European Union Intellectual Property Office v Equivalenza Manufactory, SL.

JurisdictionEuropean Union
Date04 March 2020
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

4. März 2020(*)

„Rechtsmittel – Unionsmarke – Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b – Verwechslungsgefahr – Beurteilung der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen – Umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr – Berücksichtigung der Vermarktungsbedingungen – Neutralisierung einer klanglichen Ähnlichkeit durch Unterschiede in Bild und Bedeutung – Voraussetzungen für die Neutralisierung“

In der Rechtssache C‑328/18 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 17. Mai 2018,

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch J. F. Crespo Carrillo als Bevollmächtigten,

Rechtsmittelführer,

andere Partei des Verfahrens:

Equivalenza Manufactory SL mit Sitz in Barcelona (Spanien), vertreten durch G. Macías Bonilla, G. Marín Raigal und E. Armero Lavie, abogados,

Klägerin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter S. Rodin und D. Šváby, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) sowie des Richters N. Piçarra,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. November 2019

folgendes

Urteil

1 Mit seinem Rechtsmittel beantragt das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 7. März 2018, Equivalenza Manufactory/EUIPO – ITM Entreprises (BLACK LABEL BY EQUIVALENZA) (T‑6/17, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2018:119), mit dem die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO vom 11. Oktober 2016 (Sache R 690/2016‑2) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der ITM Entreprises SAS und der Equivalenza Manufactory SL (im Folgenden: streitige Entscheidung) aufgehoben wurde.

Rechtlicher Rahmen

2 Die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die [Unionsmarke] (ABl. 2009, L 78, S. 1) wurde durch die Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) mit Wirkung zum 1. Oktober 2017 aufgehoben und ersetzt. Da für die Bestimmung des anwendbaren materiellen Rechts der Zeitpunkt der in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Anmeldung, hier der 16. Dezember 2014, maßgeblich ist, sind auf den Rechtsstreit jedoch die materiell-rechtlichen Vorschriften der Verordnung Nr. 207/2009 anwendbar.

3 Art. 8 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung lautet:

„(1) Auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke ist die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen,

b) wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.“

Vorgeschichte des Rechtsstreites

4 Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 10 des angefochtenen Urteils dargestellt. Für die Behandlung des vorliegenden Rechtsmittels lässt sie sich wie folgt zusammenfassen.

5 Am 16. Dezember 2014 meldete Equivalenza Manufactory das folgende Bildzeichen als Unionsmarke an:

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6 Es wurden folgende Waren der Klasse 3 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Parfums“.

7 Die Anmeldung der Unionsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 240/2014 vom 19. Dezember 2014 veröffentlicht.

8 Am 18. März 2015 legte ITM Entreprises Widerspruch gegen die Eintragung der Marke ein, die für die in Rn. 6 des vorliegenden Urteils bezeichneten Waren angemeldet worden war, und machte zur Begründung eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend.

9 Der Widerspruch wurde insbesondere auf die nachstehend wiedergegebene ältere Bildmarke gestützt, die Gegenstand der internationalen Registrierung Nr. 1079410 mit Benennung Belgiens, Bulgariens, der Tschechischen Republik, Dänemarks, Estlands, Griechenlands, Kroatiens, Lettlands, Litauens, Luxemburgs, Ungarns, der Niederlande, Österreichs, Polens, Portugals, Rumäniens, Sloweniens und der Slowakei ist, am 1. April 2011 eingetragen wurde und sich auf „Eaux de Cologne, Deodorants für den persönlichen Gebrauch (Parfum) [und] Parfums“ bezieht:

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10 Mit Entscheidung vom 2. März 2016 gab die Widerspruchsabteilung dem von ITM Entreprises eingelegten Widerspruch statt, da für die maßgeblichen Verkehrskreise in der Tschechischen Republik, in Ungarn, in Polen und in Slowenien eine Verwechslungsgefahr bestehe.

11 Mit der streitigen Entscheidung wies die Zweite Beschwerdekammer des EUIPO die von Equivalenza Manufactory gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung eingelegte Beschwerde zurück. Die Beschwerdekammer stellte fest, dass die maßgeblichen Verkehrskreise aus der breiten Öffentlichkeit dieser vier Mitgliedstaaten bestünden, die eine durchschnittliche Aufmerksamkeit aufweise, und dass die fraglichen Waren identisch seien. In Bezug auf den Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen nahm sie an, dass diese einen mittleren Grad an bildlicher und klanglicher Ähnlichkeit sowie Bedeutungsunterschiede aufwiesen. Nach einer umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 kam sie zu dem Ergebnis, dass für die maßgeblichen Verkehrskreise eine solche Gefahr bestehe.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

12 Mit Klageschrift, die am 4. Januar 2017 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Equivalenza Manufactory eine Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung.

