Aisha Muammer Mohamed El-Qaddafi v Council of the European Union.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:T:2021:206
Docket NumberT-322/19
Date21 April 2021
Celex Number62019TJ0322
CourtGeneral Court (European Union)

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

21. April 2021(*)

„Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen – Einfrieren von Geldern – Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden – Beschränkungen hinsichtlich der Einreise in oder der Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Europäischen Union – Liste der Personen, für die Beschränkungen hinsichtlich der Einreise in oder der Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Europäischen Union gelten – Belassung des Namens des Klägers auf den Listen – Rechtsbehelfsfrist – Zulässigkeit – Begründungspflicht – Beurteilungsfehler “

In der Rechtssache T‑322/19,

Aisha Muammer Mohamed El-Qaddafi, wohnhaft in Mascate (Oman), Prozessbevollmächtigte: S. Bafadhel, Barrister,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch V. Piessevaux und M. Bishop als Bevollmächtigte,

Beklagter,

wegen eines auf Art. 263 AEUV gestützten Antrags auf Nichtigerklärung erstens des Durchführungsbeschlusses (GASP) 2017/497 des Rates vom 21. März 2017 zur Durchführung des Beschlusses (GASP) 2015/1333 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen (ABl. 2017, L 76, S. 25) und des Durchführungsbeschlusses (GASP) 2020/374 des Rates vom 5. März 2020 zur Durchführung des Beschlusses (GASP) 2015/1333 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen (ABl. 2020, L 71, S. 14), soweit darin der Name der Klägerin in den Listen in den Anhängen I und III des Beschlusses (GASP) 2015/1333 des Rates vom 31. Juli 2015 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen und zur Aufhebung des Beschlusses 2011/137/GASP (ABl. 2015, L 206, S. 34) belassen wird, sowie zweitens der Durchführungsverordnung (EU) 2017/489 des Rates vom 21. März 2017 zur Durchführung des Artikels 21 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2016/44 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen (ABl. 2017, L 76, S. 3) und der Durchführungsverordnung (EU) 2020/371 des Rates vom 5. März 2020 zur Durchführung des Artikels 21 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2016/44 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen (ABl. 2020, L 71, S. 5), soweit darin der Name der Klägerin in der Liste im Anhang II der Verordnung (EU) 2016/44 des Rates vom 18. Januar 2016 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 204/2011 (ABl. 2016, L 12, S. 1) belassen wird, sowie wegen eines auf Art. 265 AEUV gestützten Antrags auf Feststellung, dass der Rat es rechtswidrig unterlassen habe, der Klägerin die fraglichen Rechtsakte zum Zeitpunkt ihres Erlasses mitzuteilen,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Spielmann, des Richters U. Öberg und der Richterin O. Spineanu-Matei (Berichterstatterin),

Kanzler: R. Ūkelytė, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2020

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Die Klägerin, Frau Aisha Muammer Mohamed El-Qaddafi, ist libyschen Staatsangehörige und die Tochter des ehemaligen libyschen Staatschefs Muammar Al-Gaddafi (im Folgenden auch: Herr Gaddafi).

2 Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (im Folgenden: Sicherheitsrat) nahm am 26. Februar 2011 die Resolution 1970 (2011) an, mit der restriktive Maßnahmen gegen Libyen und gegen Personen und Organisationen verhängt werden, die an schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen gegen Personen in Libyen, unter anderem durch Beteiligung an völkerrechtswidrigen Angriffen auf die Zivilbevölkerung und zivile Einrichtungen, beteiligt waren.

3 Am 28. Februar und am 2. März 2011 erließ der Rat der Europäischen Union den Beschluss 2011/137/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen (ABl. 2011, L 58, S. 53) und die Verordnung (EU) Nr. 204/2011 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen (ABl. 2011, L 58, S. 1) (im Folgenden zusammen: Rechtsakte von 2011).

4 Art. 5 Abs. 1 Buchst. a des Beschlusses 2011/137 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Einreise oder Durchreise in ihr beziehungsweise durch ihr Hoheitsgebiet von in der Resolution 1970 (2011) aufgeführten Personen und weiteren im Einklang mit dieser Resolution benannten Personen zu verhindern, deren Namen in Anhang I dieses Beschlusses aufgeführt werden.

5 Art. 6 Abs. 1 Buchst. a des Beschlusses 2011/137 und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 204/2011 in Verbindung mit deren Art. 6 Abs. 1 bestimmen im Wesentlichen, dass Gelder, andere finanzielle Vermögenswerte und wirtschaftliche Ressourcen, die im Eigentum, im Besitz oder unter der unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle derjenigen Personen stehen, die vom Sicherheitsrat oder vom gemäß Ziffer 24 der Resolution 1970 (2011) eingesetzten Ausschuss des Sicherheitsrats (im Folgenden: Sanktionsausschuss) im Einklang mit Ziffer 22 der Resolution 1970 (2011) benannt wurden, eingefroren werden; die Namen dieser Personen werden in Anhang III des genannten Beschlusses bzw. in Anhang II der genannten Verordnung aufgeführt.

