Azienda Agricola Ambrosi Nicola Giuseppe and Others v Agenzia per le Erogazioni in Agricoltura (AGEA) and Ministero delle Politiche Agricole e Forestali.

JurisdictionEuropean Union
Celex Number62019CJ0640
ECLIECLI:EU:C:2021:97
Date04 February 2021
Docket NumberC-640/19
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

4. Februar 2021(*)

„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Landwirtschaft – Gemeinsame Marktorganisation – Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 – Milchquoten – Überschussabgaben – Milch, die für die Herstellung von zur Ausfuhr in Drittländer bestimmtem Käse mit geschützter Ursprungsbezeichnung (g. U.) verwendet wird – Nichteinbeziehung – Art. 32 Buchst. a, Art. 39 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a, Art. 40 Abs. 2 und Art. 41 Buchst. b AEUV – Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung – Gültigkeit“

In der Rechtssache C‑640/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht für Latium, Italien) mit Entscheidung vom 21. Mai 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 28. August 2019, in dem Verfahren

Azienda Agricola Ambrosi Nicola Giuseppe,

Azienda Agricola Castagna Giovanni,

Azienda Agricola Castellani Enio Nereo e Giuliano Ss,

Azienda Agricola De Fanti Maria Teresa,

Azienda Agricola Giacomazzi Vilmare,

Azienda Agricola Iseo di Lunardi Giampaolo e Silvano Ss,

Azienda Agricola Mastrolat di Mastrotto Franco e Luca Ss,

Azienda Agricola Righetti Michele e Damiano,

Azienda Agricola Scandola Stefano e Gianni,

Azienda Agricola Tadiello Roberto,

Azienda Agricola Turazza Mario,

Azienda Agricola Zuin Tiziano,

2 B Società Agricola Srl,

Azienda Agricola Fracasso Claudio,

Azienda Agricola Pozzan Mirko

gegen

Agenzia per le Erogazioni in Agricoltura (AGEA),

Ministero delle Politiche agricole e forestali

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter), der Richterin C. Toader und des Richters M. Safjan,

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der Azienda Agricola Ambrosi Nicola Giuseppe, der Azienda Agricola Castagna Giovanni, der Azienda Agricola Castellani Enio Nereo e Giuliano Ss, der Azienda Agricola De Fanti Maria Teresa, der Azienda Agricola Giacomazzi Vilmare, der Azienda Agricola Iseo di Lunardi Giampaolo e Silvano Ss, der Azienda Agricola Mastrolat di Mastrotto Franco e Luca Ss, der Azienda Agricola Righetti Michele e Damiano, der Azienda Agricola Scandola Stefano e Gianni, der Azienda Agricola Tadiello Roberto, der Azienda Agricola Turazza Mario, der Azienda Agricola Zuin Tiziano, der 2 B Società Agricola Srl, vertreten durch F. Manzo und P. Romano, avvocati,

– der Azienda Agricola Pozzan Mirko, vertreten durch E. Ermondi und M. Aldegheri, avvocatesse,

– der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Bianchi und F. Moro als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung und Gültigkeit der Art. 1 bis 3 der Verordnung (EWG) Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. 1984, L 90, S. 10), des Art. 1 und des Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. 1992, L 405, S. 1), des Art. 1 Abs. 1 und des Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 des Rates vom 29. September 2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor (ABl. 2003, L 270, S. 123) und der Art. 55, 64 und 65 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO) (ABl. 2007, L 299, S. 1) sowie deren Anhänge.

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Azienda Agricola Ambrosi Nicola Giuseppe und mehreren anderen italienischen Milcherzeugern (im Folgenden für alle: betroffene Erzeuger) auf der einen Seite und der Agenzia per le Erogazioni in Agricoltura (AGEA) (Agentur für Agrarzahlungen, Italien) und dem Ministero delle Politiche agricole e forestali (Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, im Folgenden: Ministerium) auf der anderen Seite über die Verfahren für den Ausgleich und für die Berechnung der einzelstaatlichen Erzeugungen zur Ermittlung der Zusatzabgaben für den Vermarktungszeitraum für Milch und Milcherzeugnisse 2008/2009.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3 Aus dem ersten und dem vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 856/84 geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber wegen des Fortbestehens eines Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage im Milchsektor mit dieser Verordnung eine Zusatzabgabenregelung in diesem Sektor eingeführt hat, nach der auf die Milch- und/oder Milchäquivalentmengen, die eine zu ermittelnde Referenzmenge überschritten, eine Abgabe zu entrichten war.

4 Am 31. März 1984 wurde die Verordnung (EWG) Nr. 857/84 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. 1984, L 90, S. 13) erlassen.

5 Die Zusatzabgabenregelung wurde mehrmals verlängert, insbesondere durch die Verordnung Nr. 3950/92, die mehrfach geändert wurde.

6 Insbesondere zum Zweck der Vereinfachung und Klarstellung wurde die letztgenannte Verordnung durch die Verordnung Nr. 1788/2003 aufgehoben und ersetzt, die ihrerseits mit Wirkung vom 1. April 2008 durch die Verordnung Nr. 1234/2007 aufgehoben und ersetzt wurde.

7 Die Verordnung Nr. 1234/2007, die ebenfalls mehrfach geändert wurde, wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 671) aufgehoben. Gemäß Art. 230 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1308/2013 galten jedoch für das System der Milchproduktionsregulierung Teil II Titel I Kapitel III, Art. 55 und Art. 85 sowie die Anhänge IX und X der Verordnung Nr. 1234/2007 bis zum 31. März 2015 weiter.

8 Da es im Ausgangsrechtsstreit um das Wirtschaftsjahr zwischen dem 1. April 2008 und dem 31. März 2009 geht, gilt für dieses in zeitlicher Hinsicht die Verordnung Nr. 1234/2007 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 248/2008 des Rates vom 17. März 2008 (ABl. 2008, L 76, S. 6) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung über die einheitliche GMO), die zur Erleichterung der Erzeugung größerer Milchmengen innerhalb der Europäischen Union und zur Erfüllung der neuen Anforderungen des Milchmarktes die Quoten aller Mitgliedstaaten, die in Anhang IX der Verordnung Nr. 1234/2007 angeführt sind, ab dem 1. April 2008 um 2 % anhob.

Die Verordnung über die einheitliche GMO

9 In den Erwägungsgründen 36, 37, 51 und 105 der Verordnung über die einheitliche GMO hieß es:

„(36) Hauptziel der Milchquotenregelung ist weiterhin[,] das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem entsprechenden Markt und die daraus resultierenden strukturellen Überschüsse zu verringern und so ein besseres Marktgleichgewicht zu erreichen. Auf die Milchlieferungen oder ‑direktverkäufe sollte daher bei Überschreiten einer bestimmten Garantieschwelle weiterhin eine Abgabe erhoben werden. Im Einklang mit dem Ziel dieser Verordnung besteht in einem gewissen Maß die Notwendigkeit, insbesondere eine terminologische Harmonisierung der Zucker- und der Milchquotenregelung vorzunehmen, dabei jedoch deren rechtlichen Status quo uneingeschränkt zu wahren. … Die Begriffe ‚einzelstaatliche Referenzmenge‘ und ‚einzelbetriebliche Referenzmenge‘ im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 sollten daher durch die Begriffe ‚einzelstaatliche Quote‘ und ‚einzelbetriebliche Quote‘ ersetzt werden, wobei der Rechtsbegriff, der definiert wird, unverändert bleibt.

(37) Im Wesentlichen sollte die Milchquotenregelung in der vorliegenden Verordnung der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 entsprechen. …

(51) Zur Regelung der Vermarktung und Bezeichnung von Milch, Milcherzeugnissen und Fetten sind verschiedene Rechtsinstrumente eingeführt worden. Sie verfolgen das Ziel, zum einen die Marktstellung von Milch und Milcherzeugnissen zu verbessern und zum anderen einen fairen Wettbewerb zwischen aus Milch und nicht aus Milch gewonnenen Streichfetten zu gewährleisten, was beides den Erzeugern und Verbrauchern zugutekommen dürfte. Mit den Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 1898/87 des Rates vom 2. Juli 1987 über den Schutz der Bezeichnung der Milch und Milcherzeugnisse bei ihrer Vermarktung [(ABl. 1987, L 182, S. 36)] sollen die Verbraucher geschützt und unverfälschte Wettbewerbsbedingungen zwischen Milcherzeugnissen und konkurrierenden Erzeugnissen auf den Gebieten Bezeichnung, Etikettierung und Werbung geschaffen werden. … Entsprechend den Zielen der vorliegenden Verordnung sind diese Vorschriften beizubehalten.

(105) In diese Verordnung werden … [a]ußerdem … die Bestimmungen der folgenden Verordnungen … aufgenommen:

– …

– [Verordnung Nr. 1898/87]

… “

10 Art. 55 der Verordnung über die einheitliche GMO bestimmte:

„(1) Für die folgenden Erzeugnisse gilt ein Quotensystem:

a) Milch und andere Milcherzeugnisse im Sinne von Artikel 65 Buchstaben a und b,

(2) Überschreitet ein Erzeuger die maßgebliche Quote …, so ist nach Maßgabe der Abschnitte II und III auf diese Mengen eine Überschussabgabe zu zahlen.

… “

11 Art. 65 der Verordnung über die einheitliche GMO, der im Wesentlichen die Begriffsbestimmungen des Art. 5 der Verordnung Nr. 1788/2003 übernahm, sah Folgendes vor:

„Im Sinne dieses Abschnitts sind:

a) ‚Milch‘: das Gemelk einer oder mehrerer Kühe;

b) ‚andere Milcherzeugnisse‘: jedes Milcherzeugnis außer...

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