HOLD Alapkezelő Befektetési Alapkezelő Zrt. v Magyar Nemzeti Bank.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2022:606
Date01 August 2022
Docket NumberC-352/20
Celex Number62020CJ0352
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

1. August 2022(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Richtlinie 2009/65/EG – Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) – Richtlinie 2011/61/EU – Alternative Investmentfonds – Vergütungspolitik und ‑praxis der Geschäftsführer einer OGAW-Verwaltungsgesellschaft oder eines Verwalters alternativer Investmentfonds – An bestimmte Mitglieder der Geschäftsleitung ausgeschüttete Dividende – Begriff der Vergütung – Art. 17 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Eigentumsrecht“

In der Rechtssache C‑352/20

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Kúria (Oberster Gerichtshof, Ungarn) mit Entscheidung vom 2. Juli 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Juli 2020, in dem Verfahren

HOLD Alapkezelő Befektetési Alapkezelő Zrt.

gegen

Magyar Nemzeti Bank

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen, in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, sowie der Richterin I. Ziemele (Berichterstatterin) und des Richters P. G. Xuereb,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2021,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der HOLD Alapkezelő Befektetési Alapkezelő Zrt., vertreten durch Á. P. Baráti, T. Fehér, P. Jalsovszky und B. D. Zsibrita, Ügyvédek,

– der Magyar Nemzeti Bank, vertreten durch T. Kende und P. Sonnevend, Ügyvédek, sowie G. Subai, Rechtsberater,

– der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und G. Koós als Bevollmächtigte,

– der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

– der Europäischen Kommission, zunächst vertreten durch L. Havas, J. Rius Riu und H. Tserepa-Lacombe, dann durch V. Bottka, J. Rius Riu und H. Tserepa-Lacombe als Bevollmächtigte,

– der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, vertreten durch G. Filippa als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 16. Dezember 2021

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 14 bis 14b der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. 2009, L 302, S. 32) in der durch die Richtlinie 2014/91/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 (ABl. 2014, L 257, S. 186) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2009/65), Art. 13 Abs. 1 und Anhang II Nrn. 1 und 2 der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010 (ABl. 2011, L 174, S. 1) sowie Art. 2 Nr. 5 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission vom 25. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie (ABl. 2017, L 87, S. 1)

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der HOLD Alapkezelő Befektetési Alapkezelő Zrt. (im Folgenden: HOLD) und der Magyar Nemzeti Bank (Ungarische Nationalbank) wegen eines Bescheids, mit dem diese gegen HOLD wegen ihrer Vergütungspraxis eine Sanktion verhängt hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2009/65

3 Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/65 bezeichnet der Ausdruck „Verwaltungsgesellschaft“ für die Zwecke dieser Richtlinie eine Gesellschaft, deren reguläre Geschäftstätigkeit in der Verwaltung von in der Form eines Investmentfonds oder einer Investmentgesellschaft konstituierten Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) besteht (gemeinsame Portfolioverwaltung von OGAW).

4 Art. 6 Abs. 3 und 4 dieser Richtlinie bestimmt:

„(3) Abweichend von Absatz 2 können die Mitgliedstaaten einer Verwaltungsgesellschaft – zusätzlich zur Verwaltung von OGAW – die Zulassung für die Erbringung der folgenden Dienstleistungen erteilen:

a) individuelle Verwaltung einzelner Portfolios – einschließlich der Portfolios von Pensionsfonds – mit einem Ermessensspielraum im Rahmen eines Mandats der Anleger, sofern die betreffenden Portfolios eines oder mehrere der in Anhang I Abschnitt C der Richtlinie 2004/39/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. 2004, L 145, S. 1)] genannten Instrumente enthalten, und

b) als Nebendienstleistungen:

i) Anlageberatung in Bezug auf eines oder mehrere der in Anhang I Abschnitt C der Richtlinie 2004/39/EG genannten Instrumente,

ii) Verwahrung und technische Verwaltung in Bezug auf die Anteile von Organismen für gemeinsame Anlagen.

(4) Artikel 2 Absatz 2 und die Artikel 12, 13 und 19 der Richtlinie 2004/39/EG finden auf die Erbringung der in Absatz 3 genannten Dienstleistungen durch Verwaltungsgesellschaften Anwendung.“

5 Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2009/65 lautet:

„Jeder Mitgliedstaat erlässt Wohlverhaltensregeln, welche die in diesem Mitgliedstaat zugelassenen Verwaltungsgesellschaften fortwährend einzuhalten haben. Diese Regeln müssen zumindest die Beachtung der in diesem Absatz aufgeführten Grundsätze gewährleisten. Gemäß diesen Grundsätzen muss die Verwaltungsgesellschaft

a) bei der Ausübung ihrer Tätigkeit recht und billig im besten Interesse der von ihr verwalteten OGAW und der Integrität des Marktes handeln;

b) ihre Tätigkeit mit der gebotenen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im besten Interesse der von ihr verwalteten OGAW und der Integrität des Marktes ausüben;

c) über die für eine ordnungsgemäße Geschäftstätigkeit erforderlichen Mittel und Verfahren verfügen und diese wirksam einsetzen;

d) sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten bemühen und, wenn sich diese nicht vermeiden lassen, dafür sorgen, dass die von ihr verwalteten OGAW nach Recht und Billigkeit behandelt werden, und

e) alle für die Ausübung ihrer Tätigkeit geltenden Vorschriften im besten Interesse ihrer Anleger und der Integrität des Marktes einhalten.“

