Urteile nº T-261/94 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, February 07, 2002

Resolution DateFebruary 07, 2002
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-261/94

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

7. Februar 2002 (1) „Schadensersatzklage - Außervertragliche Haftung - Milch - Zusatzabgabe - Referenzmenge - Verordnung (EG) Nr. 2187/93 - Entschädigung der Erzeuger - Maßnahme der nationalen Behörden - Verjährung“

In der Rechtssache T-261/94

Bernhard Schulte, wohnhaft in Delbrück (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt R. Freise,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch A.-M. Colaert als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt M. Núñez Müller,

und

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Booß und M. Niejahr als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt M. Núñez Müller, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Ersatzes des Schadens gemäß den Artikeln 178 und 215 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 235 EG und 288 Absatz 2 EG), der dem Kläger angeblich dadurch entstanden ist, dass er aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 13) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 1371/84 der Kommission vom 16. Mai 1984 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68 (ABl. L 132, S. 11) ergänzten Fassung an der Vermarktung von Milch gehindert war,

erlässtDAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten P. Mengozzi sowie der Richterin V. Tiili und des Richters R. M. Moura Ramos,

Kanzler: D. Christensen, Verwaltungsrätin

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2001,

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

1.
Angesichts eines Überschusses bei der Milcherzeugung in der Gemeinschaft erließ der Rat 1977 die Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 vom 17. Mai 1977 zur Einführung einer Prämienregelung für die Nichtvermarktung von Milch und Milcherzeugnissen und die Umstellung der Milchkuhbestände (ABl. L 131, S. 1). Diese Verordnung bot den Erzeugern die Möglichkeit, gegen Erhalt einer Prämie für einen Zeitraum von fünf Jahren eine Verpflichtung zur Nichtvermarktung oder Umstellung der Bestände einzugehen.

2.
Obwohl viele Erzeuger solche Verpflichtungen eingingen, bestand die Überproduktion auch 1983 fort. Der Rat erließ daher die Verordnung (EWG) Nr. 856/84 vom 31. März 1984 (ABl. L 90, S. 10) zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 148, S. 13). Durch den neuen Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68 wurde eine „Zusatzabgabe“ auf die von den Erzeugern gelieferten Milchmengen eingeführt, die über eine „Referenzmenge“ hinausgingen.

3.
In der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 13) wurde für jeden Erzeuger auf der Grundlage der in einem Referenzjahr - dem Kalenderjahr 1981, wobei die Mitgliedstaaten die Möglichkeit hatten, stattdessen das Kalenderjahr 1982 oder das Kalenderjahr 1983 zu wählen - gelieferten Erzeugung die Referenzmenge festgesetzt. Die Bundesrepublik Deutschland wählte das Kalenderjahr 1983 als Referenzjahr.

4.
Die von einigen Erzeugern im Rahmen der Verordnung Nr. 1078/77 eingegangenen Nichtvermarktungsverpflichtungen galten auch während der gewählten Referenzjahre. Da diese Erzeuger während dieser Jahre keine Milch erzeugt hatten, konnten sie keine Referenzmenge erhalten und infolgedessen auch keine von der Zusatzabgabe freie Milchmenge vermarkten.

5.
Mit Urteilen vom 28. April 1988 in den Rechtssachen 120/86 (Mulder, Slg. 1988, 2321, im Folgenden: Urteil Mulder I) und 170/86 (von Deetzen, Slg. 1988, 2355) erklärte der Gerichtshof die Verordnung Nr. 857/84 in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 1371/84 der Kommission vom 16. Mai 1984 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68 (ABl. L 132, S. 11) ergänzten Fassung wegen Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes für ungültig.

6.
Um den genannten Urteilen nachzukommen, erließ der Rat die Verordnung (EWG) Nr. 764/89 vom 20. März 1989 zur Änderung der Verordnung Nr. 857/84 (ABl. L 84, S. 2). Der neue Artikel 3a der Verordnung Nr. 857/84 bestimmte im Kern, dass die Erzeuger, die in Erfüllung einer Verpflichtung nach der Verordnung Nr. 1078/77 im Referenzjahr keine Milch geliefert hatten, unter bestimmten Voraussetzungen eine spezifische Referenzmenge zugeteilt erhielten, die nach Maßgabe der vom Erzeuger in den zwölf Monaten vor der Einreichung des Antrags auf Gewährung der Nichtvermarktungs- oder Umstellungsprämie gelieferten Menge Milch oder der verkauften Menge Milchäquivalent berechnet wurde.

