CHEP Equipment Pooling NV v Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2021:867
Date21 October 2021
Docket NumberC-396/20
Celex Number62020CJ0396
Procedure TypeReference for a preliminary ruling
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

21. Oktober 2021(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerwesen – Mehrwertsteuer – Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässige Steuerpflichtige – Richtlinie 2008/9/EG – Art. 20 Abs. 1 – Anforderung zusätzlicher Informationen durch den Mitgliedstaat der Erstattung – Angaben, die Gegenstand eines Ersuchens um zusätzliche Informationen sein können – Unstimmigkeit zwischen dem im Erstattungsantrag genannten und dem in den vorgelegten Rechnungen ausgewiesenen Betrag – Grundsatz der guten Verwaltung – Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer – Ausschlussfrist – Auswirkungen auf die Berichtigung des Fehlers des Steuerpflichtigen“

In der Rechtssache C‑396/20

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Kúria (Oberster Gerichtshof, Ungarn) mit Entscheidung vom 2. Juli 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Juli 2020, in dem Verfahren

CHEP Equipment Pooling NV

gegen

Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin der Zweiten Kammer A. Prechal in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richter J. Passer und F. Biltgen, der Richterin L. S. Rossi und des Richters N. Wahl (Berichterstatter),

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen:

– der CHEP Equipment Pooling NV, vertreten durch Sz. Vámosi-Nagy, ügyvéd,

– der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und R. Kissné Berta als Bevollmächtigte,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Jokubauskaitė und Zs. Teleki als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. 2008, L 44, S. 23).

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der CHEP Equipment Pooling NV und der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága (Rechtsbehelfsdirektion der nationalen Steuer- und Zollverwaltung, Ungarn), dessen Gegenstand die Entscheidung der Rechtsbehelfsdirektion ist, einem Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer nur teilweise stattzugeben.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2008/9

3 Die Erwägungsgründe 1 und 2 der Richtlinie 2008/9 lauten:

„(1) Sowohl die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten als auch Unternehmen haben erhebliche Probleme mit den Durchführungsbestimmungen, die in der Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 [(ABl. 1979, L 331, S. 11)] zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige festgelegt sind.

(2) Die Regelungen jener Richtlinie sollten hinsichtlich der Frist, innerhalb deren die Entscheidungen über die Erstattungsanträge den Unternehmen mitzuteilen sind, geändert werden. Gleichzeitig sollte vorgesehen werden, dass auch die Unternehmen innerhalb bestimmter Fristen antworten müssen. Außerdem sollte das Verfahren vereinfacht und durch den Einsatz fortschrittlicher Technologien modernisiert werden.“

4 Art. 2 der Richtlinie 2008/9 lautet:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1. „nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässiger Steuerpflichtiger“ jeden Steuerpflichtigen im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 2006/112/EG [des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1)], der nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ansässig ist;

2. „Mitgliedstaat der Erstattung“ den Mitgliedstaat, mit dessen Mehrwertsteuer die dem nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässigen Steuerpflichtigen von anderen Steuerpflichtigen in diesem Mitgliedstaat gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen oder die Einfuhr von Gegenständen in diesen Mitgliedstaat belastet wurden;

4. „Erstattungsantrag“ den Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer, mit der der Mitgliedstaat der Erstattung die dem nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässigen Steuerpflichtigen von anderen Steuerpflichtigen in diesem Mitgliedstaat gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen oder die Einfuhr von Gegenständen in diesen Mitgliedstaat belastet hat;

…“

5 Art. 5 der Richtlinie 2008/9 lautet:

„Jeder Mitgliedstaat erstattet einem nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässigen Steuerpflichtigen die Mehrwertsteuer, mit der die ihm von anderen Steuerpflichtigen in diesem Mitgliedstaat gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen oder die Einfuhr von Gegenständen in diesen Mitgliedstaat belastet wurden, sofern die betreffenden Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke der folgenden Umsätze verwendet werden:

a) in Artikel 169 Buchstaben a und b der Richtlinie 2006/112/EG genannte Umsätze;

b) Umsätze, deren Empfänger nach den Artikeln 194 bis 197 und Artikel 199 der Richtlinie 2006/112/EG, wie sie im Mitgliedstaat der Erstattung angewendet werden, Schuldner der Mehrwertsteuer ist.

