Fondul Proprietatea SA contra Guvernul României y otros.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2022:58
Docket NumberC-179/20
Date27 January 2022
Celex Number62020CJ0179
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

27. Januar 2022(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Elektrizitätsbinnenmarkt – Richtlinie 2009/72/EG – Art. 15 Abs. 4 – Vorrangige Inanspruchnahme – Versorgungssicherheit – Art. 32 Abs. 1 – Freier Zugang Dritter – Garantierter Zugang zu den Übertragungsnetzen – Richtlinie 2009/28/EG – Art. 16 Abs. 2 – Garantierter Zugang – Art. 107 Abs. 1 AEUV – Art. 108 Abs. 3 AEUV – Staatliche Beihilfen“

In der Rechtssache C‑179/20

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien) mit Entscheidung vom 3. März 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 7. April 2020, in dem Verfahren

Fondul Proprietatea SA

gegen

Guvernul României,

SC Complexul Energetic Hunedoara SA, in Liquidation,

SC Complexul Energetic Oltenia SA,

Compania Naţională de Transport al Energiei Electrice „Transelectrica“ SA,

Beteiligter:

Ministerul Economiei, Energiei şi Mediului de Afaceri,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Fünften Kammer, des Präsidenten der Vierten Kammer C. Lycourgos sowie der Richter I. Jarukaitis (Berichterstatter) und M. Ilešič,

Generalanwalt: P. Pikamäe,

Kanzler: R. Șereș, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juni 2021,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der Fondul Proprietatea SA, vertreten durch C. Dontu, D. Petrache und J. Anghel, avocaţi,

– der SC Complexul Energetic Oltenia SA, vertreten durch D. Burlan, V. Bobei, V. Boca und L. Diaconu Pintea,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch O. Beynet, L. Nicolae, A. Bouchagiar und K.‑Ph. Wojcik als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. September 2021

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 107 Abs. 1 und Art. 108 Abs. 3 AEUV sowie von Art. 15 Abs. 4 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. 2009, L 211, S. 55).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Fondul Proprietatea SA auf der einen Seite und dem Guvernul României (rumänische Regierung), der SC Complexul Energetic Hunedoara SA, in Liquidation (im Folgenden: CE Hunedoara), vertreten durch ihre Insolvenzverwalterin Expert Insolvență SPRL, der SC Complexul Energetic Oltenia SA (im Folgenden: CE Oltenia) sowie der Compania Naţională de Transport al Energiei Electrice „Transelectrica“ SA (nationales Unternehmen für den Transport elektrischer Energie) (im Folgenden: Transelectrica) auf der anderen Seite über eine Klage auf Nichtigerklärung eines Erlasses der rumänischen Regierung, mit dem Maßnahmen für die Sicherheit der Stromversorgung erlassen wurden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2005/89/EG

3 Der fünfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/89/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Januar 2006 über Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Elektrizitätsversorgung und von Infrastrukturinvestitionen (ABl. 2006, L 33, S. 22) lautete:

„Sofern es aus technischen Gründen erforderlich ist, ist bei der Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energiequellen sicherzustellen, dass die damit verbundene Reservekapazität zur Erhaltung der Zuverlässigkeit und Sicherheit des Netzes zur Verfügung steht.“

Richtlinie 2009/28/EG

4 Im 60. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG (ABl. 2009, L 140, S. 16) hieß es:

„Der vorrangige Netzzugang und der garantierte Netzzugang für Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen sind wichtig, um erneuerbare Energiequellen in Einklang mit Artikel 11 Absatz 2 und in Fortentwicklung von Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 2003/54/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (ABl. 2003, L 176, S. 37)] in den Elektrizitätsbinnenmarkt zu integrieren. Die hinsichtlich der Wahrung der Zuverlässigkeit und der Sicherheit des Netzes und hinsichtlich der Einspeisung zu erfüllenden Anforderungen können je nach den Merkmalen des nationalen Netzes und seines sicheren Betriebs unterschiedlich sein. Der vorrangige Netzzugang gewährleistet, dass angeschlossene Erzeuger von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen in der Lage sind, die Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen nach den Netzanschlussregeln jederzeit, wann immer die Energiequelle verfügbar ist, zu verkaufen und zu übertragen. Falls die Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen in den Spotmarkt integriert ist, gewährleistet der garantierte Netzzugang, dass die gesamte verkaufte und geförderte Elektrizität Zugang zum Netz erhält, wodurch an das Netz angeschlossene Anlagen eine Höchstmenge an Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen verwenden können. …“

5 Art. 16 („Netzzugang und Betrieb“) dieser Richtlinie sah in Abs. 2 vor:

„Vorbehaltlich der zur Wahrung der Zuverlässigkeit und der Sicherheit des Netzes zu erfüllenden Anforderungen, auf der Grundlage transparenter und nichtdiskriminierender Kriterien, die von den zuständigen nationalen Behörden festgelegt werden,

b) sehen die Mitgliedstaaten außerdem entweder einen vorrangigen Netzzugang oder einen garantierten Netzzugang für Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen vor; …“

Richtlinie 2009/72

6 In den Erwägungsgründen 3 und 5 der Richtlinie 2009/72 hieß es:

„(3) Die Freiheiten, die der Vertrag den Bürgern der Union garantiert – unter anderem der freie Warenverkehr, die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr, sind nur in einem vollständig geöffneten Markt erreichbar, der allen Verbrauchern die freie Wahl ihrer Lieferanten und allen Anbietern die freie Belieferung ihrer Kunden gestattet.