13 Als einzigen Klagegrund machte sie einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend.

14 Im angefochtenen Urteil wies das Gericht in einem ersten Schritt darauf hin, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen in bildlicher Hinsicht einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorriefen, in klanglicher Hinsicht einen mittleren Ähnlichkeitsgrad aufwiesen und in begrifflicher Hinsicht unterschiedlich seien, weil das Anmeldezeichen das Wort „black“ und den Zusatz „by equivalenza“ enthalte. In einem zweiten Schritt ging das Gericht aufgrund einer Beurteilung der Ähnlichkeit dieser Zeichen in ihrer Gesamtheit und unter Berücksichtigung der Vermarktungsbedingungen der in Rede stehenden Waren davon aus, dass die erwähnten Zeichen wegen ihrer Unterschiede in bildlicher und begrifflicher Hinsicht nicht ähnlich im Sinne des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 seien.

15 Da eine der kumulativen Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung nicht erfüllt war, kam das Gericht in Rn. 56 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis, dass die Beschwerdekammer das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr im Sinne dieser Bestimmung rechtsfehlerhaft bejaht habe.

16 Mit dem angefochtenen Urteil gab das Gericht also dem einzigen Klagegrund von Equivalenza Manufactory statt und hob somit die streitige Entscheidung auf.

Anträge der Parteien

17 Mit seinem Rechtsmittel beantragt das EUIPO,

– das angefochtene Urteil aufzuheben und

– Equivalenza Manufactory die Kosten aufzuerlegen.

18 Equivalenza Manufactory beantragt,

– das Rechtsmittel zurückzuweisen und

– dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

19 Das EUIPO stützt sein Rechtsmittel auf einen einzigen Rechtsmittelgrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gerügt wird. Dieser Rechtsmittelgrund besteht aus vier Teilen.

Zum ersten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes

Vorbringen der Parteien

20 Mit dem ersten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes macht das EUIPO geltend, dass das Gericht den Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen in bildlicher Hinsicht widersprüchlich begründet habe.

21 So habe das Gericht einerseits, als es in Rn. 29 des angefochtenen Urteils davon ausgegangen sei, dass die Beschwerdekammer nicht zu dem Ergebnis habe kommen können, dass zwischen den kollidierenden Zeichen keine Ähnlichkeit bestehe, weil in beiden Zeichen die fünf Buchstaben „l“, „a“, „b“, „e“ und „l“ in weißen Großbuchstaben geschrieben stünden, das Vorliegen einer schwachen bildlichen Ähnlichkeit zwischen diesen Zeichen bestätigt. Andererseits habe das Gericht aber durch die Ausführungen in den Rn. 32 und 33 dieses Urteils, dass der von diesen Zeichen jeweils hervorgerufene Gesamteindruck in bildlicher Hinsicht unterschiedlich sei, implizit jegliche Feststellung einer visuellen Ähnlichkeit zwischen eben diesen Zeichen ausgeschlossen.

22 Im Übrigen habe der Bestandteil „label“, der den einander gegenüberstehenden Zeichen gemeinsam sei, keine Aussagekraft für die maßgeblichen Verkehrskreise und sei daher unterscheidungskräftig.

23 Equivalenza Manufactory erwidert, dass das Gericht zu Recht und, ohne sich selbst zu widersprechen, davon ausgegangen sei, dass die wenigen Elemente einer bildlichen Ähnlichkeit nicht ausreichten, um die offensichtlichen visuellen Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen auszugleichen. Es sei nämlich ein Vergleich dieser Zeichen in bildlicher Hinsicht unter Berücksichtigung aller Bestandteile, sowohl der Wort- als auch der Grafikelemente, aus denen sich diese Zeichen zusammensetzten, vorzunehmen.

24 Der vom EUIPO behauptete Umstand, dass der den einander gegenüberstehenden Zeichen gemeinsame Bestandteil „label“ unterscheidungskräftig sei, bedeute nicht, dass er das einzige Element sei, das diesen Zeichen Unterscheidungskraft verleihe, oder dass er das...

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