Unbeschadet des Artikels 6 wird für die Anwendung dieser Richtlinie der Anspruch auf Vorsteuererstattung nach der Richtlinie 2006/112/EG, wie diese Richtlinie im Mitgliedstaat der Erstattung angewendet wird, bestimmt.“

6 Art. 7 der Richtlinie 2008/9 sieht vor:

„Um eine Erstattung von Mehrwertsteuer im Mitgliedstaat der Erstattung zu erhalten, muss der nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässige Steuerpflichtige einen elektronischen Erstattungsantrag an diesen Mitgliedstaat richten und diesen in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, über das von letzterem Mitgliedstaat eingerichtete elektronische Portal einreichen.“

7 Art. 8 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie lautet:

„… in dem Erstattungsantrag [sind] für jeden Mitgliedstaat der Erstattung und für jede Rechnung oder jedes Einfuhrdokument folgende Angaben zu machen:

e) Steuerbemessungsgrundlage und Mehrwertsteuerbetrag in der Währung des Mitgliedstaats der Erstattung;

…“

8 In Art. 15 der Richtlinie 2008/9 heißt es:

„(1) Der Erstattungsantrag muss dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, spätestens am 30. September des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahres vorliegen. Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn der Antragsteller alle in den Artikeln 8, 9 und 11 geforderten Angaben gemacht hat.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem der Antragsteller ansässig ist, hat diesem unverzüglich eine elektronische Empfangsbestätigung zu übermitteln.“

9 Art. 18 der Richtlinie 2008/9 bestimmt:

„(1) Der Mitgliedstaat, in dem der Antragsteller ansässig ist, übermittelt dem Mitgliedstaat der Erstattung den Erstattungsantrag nicht, wenn der Antragsteller im Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, im Erstattungszeitraum

a) für Zwecke der Mehrwertsteuer kein Steuerpflichtiger ist;

b) nur Gegenstände liefert oder Dienstleistungen erbringt, die gemäß den Artikeln 132, 135, 136 und 371, den Artikeln 374 bis 377, Artikel 378 Absatz 2 Buchstabe a, Artikel 379 Absatz 2 oder den Artikeln 380 bis 390 der Richtlinie 2006/112/EG oder den inhaltsgleichen Befreiungsvorschriften gemäß der Beitrittsakte von 2005 ohne Recht auf Vorsteuerabzug von der Steuer befreit sind;

c) die Steuerbefreiung für Kleinunternehmen nach den Artikeln 284, 285, 286 und 287 der Richtlinie 2006/112/EG in Anspruch nimmt;

d) die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger nach den Artikeln 296 bis 305 der Richtlinie 2006/112/EG in Anspruch nimmt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem der Antragsteller ansässig ist, teilt dem Antragsteller seine Entscheidung gemäß Absatz 1 auf elektronischem Wege mit.“

10 Art. 19 der Richtlinie 2008/9 sieht vor:

„(1) Der Mitgliedstaat der Erstattung setzt den Antragsteller auf elektronischem Wege unverzüglich vom Datum des Eingangs des Antrags beim Mitgliedstaat der Erstattung in Kenntnis.

(2) Der Mitgliedstaat der Erstattung teilt dem Antragsteller innerhalb von vier Monaten ab Eingang des Erstattungsantrags in diesem Mitgliedstaat mit, ob er die Erstattung gewährt oder den Erstattungsantrag abweist.“

11 Art. 20 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Ist der Mitgliedstaat der Erstattung der Auffassung, dass er nicht über alle relevanten Informationen für die Entscheidung über eine vollständige oder teilweise Erstattung verfügt, kann er insbesondere beim Antragsteller oder bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem der Antragsteller ansässig ist, innerhalb des in Artikel 19 Absatz 2 genannten Viermonatszeitraums elektronisch zusätzliche Informationen anfordern. Werden die zusätzlichen Informationen bei einer anderen Person als dem Antragsteller oder der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats angefordert, soll das Ersuchen nur auf elektronischem Wege ergehen, wenn der Empfänger des Ersuchens über solche Mittel verfügt.

Gegebenenfalls kann der Mitgliedstaat der Erstattung weitere zusätzliche Informationen anfordern.

Die gemäß diesem Absatz angeforderten Informationen können die Einreichung des Originals oder eine Durchschrift der einschlägigen Rechnung oder des einschlägigen Einfuhrdokuments umfassen, wenn der Mitgliedstaat der Erstattung begründete Zweifel am Bestehen einer bestimmten Forderung hat. In diesem Fall gelten die in Artikel 10 genannten Schwellenwerte nicht.“


Richtlinie 2006/112

12 Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 lautet:

„Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht auf dem Grundsatz, dass auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden...

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