(5) Eine gesicherte Stromversorgung ist für das Entstehen einer europäischen Gesellschaft, die Umsetzung einer nachhaltigen Strategie zur Bekämpfung des Klimawandels und die Förderung des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt von entscheidender Bedeutung. Aus diesem Grund sollten grenzüberschreitende Verbindungsleitungen weiter ausgebaut werden, damit den Verbrauchern und der Wirtschaft in der [Europäischen Union] alle Energieträger zum wettbewerbsfähigsten Preis bereitgestellt werden können.“

7 Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) dieser Richtlinie sah vor:

„Mit dieser Richtlinie werden gemeinsame Vorschriften für die Elektrizitätserzeugung, ‑übertragung, ‑verteilung und ‑versorgung sowie Vorschriften im Bereich des Verbraucherschutzes erlassen, um in der [Union] für die Verbesserung und Integration von durch Wettbewerb geprägte Strommärkte zu sorgen. …“

8 In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Richtlinie hieß es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

3. ‚Übertragung‘ den Transport von Elektrizität über ein Höchstspannungs- und Hochspannungsverbundnetz zum Zwecke der Belieferung von Endkunden oder Verteilern, jedoch mit Ausnahme der Versorgung;

4. ‚Übertragungsnetzbetreiber‘ eine natürliche oder juristische Person, die verantwortlich ist für den Betrieb, die Wartung sowie erforderlichenfalls den Ausbau des Übertragungsnetzes in einem bestimmten Gebiet und gegebenenfalls der Verbindungsleitungen zu anderen Netzen sowie für die Sicherstellung der langfristigen Fähigkeit des Netzes, eine angemessene Nachfrage nach Übertragung von Elektrizität zu decken;

16. ‚wirtschaftlicher Vorrang‘ die Rangfolge der Elektrizitätsversorgungsquellen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten;

17. ‚Hilfsdienst‘ einen zum Betrieb eines Übertragungs- oder Verteilernetzes erforderlicher Dienst“.

9 Art. 3 („Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen und Schutz der Kunden“) Abs. 14 dieser Richtlinie bestimmte:

„Die Mitgliedstaaten können beschließen, die Artikel 7, 8, 32 und/oder 34 nicht anzuwenden, soweit ihre Anwendung die Erfüllung der den Elektrizitätsunternehmen übertragenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen de jure oder de facto verhindern würde und soweit die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt wird, das den Interessen der [Union] zuwiderläuft. Im Interesse der [Union] liegt unter anderem der Wettbewerb um zugelassene Kunden in Übereinstimmung mit dieser Richtlinie und Artikel 106 des [AEU‑]Vertrags.“

10 Art. 15 („Inanspruchnahme und Ausgleich von Kapazitäten“) Abs. 1 bis 4 der Richtlinie 2009/72 lautete:

„(1) Unbeschadet der Elektrizitätslieferung aufgrund vertraglicher Verpflichtungen einschließlich der Verpflichtungen aus den Ausschreibungsbedingungen ist der Betreiber des Übertragungsnetzes verantwortlich für die Inanspruchnahme der Erzeugungsanlagen in seinem Gebiet und für die Nutzung der Verbindungsleitungen mit den anderen Netzen, soweit er diese Funktion hat.

(2) Die Einspeisung aus den Erzeugungsanlagen und die Nutzung der Verbindungsleitungen erfolgen auf der Grundlage von Kriterien, die die nationalen Regulierungsbehörden, sofern sie dazu befugt sind, genehmigen, die objektiv und veröffentlicht sein sowie auf nichtdiskriminierende Weise angewandt werden müssen, damit ein einwandfreies Funktionieren des Elektrizitätsbinnenmarkts gewährleistet wird. Bei den Kriterien werden der wirtschaftliche Vorrang von Elektrizität aus verfügbaren Erzeugungsanlagen oder aus dem Transfer aus Verbindungsleitungen sowie die sich für das Netz ergebenden technischen Beschränkungen berücksichtigt.

(3) Ein Mitgliedstaat verpflichtet die Netzbetreiber dazu, dass sie bei der Inanspruchnahme von Erzeugungsanlagen auf der Grundlage...

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