6 Die Klägerin gehört zu den von der Resolution 1970 (2011) erfassten Personen, die infolgedessen in die Listen der Anhänge I und III des Beschlusses 2011/137 und des Anhangs II der Verordnung Nr. 204/2011 mit der folgenden Identifizierungsinformationen und Begründung aufgenommen wurden:

„QADHAFI, Aisha Muammar[.] Geburtsdatum: 1978. Geburtsort: Tripolis, Libyen. Tochter von Muammar QADHAFI. Eng mit dem Regime verbunden. Datum der Benennung durch die VN: 26. [Februar] 2011.“

7 Am 17. März 2011 verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution 1973 (2011), mit der angesichts der Lage in Libyen neue Maßnahmen eingeführt wurden. Am 22. Januar 2013 erließ der Rat die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 50/2013 zur Durchführung von Artikel 16 Absatz 2 der Verordnung Nr. 204/2011 (ABl. 2013, L 20, S. 29) und den Beschluss 2013/45/GASP des Rates zur Änderung des Beschlusses 2011/137/GASP (ABl. 2013, L 20, S. 60), mit denen die in den Rechtsakten von 2011 enthaltenen Identifizierungsinformationen betreffend die Klägerin geändert wurden, um klarzustellen, dass vermutet werde, dass diese sich in Algerien befinde.

8 Am 23. Juni 2014 erließ der Rat den Beschluss 2014/380/GASP zur Änderung des Beschlusses 2011/137/GASP (ABl. 2014, L 183, S. 52) und die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 689/2014 zur Durchführung des Artikels 16 Absatz 2 der Verordnung Nr. 204/2011 (ABl. 2014, L 183, S. 1) (im Folgenden zusammen: Rechtsakte von 2014). Die durch diese Rechtsakte vorgenommenen Änderungen betrafen nicht die Klägerin, deren Name somit auf den Listen in den Anhängen I und III des Beschlusses 2011/137 und in Anhang II der Verordnung Nr. 204/2011 belassen wurde, ohne dass die Begründung für ihre Aufnahme in diese Listen gegenüber der in den Rechtsakten von 2011 enthaltenen Begründung geändert worden wäre.

9 Am 27. August 2014 nahm der Sicherheitsrat die Resolution 2174 (2014) an, mit der die anhaltenden Kampfhandlungen durch bewaffnete Gruppen und die Aufstachelung zu Gewalt in Libyen verurteilt und weitere restriktive Maßnahmen gegen Personen und Organisationen eingeführt wurden, die Handlungen begingen oder unterstützten, die den Frieden, die Stabilität oder die Sicherheit Libyens bedrohten oder den erfolgreichen Abschluss seines politischen Übergangs behinderten oder untergruben.

10 Mit Klageschrift, die am 18. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Klägerin eine unter der Rechtssachennummer T‑681/14 in das Register eingetragene Klage auf Nichtigerklärung der Rechtsakte von 2014, soweit darin der Name der Klägerin auf den Listen in den Anhängen I und III des Beschlusses 2011/137 und in Anhang II der Verordnung Nr. 204/2011 belassen wurde.

11 Am 18. Dezember 2014 sandte der Rat ein Schreiben an die Vertreter der Klägerin, in dem er darauf hinwies, dass der Sanktionsausschuss die zuständigen Dienststellen der Europäischen Union darüber informiert habe, dass die Klägerin ihr Reiseverbot nicht beachtet und damit gegen die Bestimmungen des Resolution 1970 (2011) verstoßen habe.

12 Am 27. März 2015 verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution 2213 (2015), mit der u. a. an den Kriterien für die Aufnahme in die Listen bestimmte Änderungen vorgenommen wurden.

13 Am 4. Mai 2015 sandte der Rat ein Schreiben an die Vertreter der Klägerin, dem eine Reihe von Dokumenten beigefügt waren (im Folgenden: Schreiben vom 4. Mai 2015). Der Rat führte darin aus, dass die Klägerin in den Jahren 2011 und 2013 öffentlich Erklärungen abgegeben und dazu aufgerufen habe, die libyschen Behörden, die nach dem Fall des von ihrem Vater errichteten Regimes eingerichtet worden seien, zu stürzen und den Tod ihres Vaters zu rächen.

14 Am 26. Mai 2015 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2015/818 zur Änderung des Beschlusses 2011/137 (ABl. 2015, L 129, S. 13) und die Verordnung (EU) 2015/813 zur Änderung der Verordnung Nr. 204/2011 (ABl. 2015, L 129, S. 1), um u. a. die Kriterien für die Benennung von Personen und Organisationen auszuweiten, die restriktiven Maßnahmen nach den Rechtsakten von 2011 unterliegen sollen.

15 In der Folge überprüfte der Rat die in den Anhängen der Rechtsakte von 2011 enthaltenen Listen der Namen der Personen und Organisationen vollständig.

16 Diese Überprüfung wurde mit dem Erlass des Beschlusses (GASP) 2015/1333 des Rates über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen und zur Aufhebung des Beschlusses 2011/137 (ABl. 2015, L 206, S. 34) am 31. Juli 2015 und dem Erlass der Verordnung (EU) 2016/44 des Rates über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 204/2011 (ABl. 2016, L 12, S. 1) am 18. Januar 2016 abgeschlossen.

17 Art. 8 Abs. 1 des Beschlusses 2015/1333 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die Einreise in oder Durchreise durch ihr Hoheitsgebiet von Personen zu...

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