Beschlüsse nº T-19/20 of Tribunal General de la Unión Europea, February 12, 2021

Resolution DateFebruary 12, 2021
Issuing OrganizationTribunal General de la Unión Europea
Decision NumberT-19/20

„Nichtigkeitsklage - Unionsmarke - Nichtigkeitsverfahren - Unionsbildmarke I love - Absolutes Eintragungshindernis - Fehlende Unterscheidungskraft - Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung [EU] 2017/1001) - Marke, die aus einem Werbeslogan besteht - Begründungspflicht - Art. 94 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 - Unanwendbarkeit von Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Delegierten Verordnung (EU) 2018/625 - Zulässigkeit von Beweismitteln - Art. 97 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 - Unbefangenheit - Art. 95 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 - Klage, der offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt“

In der Rechtssache T-19/20,

sprd.net AG mit Sitz in Leipzig (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Hellenbrand,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch S. Hanne als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Shirtlabor GmbH mit Sitz in Münster (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt O. Wallscheid,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des EUIPO vom 18. Oktober 2019 (Sache R 5/2019-5) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Shirtlabor und sprd.net

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. J. Costeira (Berichterstatterin), der Richterin M. Kancheva und des Richters B. Berke,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 13. Januar 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 2. April 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 27. März 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin

folgenden

Beschluss

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Am 20. Mai 2011 meldete die Klägerin, die sprd.net AG, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2 Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes Bildzeichen, für das die Farben Schwarz und Rot beansprucht wurden:

Image not found

3 Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 18, 21 und 25 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

- Klasse 18: „Leder und Lederimitationen, Taschen, Regenschirme“;

- Klasse 21: „Glaswaren, Porzellan, Steingut“;

- Klasse 25: „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Windeln aus textilem Material; Mützenschirme; Babywindeln aus Stoff; Absätze [für Schuhe]; Einlegesohlen; Kleidertaschen [vorgefertigt]; Kleidereinlagen [konfektioniert]; Hemdplastrons; Hemdeinsätze; Gleitschutz für Schuhe; Schuhsohlen; Kappenschirme“.

4 Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 1/2012 vom 2. Januar 2012 veröffentlicht. Die Marke wurde am 12. April 2012 unter der Nr. 10023067 für die oben in Rn. 3 genannten Waren als Unionsmarke eingetragen.

5 Am 2. September 2016 reichte die Streithelferin, die Shirtlabor GmbH, beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung dieser Marke für alle Waren ein, für die sie eingetragen worden war. Dieser Antrag wurde auf die Nichtigkeitsgründe des Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 59 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001) in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und d der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und d der Verordnung 2017/1001) und des Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 59 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) gestützt.

6 Mit Entscheidung vom 22. November 2018 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Antrag auf Nichtigerklärung statt und erklärte die angegriffene Marke für alle oben in Rn. 3 genannten Waren für nichtig.

7 Am 2. Januar 2019 legte die Klägerin beim EUIPO gemäfl den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein.

8 Mit Entscheidung vom 18. Oktober 2019 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück und bestätigte die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung.

9 Erstens nahm die Beschwerdekammer an, dass das maflgebliche Publikum in Anbetracht der Art der in Rede stehenden Waren aus dem allgemeinen Publikum und einem Fachpublikum bestehe. Desgleichen ging sie davon aus, dass der Aufmerksamkeitsgrad dieses Publikums von durchschnittlich bis überdurchschnittlich reiche. Schliefllich nahm sie an, dass das maflgebliche Publikum in Anbetracht der für alle Verbraucher in der Europäischen Union klaren Bedeutung der angegriffenen Marke das Publikum in der Union sei.

10 Zweitens stellte die Beschwerdekammer fest, die von der Streithelferin zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung vorgelegten Beweismittel zeigten, dass zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke das Zeichen „Image not found“, mit dem der Ausdruck „ich liebe“ bezeichnet werde, international massiv in verschiedensten Formeln und Kombinationen benutzt werde. Demgemäfl sei Originalität oder augenfällige Prägnanz, die die von der Klägerin behauptete Unterscheidungskraft begründen solle, nicht gegeben, da der Markt mit der angegriffenen Marke vertraut sei.

