Urteile nº T-527/14 of Tribunal General de la Unión Europea, July 13, 2017

Resolution DateJuly 13, 2017
Issuing OrganizationTribunal General de la Unión Europea
Decision NumberT-527/14

In der Rechtssache T-527/14

Paul Rosenich, wohnhaft in Triesenberg (Liechtenstein), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. von Mühlendahl und C. Eckhartt,

Kläger,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), Prozessbevollmächtigte: zunächst G. Schneider, dann D. Walicka als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 29. April 2014 (Sache R 2063/2012-4) wegen der Ablehnung des EUIPO, den Kläger in die Liste der zugelassenen Vertreter gemäf‌l Art. 93 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) einzutragen,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Dittrich, des Richters J. Schwarcz (Berichterstatter) und der Richterin V. Tomljenović,

Kanzler: A. Lamote, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 15. Juli 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 19. Dezember 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der am 10. März 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderung,

aufgrund der am 11. Mai 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Gegenerwiderung,

auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2016

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

EWR-Abkommen

1 Art. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), das in Liechtenstein am 1. Mai 1995 durch den Beschluss des EWR-Rates Nr. 1/95 vom 10. März 1995 über das Inkrafttreten des [EWR-Abkommens] für das Fürstentum Liechtenstein (ABl. 1995, L 86, S. 58) in Kraft getreten ist, bestimmt:

„Ziel dieses Assoziierungsabkommens ist es, eine beständige und ausgewogene Stärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien unter gleichen Wettbewerbsbedingungen und die Einhaltung gleicher Regeln zu fördern, um einen homogenen Europäischen Wirtschaftsraum, nachstehend EWR genannt, zu schaffen.“

2 In Art. 2 des EWR-Abkommens heif‌lt es:

„Im Sinne dieses Abkommens bedeutet

  1. ‚Abkommen‘: das Hauptabkommen, die Protokolle und Anhänge dazu sowie die Rechtsakte, auf die darin verwiesen wird,

    …“

    3 Hinsichtlich der Auslegung des EWR-Abkommens sieht dessen Art. 6 folgendes Homogenitätsgebot vor:

    „Unbeschadet der künftigen Entwicklungen der Rechtsprechung werden die Bestimmungen dieses Abkommens, soweit sie mit den entsprechenden Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl sowie der aufgrund dieser beiden Verträge erlassenen Rechtsakte in ihrem wesentlichen Gehalt identisch sind, bei ihrer Durchführung und Anwendung im Einklang mit den einschlägigen Entscheidungen ausgelegt, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens erlassen hat.“

    4 In Art.7 des EWR-Abkommens heif‌lt es:

    „Rechtsakte, auf die in den Anhängen zu diesem Abkommen oder in den Entscheidungen des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Bezug genommen wird oder die darin enthalten sind, sind für die Vertragsparteien verbindlich und Teil des innerstaatlichen Rechts oder in innerstaatliches Recht umzusetzen, und zwar wie folgt:

  2. Ein Rechtsakt, der einer EWG-Verordnung entspricht, wird als solcher in das innerstaatliche Recht der Vertragsparteien übernommen. …“

    5 Art. 36 Abs. 1 des EWR-Abkommens, in dem es um den freien Dienstleistungsverkehr geht, bestimmt:

    „Im Rahmen dieses Abkommens unterliegt der freie Dienstleistungsverkehr im Gebiet der Vertragsparteien für Angehörige der [Mitgliedstaaten der Europäischen Union] und der [Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation], die in einem anderen E[U]-Mitgliedstaat beziehungsweise einem anderen EFTA-Staat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, keinen Beschränkungen.“

    6 Art. 65 Abs. 2 des EWR-Abkommens lautet:

    „Die besonderen Bestimmungen und besonderen Regelungen über das geistige Eigentum und den gewerblichen Rechtsschutz sind in Protokoll 28 und in Anhang XVII enthalten und gelten, sofern nichts anderes bestimmt ist, für alle Waren und Dienstleistungen.“

    7 Im Protokoll 1 („über horizontale Anpassungen“) zum EWR-Abkommen heif‌lt es:

    „Die Bestimmungen der Rechtsakte, auf die in den Anhängen zu diesem Abkommen Bezug genommen wird, sind nach Maf‌lgabe des Abkommens und dieses Protokolls anzuwenden, sofern in dem jeweiligen Anhang nichts anderes bestimmt ist. Die für einzelne Rechtsakte erforderlichen besonderen Anpassungen sind in dem Anhang niedergelegt, in dem der betreffende Rechtsakt aufgeführt ist.

