LW v Bundesrepublik Deutschland.
Jurisdiction | European Union |
Date | 09 November 2021 |
Court | Court of Justice (European Union) |
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)
9. November 2021 ( *1 )
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Politik im Bereich Asyl und subsidiärer Schutz – Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz – Richtlinie 2011/95/EU – Art. 3 und 23 – Günstigere Normen, die von den Mitgliedstaaten beibehalten oder erlassen werden können, um den Anspruch auf Asyl oder subsidiären Schutz auf die Familienangehörigen der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, zu erstrecken – Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kraft Ableitung von einem Elternteil an sein minderjähriges Kind – Wahrung des Familienverbands – Wohl des Kindes“
In der Rechtssache C‑91/20
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 18. Dezember 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Februar 2020, in dem Verfahren
LW
gegen
Bundesrepublik Deutschland
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe, der Kammerpräsidenten C. Lycourgos, E. Regan, N. Jääskinen und J. Passer, der Richter M. Ilešič (Berichterstatter), J.‑C. Bonichot, A. Kumin und N. Wahl,
Generalanwalt: J. Richard de la Tour,
Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2021,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– |
von LW, vertreten durch Rechtsanwalt F. Schleicher, |
– |
der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte, |
– |
der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und M. Van Regemorter als Bevollmächtigte, |
– |
der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten, |
– |
der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Wils und A. Azema als Bevollmächtigte, |
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Mai 2021
folgendes
Urteil
1 |
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 und Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2011, L 337, S. 9). |
2 |
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen LW und der Bundesrepublik Deutschland wegen eines Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (im Folgenden: Bundesamt), mit dem ihr das Asylrecht versagt wurde. |
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
3 |
In Art. 1 Abschnitt A Ziff. 2 des am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (United Nations Treaty Series, Bd. 189, S. 150, Nr. 2545 [1954]) (im Folgenden: Genfer Konvention) heißt es: „Im Sinne dieses Abkommens findet der Ausdruck ‚Flüchtling‘ auf jede Person Anwendung: … 2. die … aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will. Für den Fall, dass eine Person mehr als eine Staatsangehörigkeit hat, bezieht sich der Ausdruck ‚das Land, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt‘ auf jedes der Länder, dessen Staatsangehörigkeit diese Person hat. Als des Schutzes des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie hat, beraubt, gilt nicht eine Person, die ohne einen stichhaltigen, auf eine begründete Befürchtung gestützten Grund den Schutz eines der Länder nicht in Anspruch genommen hat, deren Staatsangehörigkeit sie besitzt.“ |
Unionsrecht
4 |
Mit der Richtlinie 2011/95 wurde die „Neufassung“ der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2004, L 304, S. 12) vorgenommen. |
5 |
In den Erwägungsgründen 4, 12, 14, 16, 18, 19, 36 und 38 der Richtlinie 2011/95 heißt es:
…
…
…
…
…
…
|
6 |
Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2011/95 sieht vor: „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck …
…
|
To continue reading
Request your trial-
Opinion of Advocate General Collins delivered on 13 July 2023.
...22 a 24 della direttiva 2011/95. 14 Sentenza del 9 novembre 2021, Bundesrepublik Deutschland (Mantenimento dell’unità del nucleo familiare) (C‑91/20, EU:C:2021:898, punto 56 e giurisprudenza 15 Considerando 16 della direttiva 2011/95 e sentenza del 5 settembre 2012, Y e Z (C‑71/11 e C‑99/11......
-
Conclusiones del Abogado General Sr. G. Pitruzzella, presentadas el 20 de abril de 2023.
...rifugiata in Belgio nel 2017. 8 V. sentenza del 9 novembre 2021, Bundesrepublik Deutschland (Mantenimento dell’unità del nucleo familiare) (C‑91/20, EU:C:2021:898 , punto 36). V. altresì sentenza del 4 ottobre 2018, Ahmedbekova ( C‑652/16 , EU:C:2018:801 , punti 48 e 9 V. sentenza del 9 n......
-
Conclusiones del Abogado General Sr. J. Richard de la Tour, presentadas el 24 de marzo de 2022.
...une considération primordiale ». 25 Voir, en ce sens, arrêt du 9 novembre 2021, Bundesrepublik Deutschland (Maintien de l’unité familiale) (C‑91/20, EU:C:2021:898, point 26 Il pourrait s’agir d’une reconnaissance à titre principal ou à titre dérivé, en application des principes dégagés par ......
-
XXX v Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides.
...C‑652/16, EU:C:2018:801, punto 68, e del 9 novembre 2021, Bundesrepublik Deutschland (Mantenimento dell’unità del nucleo familiare), C‑91/20, EU:C:2021:898, punto 36]. Per questi stessi motivi, neppure l’articolo 20 della direttiva 2011/95, che enuncia norme generali e prevede, al paragrafo......
-
Opinion of Advocate General Collins delivered on 13 July 2023.
...22 a 24 della direttiva 2011/95. 14 Sentenza del 9 novembre 2021, Bundesrepublik Deutschland (Mantenimento dell’unità del nucleo familiare) (C‑91/20, EU:C:2021:898, punto 56 e giurisprudenza 15 Considerando 16 della direttiva 2011/95 e sentenza del 5 settembre 2012, Y e Z (C‑71/11 e C‑99/11......
-
Conclusiones del Abogado General Sr. G. Pitruzzella, presentadas el 20 de abril de 2023.
...rifugiata in Belgio nel 2017. 8 V. sentenza del 9 novembre 2021, Bundesrepublik Deutschland (Mantenimento dell’unità del nucleo familiare) (C‑91/20, EU:C:2021:898 , punto 36). V. altresì sentenza del 4 ottobre 2018, Ahmedbekova ( C‑652/16 , EU:C:2018:801 , punti 48 e 9 V. sentenza del 9 n......
-
Conclusiones del Abogado General Sr. J. Richard de la Tour, presentadas el 24 de marzo de 2022.
...une considération primordiale ». 25 Voir, en ce sens, arrêt du 9 novembre 2021, Bundesrepublik Deutschland (Maintien de l’unité familiale) (C‑91/20, EU:C:2021:898, point 26 Il pourrait s’agir d’une reconnaissance à titre principal ou à titre dérivé, en application des principes dégagés par ......
-
XXX v Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides.
...C‑652/16, EU:C:2018:801, punto 68, e del 9 novembre 2021, Bundesrepublik Deutschland (Mantenimento dell’unità del nucleo familiare), C‑91/20, EU:C:2021:898, punto 36]. Per questi stessi motivi, neppure l’articolo 20 della direttiva 2011/95, che enuncia norme generali e prevede, al paragrafo......