11 Drittens führte die Beschwerdekammer aus, die angegriffene Marke, deren Sinn so offensichtlich, eindeutig und unmittelbar sei, dass der Verbraucher ihn ohne weiteres Nachdenken sofort verstehe, werde vom maflgeblichen Publikum ausschliefllich als Werbehinweis auf die besondere Eignung der in Rede stehenden Waren als Vermittler positiver Gefühle wahrgenommen. Die angegriffene Marke weise folglich keine Elemente auf, die sie unterscheidungskräftig machen könnten.

12 Viertens war die Beschwerdekammer der Auffassung, die von der Klägerin gerügte Willkürlichkeit der Nichtigerklärung der angegriffenen Marke könne im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Die Voreintragungen, auf die sich die Klägerin berufe, seien mit der angegriffenen Marke nicht vergleichbar. Zum einen sei die unter der Nr. 007172083 eingetragene Marke, die aus der Wendung „I love“ gefolgt von drei Punkten und drei Herzen bestehe, komplexer und daher anders zu beurteilen als das angefochtene Zeichen. Zum anderen werde das Zeichen „J’adore“ anders aufgefasst als das Zeichen „Image not found“. Das Publikum sei einer intensiven Benutzung der Kombination „Image not found“ als Bekundung einer Zuneigung ausgesetzt und daher sehr vertraut mit diesem Symbol, während das Zeichen „J’adore“ nur von den der französischen Sprache mächtigen Verbrauchern verstanden werde und dem Publikum als Marke bekannt sei.

Anträge der Parteien

13 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

- dem EUIPO die Kosten des Verfahrens vor dem Gericht sowie der Verfahren vor dem EUIPO aufzuerlegen.

14 Das EUIPO beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- die Klägerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

15 Die Streithelferin beantragt, die Klage abzuweisen.

Rechtliche Würdigung

16 Nach Art. 126 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn eine Klage offensichtlich unzulässig ist oder ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt, auf Vorschlag des Berichterstatters jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen.

17 Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht auf der Grundlage des Akteninhalts für ausreichend unterrichtet und beschlieflt in Anwendung von Art. 126 der Verfahrensordnung, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

Zur Bestimmung der zeitlich anwendbaren Verordnung

18 In Anbetracht des Zeitpunkts der Anmeldung der angegriffenen Marke, d. h. dem 20. Mai 2011, der für die Bestimmung des anwendbaren materiellen Rechts maflgeblich ist, sind auf den Sachverhalt des vorliegenden Falles die materiell-rechtlichen Vorschriften der Verordnung Nr. 207/2009 anwendbar (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 5. Oktober 2004, Alcon/HABM, C-192/03 P, EU:C:2004:587, Rn. 39 und 40, und Urteil vom 23. April 2020, Gugler France/Gugler und EUIPO, C-736/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:308, Rn. 3 und die dort angeführte Rechtsprechung). Des Weiteren ist nach ständiger Rechtsprechung bei Verfahrensvorschriften im Allgemeinen davon auszugehen, dass sie ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens Anwendung finden (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, C-610/10, EU:C:2012:781, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19 Folglich sind im vorliegenden Fall zum einen hinsichtlich der materiell-rechtlichen Vorschriften die Verweise der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung und der Klägerin in ihren Schriftsätzen auf die Bestimmungen der Verordnung 2017/1001 als Bezugnahmen auf die inhaltsgleichen Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009 zu verstehen. Zum anderen ist hinsichtlich der Verfahrensvorschriften festzustellen, dass die am 2. Januar 2019 eingelegte Beschwerde vor der Beschwerdekammer unter die am 1. Oktober 2017 in Kraft getretenen Bestimmungen der Verordnung 2017/1001 fällt.

Zur Begründetheit

20 Die Klägerin stützt ihre Klage auf sechs Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstofl gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gerügt. Mit dem zweiten Klagegrund wird ein Verstofl gegen Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Delegierten Verordnung (EU) 2018/625 der Kommission vom 5. März 2018 zur Ergänzung der Verordnung 2017/1001 und zur Aufhebung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/1430 (ABl. 2018, L 104, S. 1) gerügt. Mit dem dritten Klagegrund wird ein Verstofl gegen Art. 94 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 gerügt. Mit dem vierten Klagegrund wird ein Verstofl gegen Art. 97 Abs. 1 der...

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