6 Art. 14a dieser Richtlinie sieht vor:

„(1) Die Mitgliedstaaten verlangen von den Verwaltungsgesellschaften die Festlegung und Anwendung einer Vergütungspolitik und ‑praxis, die mit einem soliden und wirksamen Risikomanagement vereinbar und diesem förderlich ist und weder zur Übernahme von Risiken ermutigt, die mit den Risikoprofilen, Vertragsbedingungen oder Satzungen der von ihnen verwalteten OGAW nicht vereinbar sind, noch die Verwaltungsgesellschaft daran hindert, pflichtgemäß im besten Interesse des OGAW zu handeln.

(2) Die Vergütungspolitik und ‑praxis umfasst feste und variable Bestandteile der Gehälter und freiwillige Altersversorgungsleistungen.

(3) Die Vergütungspolitik und ‑praxis gilt für die Kategorien von Mitarbeitern, einschließlich Geschäftsleitung, Risikoträger, Mitarbeitern mit Kontrollfunktionen und Mitarbeiter, die sich aufgrund ihrer Gesamtvergütung in derselben Einkommensstufe befinden wie die Geschäftsleitung und Risikoträger, deren Tätigkeiten einen wesentlichen Einfluss auf die Risikoprofile der Verwaltungsgesellschaften oder der von ihnen verwalteten OGAW haben.

(4) Die [Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA)] gibt gemäß Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission (ABl. 2010, L 331, S. 84)] Leitlinien für die zuständigen Behörden oder die Finanzmarktteilnehmer heraus, die die in Absatz 3 des vorliegenden Artikels genannten Personen und die Anwendung der in Artikel 14b genannten Grundsätze betreffen. Diese Leitlinien tragen den in der Empfehlung 2009/384/EG der Kommission [vom 30. April 2009 zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor (ABl. 2009, L 120, S. 22)] enthaltenen Grundsätzen für eine solide Vergütungspolitik, der Größe der Verwaltungsgesellschaft und der von ihr verwalteten OGAW, ihrer internen Organisation und der Art, dem Umfang und der Komplexität ihrer Geschäfte Rechnung. …“

7 In Art. 14b der Richtlinie heißt es:

„(1) Bei der Festlegung und Anwendung der in Artikel 14a genannten Vergütungspolitik wenden die Verwaltungsgesellschaften die nachstehend genannten Grundsätze in einer Art und einem Ausmaß an, die ihrer Größe, ihrer internen Organisation und der Art, dem Umfang und der Komplexität ihrer Geschäfte angemessen sind:

a) Die Vergütungspolitik ist mit einem soliden und wirksamen Risikomanagement vereinbar und diesem förderlich und ermutigt zu keiner Übernahme von Risiken, die mit den Risikoprofilen, Vertragsbedingungen oder Satzungen der von der Verwaltungsgesellschaft verwalteten OGAW nicht vereinbar sind.

b) Die Vergütungspolitik steht im Einklang mit Geschäftsstrategie, Zielen, Werten und Interessen der Verwaltungsgesellschaft und der von ihr verwalteten OGAW und der Anleger solcher OGAW und umfasst Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten.

g) Bei erfolgsabhängiger Vergütung basiert die Gesamtvergütung auf einer Bewertung sowohl der Leistung des betreffenden Mitarbeiters und seiner Abteilung bzw. des betreffenden OGAW sowie deren Risiken als auch des Gesamtergebnisses der...

To continue reading

Request your trial
1 practice notes
  • Opinion of Advocate General Campos Sánchez-Bordona delivered on 8 February 2024.
    • European Union
    • Court of Justice (European Union)
    • 8 Febrero 2024
    ...Sur le champ d’application matériel de cette obligation, je renvoie aux points 47 et suivants de l’arrêt du 1er août 2022, HOLD Alapkezelő (C‑352/20, ci-après l’« arrêt HOLD Alapkezelő », 23 C’est ce que confirme le considérant 6 du règlement d’exécution (UE) nº 447/2013 de la Commission, d......
1 cases
  • Opinion of Advocate General Campos Sánchez-Bordona delivered on 8 February 2024.
    • European Union
    • Court of Justice (European Union)
    • 8 Febrero 2024
    ...Sur le champ d’application matériel de cette obligation, je renvoie aux points 47 et suivants de l’arrêt du 1er août 2022, HOLD Alapkezelő (C‑352/20, ci-après l’« arrêt HOLD Alapkezelő », 23 C’est ce que confirme le considérant 6 du règlement d’exécution (UE) nº 447/2013 de la Commission, d......

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT