GV v Caisse nationale d’assurance pension.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2022:969
Date08 December 2022
Docket NumberC-731/21
Celex Number62021CJ0731
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

8. Dezember 2022(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Freizügigkeit – Art. 45 AEUV – Arbeitnehmer – Verordnung (EU) Nr. 492/2011 – Art. 7 Abs. 1 und 2 – Gleichbehandlung – Soziale Vergünstigungen – Hinterbliebenenpension – Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft – Nationale Regelung, nach der die Gewährung einer Hinterbliebenenpension von der Eintragung einer in einem anderen Mitgliedstaat wirksam eingegangenen und eingetragenen Lebenspartnerschaft in das nationale Register abhängig gemacht wird“

In der Rechtssache C‑731/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Luxemburg) mit Entscheidung vom 25. November 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Dezember 2021, in dem Verfahren

GV

gegen

Caisse nationale d’assurance pension

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richter N. Jääskinen und M. Gavalec,

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– von GV, vertreten durch P. R. Mbonyumutwa, Avocat,

– der Caisse nationale d’assurance pension, vertreten durch A. Charton und M. Thewes, Avocats,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch B.‑R. Killmann und D. Martin als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 18, 45 und 48 AEUV sowie von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) 2016/589 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2016 (ABl. 2016, L 107, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 492/2011).

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen GV, einer französischen Staatsangehörigen, und der Caisse nationale d’assurance pension (Nationale Pensionsversicherungsanstalt, Luxemburg) (im Folgenden: CNAP) wegen deren Weigerung, GV nach dem Tod ihres Lebenspartners eine Hinterbliebenenpension zu gewähren.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 883/2004

3 Art. 3 („Sachlicher Geltungsbereich“) Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1372/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2013 (ABl. 2013, L 346, S. 27) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 883/2004) sieht vor, dass die Verordnung Nr. 883/2004 für die Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit gilt, die Leistungen an Hinterbliebene betreffen.

4 Art. 4 („Gleichbehandlung“) dieser Verordnung lautet:

„Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.“

5 Art. 5 („Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen“) Buchst. b der Verordnung sieht vor:

„Sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist, gilt unter Berücksichtigung der besonderen Durchführungsbestimmungen Folgendes:

b) Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so berücksichtigt dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären.“

Verordnung Nr. 492/2011

6 Art. 7 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 492/2011 bestimmt:

„(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

(2) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.“

Verordnung (EU) 2016/1104

7 Die Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften (ABl. 2016, L 183, S. 30) ermöglicht es den Partnern, das auf die güterrechtlichen Wirkungen ihrer eingetragenen Partnerschaft anzuwendende Recht zu bestimmen oder zu ändern.

8 Art. 1 („Anwendungsbereich“) dieser Verordnung sieht vor:

„(1) Diese Verordnung findet auf die Güterstände eingetragener Partnerschaften Anwendung.

Sie gilt nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.

(2) Vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sind:

b) das Bestehen, die Gültigkeit oder die Anerkennung einer eingetragenen Partnerschaft,

e) die soziale Sicherheit,

…“

Luxemburgisches Recht

Code de la sécurité sociale

9 Art. 195 des Code de la sécurité sociale (Sozialgesetzbuch) bestimmt:

„Unbeschadet aller anderen vorgeschriebenen Voraussetzungen hat der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner im Sinne von Art. 2 der Loi du 9 juillet 2004 relative aux effets légaux de certains partenariats [(Gesetz vom 9. Juli 2004 über die Rechtswirkungen bestimmter Lebenspartnerschaften) (Mémorial A 2004, S. 2020)] eines Beziehers einer nach diesem Buch zuerkannten Alters- oder Invaliditätspension oder eines Versicherten, wenn dieser zum Zeitpunkt seines Todes eine Versicherungszeit von mindestens zwölf Monaten nach den Art. 171, 173 und 173bis während der letzten drei Jahre vor Eintritt des Versicherungsfalls nachweisen kann, Anspruch auf eine Hinterbliebenenpension. … Diese Versicherungszeit ist jedoch nicht erforderlich, wenn der Versicherte aufgrund eines Unfalls gleich welcher Art oder aufgrund einer nach den Bestimmungen dieses Gesetzbuchs anerkannten Berufskrankheit verstorben ist, die während der Mitgliedschaft eingetreten sind.“

10 Art. 196 dieses Gesetzbuchs lautet:

„1. Der Anspruch auf Hinterbliebenenpension des Ehegatten oder des Lebenspartners im Sinne von Art. 2 der Loi du 9 juillet 2004 relative aux effets légaux de certains partenariats besteht nicht:

– wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft weniger als ein Jahr vor dem Tod oder vor der Versetzung in den Ruhestand wegen Invalidität oder wegen des Alters des Versicherten eingegangen wurde;

– wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft mit einem Empfänger von Alters- oder Invaliditätspension geschlossen wurde.

2. Absatz 1 findet jedoch keine Anwendung, wenn mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

a) wenn der Tod des erwerbstätigen...

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