    8. Bezugnahmen auf Gebiete

    Enthalten die Rechtsakte, auf die Bezug genommen wird, Bezugnahmen auf das Gebiet der ,Gemeinschaft‘ oder auf den ,Gemeinsamen Markt‘, so gelten diese Bezugnahmen im Sinne des Abkommens als Bezugnahmen auf die Hoheitsgebiete der Vertragsparteien im Sinne des Artikels 126 des Abkommens.“

    8 Nach Anhang XVII zum EWR-Abkommen findet das Protokoll 1 über horizontale Anpassungen Anwendung, soweit in diesem Anhang nichts anderes bestimmt ist, falls die Rechtsakte, auf die in diesem Anhang Bezug genommen wird, Begriffe enthalten oder sich auf Verfahren beziehen, die für die Rechtsordnung der Europäischen Union charakteristisch sind. Der Anhang nennt die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) nicht und hat ebenso wenig jemals die Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) genannt, die durch die Verordnung Nr. 207/2009 aufgehoben und ersetzt wurde.

    Verordnung Nr. 207/2009

    9 Art. 93 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 207/2009 sah im hier fraglichen Zeitraum vor:

    „(1) Die Vertretung natürlicher oder juristischer Personen vor dem Amt kann nur wahrgenommen werden

  3. durch zugelassene Vertreter, die in einer beim Amt geführten Liste eingetragen sind. …

    (2) In die Liste der zugelassenen Vertreter kann jede natürliche Person eingetragen werden, die folgende Voraussetzungen erfüllt:

  4. Sie muss die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen;

  5. sie muss ihren Geschäftssitz oder Arbeitsplatz in der Gemeinschaft haben;

  6. sie muss befugt sein, natürliche oder juristische Personen auf dem Gebiet des Markenwesens vor der Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz eines Mitgliedstaats zu vertreten. …

    (3) Die Eintragung erfolgt auf Antrag, dem eine Bescheinigung der Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz des betreffenden Mitgliedstaats beizufügen ist, aus der sich die Erfüllung der in Absatz 2 genannten Voraussetzungen ergibt.“

    10 Art. 93 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 erhielt durch Art. 1 Nr. 87 der Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Änderung der Verordnung Nr. 207/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2869/95 der Kommission über die an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) zu entrichtenden Gebühren (ABl. 2015, L 341, S. 21) folgende Fassung, die nunmehr auf das Gebiet des EWR Bezug nimmt:

    „In die Liste der zugelassenen Vertreter kann jede natürliche Person eingetragen werden, die folgende Voraussetzungen erfüllt:

  7. Sie besitzt die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats des [EWR];

  8. sie hat ihren Geschäftssitz oder Arbeitsplatz im [EWR];

  9. sie ist befugt, natürliche oder juristische Personen auf dem Gebiet des Markenwesens vor dem Benelux-Amt für geistiges Eigentum oder vor der Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz eines Mitgliedstaats des [EWR] zu vertreten. …“

    11 Gemäf‌l Art. 4 der Verordnung 2015/2424 traten diese Änderungen am 23. März 2016 in Kraft.

    Sachverhalt

    12 Der Kläger, Herr Paul Rosenich, der die österreichische Staatsangehörigkeit besitzt, ist zur Vertretung vor dem Österreichischen Patentamt befugt und betreibt ein Patentbüro mit Geschäftssitz in Liechtenstein.

    13 Am 17. Januar 2011 beantragte er, gemäf‌l Art. 93 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 in die Liste der beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) zugelassenen Vertreter eingetragen zu werden.

    14 Mit Entscheidung vom 7. September 2012 lehnte der Direktor der Hauptabteilung „Unterstützung des Kerngeschäfts“ des EUIPO in seiner Eigenschaft als Mitglied der Marken- und Musterverwaltungs- und Rechtsabteilung diesen Antrag mit der Begründung ab, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzung eines Geschäftssitzes in der Union gemäf‌l Art. 93 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009.

    15 Am 7. November 2012 legte der Kläger gegen diese Entscheidung Beschwerde ein.

    16 Mit Entscheidung vom 29. April 2014 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer die Beschwerde zurück.

    17 Zur Begründung führte sie erstens aus, die These des Klägers, dass nach Art. 93 der Verordnung Nr. 207/2009 jeder, der einen Mandanten vor einem nationalen Amt vertreten dürfe, dies automatisch auch vor dem EUIPO dürfe, sei unzutreffend. Vielmehr biete die Vertretungsbefugnis vor einem nationalen Amt den Anknüpfungspunkt dafür, welche der Regelungen des Art. 93 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 Anwendung finde.

    18 Zweitens meinte die Beschwerdekammer, dass die Auffassung, wonach die geografische Bezugnahme auf die Union durch die geografische Bezugnahme auf einen Mitgliedstaat des EWR ersetzt werden müsse, im EWR-Abkommen selbst keine Stütze finde, weil die Verordnung Nr. 207/2009 nicht in dessen Anhang XVII genannt sei, womit auch das Protokoll 1 zum EWR-Abkommen über horizontale Anpassungen nicht auf die Verordnung anwendbar gewesen sei. In Anhang XVII sei zwar auf die Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25) Bezug genommen worden, doch nur insoweit, als für die Zwecke des...

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