ITH Comercial Timişoara SRL contra Agenţia Naţională de Administrare Fiscală - Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Bucureşti y Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Bucureşti – Administraţia Sector 1 a Finanţelor Publice.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2020:919
Date12 November 2020
Docket NumberC-734/19
Celex Number62019CJ0734
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

12. November 2020(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Richtlinie 2006/112/EG – Vorsteuerabzug – Aufgabe der ursprünglich geplanten Tätigkeit – Berichtigung des Vorsteuerabzugs – Immobilientätigkeit“

In der Rechtssache C‑734/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunalul București (Landgericht Bukarest, Rumänien) mit Entscheidung vom 27. September 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Oktober 2019, in dem Verfahren

ITH Comercial Timişoara SRL

gegen

Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Bucureşti,

Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Bucureşti – Administraţia Sector 1 a Finanţelor Publice

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Wahl, des Richters F. Biltgen (Berichterstatter) und der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane und A. Rotăreanu als Bevollmächtigte,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und A. Armenia als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 28, 167, 168, 184 und 185 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der ITH Comercial Timișoara SRL (im Folgenden: ITH) auf der einen und der Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcția Generală Regională a Finanțelor Publice București (Staatliche Steuerverwaltungsagentur – Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Bukarest, Rumänien) sowie der Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcția Generală Regională a Finanțelor Publice București – Administrația Sector 1 a Finanțelor Publice (Staatliche Steuerverwaltungsagentur – Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Bukarest – Amt für öffentliche Finanzen Sektor 1, Rumänien) auf der anderen Seite wegen des Vorsteuerabzugs für Ausgaben im Zusammenhang mit letztlich aufgegebenen Immobilienprojekten.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3 Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.

Als ,wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“

4 Art. 28 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, werden behandelt, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten.“

5 Art. 63 der Mehrwertsteuerrichtlinie hat folgenden Wortlaut:

„Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.“

6 Art. 167 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.“

7 Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;

b) die Mehrwertsteuer, die für Umsätze geschuldet wird, die der Lieferung von Gegenständen beziehungsweise dem Erbringen von Dienstleistungen gemäß Artikel 18 Buchstabe a sowie Artikel 27 gleichgestellt sind;

c) die Mehrwertsteuer, die für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i geschuldet wird;

d) die Mehrwertsteuer, die für dem innergemeinschaftlichen Erwerb gleichgestellte Umsätze gemäß den Artikeln 21 und 22 geschuldet wird;

e) die Mehrwertsteuer, die für die Einfuhr von Gegenständen in diesem Mitgliedstaat geschuldet wird oder entrichtet worden ist.“

8 Art. 184 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird berichtigt, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war.“

9 Art. 185 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„(1) Die Berichtigung erfolgt insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, zum Beispiel bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten.

(2) Abweichend von Absatz 1 unterbleibt die Berichtigung bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung geleistet wurde, in ordnungsgemäß nachgewiesenen oder belegten Fällen von Zerstörung, Verlust oder Diebstahl sowie bei Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und Warenmuster im Sinne des Artikels 16.

Bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung erfolgt, und bei Diebstahl können die Mitgliedstaaten jedoch eine Berichtigung verlangen.“

Rumänisches Recht

Steuergesetzbuch

10 Nach Art. 1251 Abs. 1 Nr. 28 der Legea nr. 571/2003 privind codul fiscal (Gesetz Nr. 571/2003 über das Steuergesetzbuch, im Folgenden: Steuergesetzbuch) ist die vereinnahmte Steuer „die Steuer auf steuerpflichtige Lieferungen von Gegenständen und/oder Dienstleistungen, die von einem Steuerpflichtigen bewirkt werden, sowie die Steuer auf Umsätze, für die der Empfänger die Steuer gemäß den Art. 150 bis 1511 zu entrichten hat“.

11 Art. 126 des Steuergesetzbuchs sieht vor:

„(1) Für steuerliche Zwecke sind steuerbare Umsätze in Rumänien Umsätze, die kumulativ die nachfolgenden Voraussetzungen erfüllen:

a) die Umsätze stellen im Sinne der Art. 128 bis 130 steuerlich eine Lieferung von Gegenständen oder eine Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt dar oder sind ihnen gleichgestellt;

b) der Ort der Lieferung der Gegenstände oder der Erbringung der Dienstleistungen gilt gemäß den Art. 132 und 133 als in Rumänien gelegen;

c) die Lieferung der Gegenstände oder die Erbringung der Dienstleistungen erfolgt durch einen Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 127 Abs. 1, der als solcher handelt;

d) die Lieferung der Gegenstände oder die Erbringung der Dienstleistungen folgt aus einer der in Art. 127 Abs. 2 vorgesehenen wirtschaftlichen Tätigkeiten.“

12 Nach Art. 128 Abs. 1 des Steuergesetzbuchs gilt als „Lieferung von Gegenständen … die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen“.

13 Art. 129 des Steuergesetzbuchs bestimmt:

„(1) Als Erbringung von Dienstleistungen gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen im Sinne von Art. 128 ist.

(2) Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, werden behandelt, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten.

(3) Zu den Dienstleistungen zählen Umsätze wie

a) die Vermietung von Gegenständen oder die Überlassung der Nutzung von Gegenständen im Rahmen eines Leasingvertrags;

…“

14 Art. 145 Abs. 2 des Steuergesetzbuchs sieht vor:

„Der Steuerpflichtige ist berechtigt, die Vorsteuer für Erwerbe abzuziehen, wenn diese zur Verwendung bei folgenden Umsätzen bestimmt sind:

a) bei steuerbaren Umsätzen;

…“

15 Art. 148 Abs. 1 des Steuergesetzbuchs bestimmt:

„Soweit die Vorschriften über die Lieferung an sich selbst oder die Leistung an sich selbst keine Anwendung finden, wird der ursprüngliche Vorsteuerabzug in folgenden Fällen berichtigt:

a) der Vorsteuerabzug ist höher oder niedriger als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war;

b) wenn sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben, einschließlich in den in Art. 138 vorgesehenen Fällen;

c) der Steuerpflichtige verliert das Recht auf Vorsteuerabzug für nicht gelieferte bewegliche Gegenstände und nicht genutzte Dienstleistungen bei Ereignissen wie Gesetzesänderungen, Änderungen des Gegenstands der Tätigkeit, der Zuweisung von Gegenständen/Dienstleistungen zu Umsätzen, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, und deren späteren Zuweisung zu Umsätzen, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug nicht besteht, im Bestand fehlenden Gegenständen.“

16 Art. 150 Abs. 1 des Steuergesetzbuchs lautet:

„Die Person, die zur Zahlung der Mehrwertsteuer verpflichtet ist, wenn diese gemäß den Bestimmungen dieses Titels geschuldet ist, ist der Steuerpflichtige, der Gegenstände liefert oder Dienstleistungen erbringt, mit Ausnahme der Fälle, in denen der Empfänger verpflichtet ist, die Steuer gemäß den Abs. 2 bis 6 sowie Art. 160 zu zahlen.“

Durchführungsbestimmungen zum Steuergesetzbuch

17 In Nr. 30 der Normele metodologice de aplicare a Legii nr. 227/2015 privind codul fiscal (Durchführungsbestimmungen zum Gesetz Nr. 227/2015 über das Steuergesetzbuch) vom 6. Januar 2016 heißt es:

„Der Wert der in Errichtung befindlichen materiellen/immateriellen Anlagegüter, die schließlich nicht fertig gestellt werden und ausgebucht und als...

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