7.
Artikel 3a der Verordnung Nr. 857/84 in der geänderten Fassung machte die Zuteilung einer Referenzmenge von mehreren Voraussetzungen abhängig; u. a. wurde verlangt, dass die Erzeuger

„a) ... nicht ... ihren Milchbetrieb vor Ablauf des Nichtvermarktungs- oder Umstellungszeitraums vollständig abgetreten haben;

b) ... zur Stützung des Antrags nachweisen, dass sie in vollem Umfang die beantragte Referenzmenge in ihrem Betrieb erzeugen können;

...“

8.
Diese Bestimmung wurde ergänzt durch Artikel 7a der Verordnung (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission vom 3. Juni 1988 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (ABl. L 139, S. 12) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1033/89 der Kommission vom 20. April 1989 (ABl. L 110, S. 27). Dessen Absatz 1 bestimmt insbesondere:

„[I]m Falle der Vererbung oder erbähnlichen Übergabe des Betriebs wird die nach Artikel 3a der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 zugeteilte spezifische Referenzmenge ... übertragen, sofern der den Betrieb ganz oder teilweise übernehmende Erzeuger sich schriftlich zur Einhaltung der Verpflichtungen seines Vorgängers verpflichtet.“

9.
Der Gerichtshof legte mit Urteil vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-314/89 (Rauh, Slg. 1991, I-1647, Randnr. 23) Artikel 3a der Verordnung Nr. 857/84 in der geänderten Fassung dahin aus, dass „mit den dort genannten .Erzeugern' über die Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs hinaus, die selbst eine Verpflichtung nach der Verordnung Nr. 1078/77 eingegangen sind, auch diejenigen gemeint sind, die den Betrieb nach Ablauf der vom Betriebsinhaber eingegangenen Verpflichtung im Wege der Erbfolge oder in erbähnlicher Weise übernommen haben“.

10.
Weitere Voraussetzungen für die Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge, die sich insbesondere auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Nichtvermarktungsverpflichtung bezogen, wurden vom Gerichtshof mit Urteilen vom 11. Dezember 1990 in den Rechtssachen C-189/89 (Spagl, Slg. 1990, I-4539) und C-217/89 (Pastätter, Slg. 1990, I-4585) für ungültig erklärt.

11.
Im Anschluss an diese Urteile erließ der Rat die Verordnung (EWG) Nr. 1639/91 vom 13. Juni 1991 zur Änderung der Verordnung Nr. 857/84 (ABl. L 150, S. 35), mit der die für ungültig erklärten Voraussetzungen gestrichen wurden, damit den betroffenen Erzeugern eine spezifische Referenzmenge zugeteilt werden konnte.

12.
Mit Urteil vom 19. Mai 1992 in den Rechtssachen C-104/89 und C-37/90 (Mulder u. a./Rat und Kommission, Slg. 1992, I-3061, im Folgenden: Urteil Mulder II) entschied der Gerichtshof, dass die Gemeinschaft für die Schäden haftet, die bestimmte Milcherzeuger, die durch die Anwendung der Verordnung Nr. 857/84 an der Vermarktung von Milch gehindert waren, erlitten hatten, weil sie Verpflichtungen gemäß der Verordnung Nr. 1078/77 eingegangen waren.

13.
Im Anschluss an dieses Urteil veröffentlichten der Rat und die Kommission am 5. August 1992 die Mitteilung 92/C 198/04 (ABl. C 198, S. 4). Unter Hinweis auf die Auswirkungen des Urteils Mulder II und um dessen volle Wirksamkeit zu gewährleisten, brachten die Organe ihren Willen zum Ausdruck, die praktischen Modalitäten für die Entschädigung der betroffenen Erzeuger zu erlassen.

14.
Die Organe verpflichteten sich, bis zum Erlass dieser Modalitäten gegenüber allen entschädigungsberechtigten Erzeugern von der Geltendmachung der Verjährung aufgrund des Artikels 43 der EWG-Satzung des Gerichtshofes abzusehen. Die Verpflichtung wurde jedoch davon abhängig gemacht, dass der Entschädigungsanspruch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Mitteilung oder zu dem Zeitpunkt, zu dem sich der Erzeuger an eines der Organe gewandt hat, noch nicht verjährt war.

15.
Später erließ der Rat die Verordnung (EWG) Nr. 2187/93 vom 22. Juli 1993 über das Angebot einer Entschädigung an bestimmte Erzeuger von Milch oder...

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