzögerung, Verzögerungsschwankung, Paketverlust und Bandbreite) bei bestimmten Verkehrskategorien, nicht aber auf Grundlage kommerzieller Erwägungen zulässig sein. Derartige differenzierende Maßnahmen sollten in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Optimierung der Gesamtqualität stehen und gleichartigen Verkehr gleich behandeln. Derartige Maßnahmen sollten nicht länger als erforderlich beibehalten werden.“

4 Art. 1 („Gegenstand und Geltungsbereich“) der Verordnung 2015/2120 sieht in Abs. 1 vor:

„In dieser Verordnung werden gemeinsame Regeln zur Wahrung der gleichberechtigten und nichtdiskriminierenden Behandlung des Verkehrs bei der Bereitstellung von Internetzugangsdiensten und der damit verbundenen Rechte der Endnutzer festgelegt.“

5 Art. 3 („Gewährleistung des Zugangs zum offenen Internet“) der Verordnung 2015/2120 bestimmt in den Abs. 1 bis 3:

„(1) Endnutzer haben das Recht, über ihren Internetzugangsdienst, unabhängig vom Standort des Endnutzers oder des Anbieters und unabhängig von Standort, Ursprung oder Bestimmungsort der Informationen, Inhalte, Anwendungen oder Dienste, Informationen und Inhalte abzurufen und zu verbreiten, Anwendungen und Dienste zu nutzen und bereitzustellen und Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen.

(2) Vereinbarungen zwischen Anbietern von Internetzugangsdiensten und Endnutzern über die gewerblichen und technischen Bedingungen und die Merkmale von Internetzugangsdiensten wie Preis, Datenvolumina oder Geschwindigkeit sowie die Geschäftspraxis der Anbieter von Internetzugangsdiensten dürfen die Ausübung der Rechte der Endnutzer gemäß Absatz 1 nicht einschränken.

(3) Anbieter von Internetzugangsdiensten behandeln den gesamten Verkehr bei der Erbringung von Internetzugangsdiensten gleich, ohne Diskriminierung, Beschränkung oder Störung, sowie unabhängig von Sender und Empfänger, den abgerufenen...

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